Zeiten ändern sich und damit auch unsere Umgebung. Die Gründe dafür sind verschieden: Natürliche Einflüsse, neue Technologien und neue Ansprüche. Auch in Lienz wurde in den vergangenen Jahrzehnten vieles bewegt und verändert. Ein Paradebeispiel dafür ist der Hochstein. Der Hausberg der Dolomitenstadt wird von den Einheimischen geliebt, vom Weltcup-Tross gelobt, von Urlaubern geschätzt und von der Politik höchst kontroversiell behandelt. Wir befinden uns mitten im Wahlkampf und in Lienz ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass der Kampf um die Sitze im Stadtparlament auch am Hochstein ausgefochten wird. Seit Jahren werden Argumente für und gegen einen Winterbetrieb breitgetreten, die wir vor dem Wahlgeplänkel noch einmal bewusst beiseite schieben.
Der Hochstein war früh Schauplatz spannender Skirennen – beispielsweise der österreichischen Meisterschaften. Die umtriebigen Gründer des Lienzer Skiclubs bevölkerten den Berg seit der Vereinsgründung 1910 mit Gleichgesinnten auf zwei Brettern und veranstalteten unzählige Rennen. Im Jahr 1953 markierte der Bau des Einsitzer-Sesselliftes zur Venedigerwarte auf 1.016 Metern den ersten wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum anfangs charmanten und später modernen Skigebiet. Die Arbeiter mussten damals ohne maschinelle Unterstützung auskommen, hatten nur eine Materialseilbahn und einen Betonmischer zur Verfügung. Im selben Jahr wurde der Babylift am Taxermoos errichtet und zwei Skiabfahrten – die Familienabfahrt und die Riesentorlaufpiste – ausgebaut. Auch bei den Rodungen mussten die Arbeiter wortwörtlich Hand anlegen. Die Wurzelstöcke wurden mit einer speziellen Seilwinde mit Flaschenzug aus dem Boden gerissen. Am 13. Dezember 1953 wurde der Lift in Betrieb genommen. Als erster Fahrgast nahm Nationalrat Franz Kranebitter Platz. Mit einer Million Schilling wurden Lift- und Pistenbau finanziert.
Auf den Bildern aus dieser Zeit ist der Hochstein vor allem für jüngere Semester nicht wieder zu erkennen. Damals gab es noch die eingangs erwähnten Sprungschanzen auf dem Schlusshang, die durch grüne Inseln mit Bäumen von der Piste abgetrennt waren. 1937 stieg das Eröffnungsspringen auf der „Schlossbergschanze“. Insgesamt fünf Skispringen wurden dort ausgetragen, ehe die Schanze 1969 dem ersten großen Umbau des Zielhanges zum Opfer fiel. Der Weltcupzirkus kam damals zum ersten Mal nach Osttirol und löste massive Eingriffe am Lienzer Hausberg aus.
„Heute wären solche Eingriffe kaum denkbar.“
Der Torlaufhang vom Gribelehof bis ins Tal wurde verbreitert. Das kleine Waldstück in der Mitte wurde gerodet und abgetragen. Auf alten Bildern sind schwere Bagger zu sehen, die den gesamten Hang umwühlen und Erde und Wurzelwerk vor sich her schieben. „Heute wären solche Eingriffe kaum denkbar“, meint Siegfried Vergeiner vom SCL. Eine große Rolle spielte dabei einer der „Baumeister“ Osttirols, Alfred Thenius. Vieles, was den Bezirk heute prägt, wurde vom ehemaligen Leiter des Baubezirksamtes mitgestaltet. Den Hochstein formte er zu einem Skiberg.
