Winterzauber
Winterzauber
Wolfgang C. Retter hat für uns den Zauber des Winters in und um Lienz eingefangen.

DOLOMITENSTADT beschreibt seit vier Jahren vorwiegend Osttirol und seine Bezirkshauptstadt Lienz. Immer wieder fragen uns Leserinnen und Leser: „Gehen euch nicht bald die Geschichten aus?“ Schließlich ist der Bezirk überschaubar und unser Anspruch hoch: Wir möchten keine Reportage bringen, die man so schon kennt. Die Betonung liegt auf so.

Die folgende Fotostrecke von Wolfgang C. Retter zeigt einmal mehr, dass wir zwar alle Augen haben, aber nicht dasselbe sehen. Retter, dessen Landschaftsfotografien ein fixer Bestandteil unseres Magazins sind, ist ein Meister des zweiten Blicks, der subtilen Wahrnehmung, der Bilderzählung mit der Kamera. Sein Auge sieht mehr als das des flüchtigen Passanten und seine Geduld erschließt ihm den entscheidenden fotografischen Augenblick, die Minute, in der das Licht magisch und der Moment unwiederbringlich ist.

Dieses Magazin wurde Mitte November 2015 fertiggestellt, zu einem Zeitpunkt, als die Temperaturen in Osttirol bei rekordverdächtigen 15 bis 20 Grad plus lagen. Wir haben Wolfgang Retter angerufen, mit einem dringenden Wunsch: „Wolfgang, wir brauchen ein Winterwunderland!“ Seine Antwort: „Ich bring‘ euch was vorbei.“

Ein paar Sonnenstrahlen über dem „Kärntner Tor“ dringen durch die winterliche Wolkendecke und tauchen den Lienzer Talboden in ein unwirkliches Licht. Wolfgang Retter arbeitet ohne Filter und aufwändige Photoshop-Retuschen. Er wartet oft Stunden auf eine Lichtstimmung, die seine Bilder zu Gemälden werden lässt, wie jenes von der Hochsteinhütte im Gold der Abendsonne.

Ein Meter Schnee lag eines Nachts im Jänner 2014 auf dem Hauptplatz von Lienz und es schneite weiter. Als die Stadt erwachte, trauten viele Bürger ihren Augen nicht. „Es ist gar nicht leicht, ein Foto zu machen, bevor die Schneeräumung ausrückt“, erzählt Wolfgang Retter, dessen liebste Zeit für ungewöhnliche Bilder seiner Heimatstadt der frühe Morgen ist. Im Winter dämmert es noch nicht, wenn er loszieht, um eine menschenleere Stadt einzufangen, in der scheinbar noch alles schläft. Scheinbar. Denn mancher Nachtschwärmer hatte auch an diesem Tag bereits sein Auto ausgebuddelt und Trampelpfade zogen sich durch die Innenstadt. Wenige Stunden nach dieser Aufnahme war der Platz geräumt.

Früher wurde mit Lanzen und Kanonen um Ländereien, Macht und Einfluss gekämpft. Heute kämpfen wir mit diesen Waffen um den Winter als Wirtschaftsgut und produzieren Schnee als „weißes Gold“. Fällt es nicht vom Himmel, dann müssen wir es selbst herstellen. Wolfgang Retter friert die industrielle Produktion des Winterzaubers in einem Bild ein, das zugleich beeindruckt und nachdenklich stimmt. Auf dem Hochstein wird die Weltcup-Strecke präpariert. Trinkwasser wird zu Schnee, grüne Wiesen werden zu Pisten. Und alle zwei Jahre wird im Lienzer Gemeinderat darüber diskutiert, ob sich der Aufwand lohnt und das Spektakel auch bringt, wofür es inszeniert wird: zahlende Gäste, die den Winterzauber in Osttirol suchen – und vor allem abseits der Pisten wohl auch finden.

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