Vom 19. bis 21. Dezember 1969 wurden die ersten Weltcup-Slaloms der Herren in Lienz ausgetragen. Der Hochstein schien spätestens ab diesem Zeitpunkt wachgeküsst. Der Berg pulsierte, im Archiv tauchen gut gelaunte Musikanten mit ihren Trompeten auf dem Sessellift auf, der Zielraum wurde bei den Rennen von hunderten Menschen bevölkert und auf der Moosalm schnallten sich glückliche Kinder ihre Latten an. Mit der Jahrzehntwende kam es dann zum Zusammenschluss zwischen der „Hochstein GmbH“ und der „Zettersfeldbahn AG“ – die Lienzer Bergbahnen waren geboren.
1972 wurde der Hochstein um 15,5 Millionen Schilling mit einem Doppelsessellift in der zweiten Sektion und einem Schlepplift im obersten Segment weiter ausgebaut. Von der Sternalm wurde die Kammabfahrt angelegt. Für Pistenbegrünungen fielen weitere drei Millionen Schilling an. Finanziert wurde der Pistenbau damals durch den Fremdenverkehrsverband Lienz, die benötigten Grundflächen wurden von Lienz und Leisach kostenlos zur Verfügung gestellt. Auch von diesem Eingriff gibt es spektakuläre Bilder, die etwa die Schlägerungen auf der Kammabfahrt zeigen. In dieser Zeit wurde auch die 1-Millionen-Grenze an beförderten Passagieren überschritten und die zweite Sektion eröffnet.
1975 war der Hochstein Schauplatz von FIS-Rennen. Schneesorgen hatte man damals auch ohne Kanonen und Lanzen keine – eine Messung ergab damals eine 2,4 Meter dicke Schneedecke. Um den Winterbetrieb dennoch abzusichern, tüftelte der Skiclub wenig später an einer Schneekanone, die der Verein 1981 unter Applaus des damaligen Lienzer Bürgermeisters Hubert Huber in Betrieb nahm.
1979 hatte der Einsitzer zur Venedigerwarte, der bis zu 270 Personen pro Stunde befördern konnte, ausgedient und wurde ein Jahr später durch einen zehn Millionen Schilling teuren Zweier-Sessellift ersetzt. Am Hochstein kehrte weiterhin keine Ruhe ein, Studien über weitere Ausbaumaßnahmen wurden in Auftrag gegeben. In einem nächsten Schritt wurde ab 1986 mit dem Bau von Beschneiungsanlagen begonnen und dafür Schneeanlagen im Bereich Gribelehof und auf der Sternalm errichtet, ehe 1988 der Herren-Weltcup auf den Lienzer Hausberg zurückkehrte.
„Papa, morgen kannst du den Fernseher aufdrehen.“
Das denkwürdige Duell zwischen Alberto Tomba und Bernhard Gstrein lockte damals 15.000 Zuschauer an. Gstrein sorgte für die Sensation und schnappte dem damals übermächtigen Italiener den Sieg weg. „Bei der Startnummernauslosung am Tag vor dem Rennen habe ich die Nummer eins gezogen. Das gab mir ein gutes Gefühl. Ich kann mich erinnern, dass ich meinen Vater anrief, um ihm zu sagen: „Papa, morgen kannst du den Fernseher aufdrehen“, erzählte Gstrein einst in einem Interview nach seinem Sieg.
Im folgenden Winter blieben die Skier im Keller – erstmals wurden alle Events abgesagt, weil auf den Hängen kein Schnee lag. Investiert wurde dennoch: 1991 wurde die Riesentorlaufstrecke am Hochstein abermals ausgebaut, ein Jahr später entstand die Skibrücke beim Gribelehof. 1994 wurden der Speicherteich und die Pumpstation bei der Sternalm angelegt, bevor ab 1997 im Zweijahresrhythmus der Damenweltcup in Lienz gastierte.
2005 wuchs die Infrastruktur auf der Moosalm mit dem Bau des Speicherteiches Taxermoos, der 55.000 Kubikmeter Wasser fasst und heute ein beliebter Zufluchtsort für gestresste Stadtbewohner ist. Wesentlich unruhiger war es bei der bisher letzten Ausfahrt der Bagger und Walzen zur Weltcuppiste. Die alten, ausgebleichten Zweiersessel wurden in den wohlverdienten Ruhestand geschickt. Es kam zum voluminösen Neubau einer Kombibahn mit Gondeln und Sesseln – gepaart mit der durchaus umstrittenen Errichtung der Ganzjahresrodelbahn „Osttirodler“.
Wieder wurden Form und Aussehen des Schlusshanges verändert, wieder türmten sich die braunen Erdhaufen. Nachdem Gras über die Sache gewachsen war, wurde es zumindest bautechnisch ruhig am Hochstein. Für Lärm sorgen dort nun die Biker auf den Trails, die wie Pilze aus dem Waldboden sprießen. Die Zeit wird zeigen, ob die Baggerschaufeln am Hochstein noch einmal ausschwingen. Der erste Politiker, der offen eine Schließung des nostalgischen Sesselliftes zur Sternalm ansprach, war im April 2011 der damalige ÖVP-Stadtrat Christian Zanon. Heute spekulieren Entscheidungsträger wie Franz Theurl über die Zukunft des emotionsbehafteten Berges. Der Obmann des Tourismusverbandes, der größter Anteilseigner der Bergbahnen ist, spricht sich seit Jahren für den Erhalt des kleineren Lienzer Skigebiets aus und meinte einst auf einer Vollversammlung: „Ein Zusperren wird es nicht geben.“
21 Postings
Viel Neues kann ich zum bestens gelungenen Beitrag nicht beitragen. Außer: Beim Schispringen im Winter 1958 habe ich mit meinem Fotoapparat (von Photo Porst) eifrig geknipts. Leider ist die Qualität nicht gut zum Veröffentlichen. Der Eintritt zum Schispringen zu den Ö.-Meisterschaften in Amlach kostete 25 Schilling. Vom damaligen Direktor der Berufsschule Zwiefelhofer wurden wir gedrängt, Eintrittskarten zu verkaufen. Drei Stück konnte ich absetzen. Wir haben nicht nur "Bubi" Bradl bewundert, auch Otto Leodolter - gewann 1956 in Cortina eine Medaille - war dabei. Die neue Piste von der Sternalm habe ich einmal mit der Rennrodel ausprobiert. Auf Höhe der "Reiter Feichte" kam mir ein Pistengerät entgegen. In allerletzter Sekunde konnte ich mich (starr vor Schreck, Hose hin, eine Menge "Blaue") durch eine Rolle nach rechts retten.
Schöner Beitrag! An das Tomba/Gstrein Duell kann ich mich noch lebhaft erinnern. War damals noch zu jung für nächtliche Altstadtbesuche - aber es gab ja das hartnäckige Gerücht, dass Alberto direkt am Vorabend des Rennens ordentlich gefeiert und so gegen vier in der Früh noch eine Portion Tirolerknödel verspeist haben soll.
Schöne Erinnerungen und alles passende Kommentare,ausser....ja ausser der von wolf_c...halt wie immer. Die Zeiten ändern sich halt mal und auch er ist mitgegangen.
... schon klasse wie auf den Bildern k e i n Autoparkplatz zu erkennen ist, und auch keine Tanke ... von der fetten lauten dreckigen Autostrasse gar nit zu reden ... vielleicht waren die Leut damals sogar fitter in ihrer Entbehrung?
"Zurückgewedelt ..." nennt sich die begeisternde Story von Roman Wagner. Hast du das nicht bemerkt?
So ein toller Beitrag! Vielen Dank!
Danke, Immer wieder eine Bereicherung solche Artikel.
Interessant wäre noch ein Artikel wies in 50 Jahren ausschaut :-)
Ja das waren noch grandiose unbeschwerte Zeiten, herzlichen Dank an die Pioniere Ich bin mir sicher unser Hausberg wird uns noch sehr viel Freude bereiten, er liegt in guten Händen Von TVB Boss Theurl F. und LBB Boss Tölderer M.
Hut ab vor den Pionieren der damaligen Zeit! Sie haben mit persönlichem und beruflichem Einsatz für die Allgemeinheit gearbeitet. Etwa das Schwemmmaterial nach den Hochwasserkatastrophen nicht auf einer teuren Deponie gelagert, sondern in einer Gemeinde einen Sportplatz angeebnet! Nicht immer lupenrein nach dem Gesetz, aber nie zum Eigennutz! Ohne DI Thenius würde es heute in so mancher Gemeinde keinen Sportplatz geben! Heute hätten diese Herren schon eine Masse an Anklagen wegen Bestechlichkeit, Bestechung, Nichteinhaltung von Ausschreibungskriterien ... am Hals!
Richtig beobachtet52, ja, und so mancher Baustofflieferant hat sich damals wohl auch an der Lieferadresse zum Wohle der Gemeinschaft gewundert
Interessant wär auch, wohin der gigantische Skischuh am Hochsteinparkplatz verschwunden ist. Für die damalige Zeit ein unbezahlbarer Werbegag. Schade darum!
Ich (JG 1940) kann mich noch gut an den ersten, von Franz Dellacher betriebenen Einsessellift bis etwa zur "Griebelehof-Kapelle erinneren, wo man als Schüler 50 Groschen bezahlen musste, ebenso an die ersten Öster. Skimeisterschaften (1956?) noch mit "Putzi" Frandl. Um grössere Weiten zu erreichen, wurde in Amlach eine Schanze gebaut, wo Bubi Bradl den Schanzenrekord bei ca. 80 m aufstellte.
Danke @Kiew u. @senf (unten)! Ich liebe solche "Gschichtln" aus dieser Zeit...
Super Geschichten, das müssen Zeiten gewesen sein...
Grandios, danke für die Zeitreise am Hochstein. Den Pionieren von anno dazumal ist Respekt zu zollen. Der "Hausberg" hätte grundsätzlich schon noch Möglichkeiten nur müsste die LBBAG mehr Entschlossenheit an den Tag legen. Bur wenige Orte haben das, eine Skipiste bis in die Stadt. Allen Betrieben am Hochstein ein Dankeschön. EIN ZUSPERREN DARF ES NICHT GEBEN!!
Die Zeitreise kann man auch live miterleben - mit dem Sessellift in der 2. Sektion:)
Was ist daran so schlecht? Kenne moderne Skigebiete da fahren solche Aufstiegshilfen immer noch. Zweierlift reicht da oben, die Sessel neu bearbeiten und eine Haube drauf.
Chapeau! Sehr interessanter Artikel, welcher uns in die damalige Zeit zurückführt. Wer weiß heute schon, dass es 2 Schlossbergschanzen gab. Eine davon ziemlich groß.
Begeistert bin ich von den Visionären und Pionieren aus alten Zeiten! Devise: Zusammenhalten und Umsetzen. Hochachtung dafür!
Für die damalige Zeit schon ein tolles Sportgeschehen am Schlossberg und wenn man bedenkt, dass man dort 1956 die Österreichischen Skimeisterschaften ausgetragen hat, dann muss es ja große Hoffnungen für den Wintersportort Lienz gegeben haben.
Interessant ist auch, dass man 1955 in Amlach eine Skisprungschanze (Dolomitenschanze) errichtet hat, bei der man die Sprungweite von 84m erreichte. Also doppelt so weit wie am Schlossberg auf dem hölzernen Anlauf und Schanzentisch. Fast unglaublich!
Vielleicht findet sich jemand, der auch darüber berichten kann.
Nachzulesen in: Amlach. Ein Dorfbuch, Gem. Amlach 2008.
Vielen Dank für die Zeitreise Hochstein. Super Artikel mit äußerst interessanten Bildern!
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