Der Herbst nähert sich in unermüdlichen Schritten, die Sonnenstrahlen haben an Kraft verloren und im Wahlkampf kämpfen die Parteien um die letzten Stimmen der unentschlossenen Wähler. Die warmen Sommertage sind gezählt und sobald die Regierungsbildung gelungen ist, ist auch dem freien Spiel der Kräfte in unserem Nationalrat ein Ende gesetzt. Anstatt die Zeit zwischen Ibiza-Skandal und den Neuwahlen am kommenden Sonntag nur formal zu überbrücken, hat die Übergangsregierung unter der amtierenden Kanzlerin Brigitte Bierlein einige Beschlüsse gefasst, die die politischen Turbulenzen überdauern und uns auch in der nächsten Regierungsperiode erhalten bleiben werden.
Somit nehmen wir aus diesem Sommer nicht nur schöne Erinnerungen an unsere Strandurlaube und gemütliche Grillabende mit, sondern auch eine Reihe von Verboten: Das Rauchverbot in der Gastronomie, das Plastiksackerlverbot und – das Glyphosatverbot. An dieser Stelle gehen dann die Augenbrauen hoch. Was war das nochmal? Ein Düngemittel? Tja fast. Glyphosat wird in der Landwirtschaft eingesetzt, allerdings nicht, um Pflanzen schneller wachsen zu lassen, sondern um ungewollten Unkrautwuchs – oder Beikrautwuchs, wie es fachlich richtig bezeichnet wird – zu vernichten. Es handelt sich also um ein Unkrautvernichtungsmittel, genauer gesagt ein Totalherbizid. Das bedeutet, dass das Glyphosat jede Grünpflanze zerstört, Nutzpflanzen werden genauso angegriffen wie das unbeliebte Beikraut. Eine Behandlung mit Glyphosat überleben nur gentechnisch entsprechend veränderte Pflanzen, die innerhalb der EU allerdings verboten sind.
Das Pflanzengift, das im Handel vorwiegend unter der Bezeichnung „Roundup“ verkauft wird, wurde von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IRAC) als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Diese Einordnung ist wissenschaftlich zwar umstritten, aber auch Umweltschützer plädieren schon seit langem für ein Verbot des Herbizids. Österreich wagte mit der Durchsetzung dieses Verbots einen nationalen Alleingang – EU-weit ist der Einsatz des Herbizids noch bis 2022 erlaubt. Während die österreichischen Landwirte vor Durchsetzung des Beschlusses noch heftig protestierten und einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen EU-Ländern sahen, haben sich die Wogen inzwischen offenbar geglättet und das, obwohl der Sommer 2019 der letzte gewesen sein wird, in dem der Einsatz von Glyphosat erlaubt war. Erhebt die EU-Kommission bis Ende September keinen Einspruch, wird das Verbot mit 1. Jänner nächsten Jahres in Kraft treten.
Wir haben einen Lokalaugenschein unternommen und die Osttiroler Landwirte zu dem umstrittenen Thema befragt – und ausschließlich entspannt wirkende Rückmeldungen bekommen. „Wir im Tiroler Landtag haben bereits im Dezember 2017 beschlossen, schrittweise aus dem Glyphosat auszusteigen. Dabei ging es vor allem um den Glyphosateinsatz in landeseigenen Einrichtungen, bei öffentlichen Bundeseinrichtungen und in den Tiroler Gemeinden. Aufregung hat das damals überhaupt keine hervorgerufen, auch nicht unter den Bauern, weil Glyphosat in Tirol in der landwirtschaftlichen Produktion kein großes Thema ist“, meint Landtagsabgeordneter und Senior-Obstbauer Hermann Kuenz. Rückstände des Herbizids in Lebensmitteln seien in Tirol nie festgestellt worden.
Den Kuenz-Hof samt Apfelplantagen führt inzwischen Hermanns Sohn Johannes Kuenz. Wer denkt, man müsse beim Obstbau kein Unkraut vernichten, liegt falsch. Im Frühjahr werden die Reihen unter den Apfelplantagen beikrautfrei gehalten, damit die Nährstoffe aus dem Boden ausschließlich den Bäumen zur Verfügung stehen. Glyphosat käme dabei nicht zum Einsatz, mit dem Traktor werde das Unkraut mechanisch untergearbeitet. „Wenn man hier die CO2-Bilanz der mechanischen Unkrautbeseitigung mit dem Einsatz von Herbiziden vergleicht, ist es halt wieder eine andere Frage, welche Art der Unkrautvernichtung klimafreundlicher ist“, so Johannes Kuenz. Vielversprechend seien elektronische Unkrautvernichtungsroboter, die ähnlich einem Rasenmähroboter die Reihen autonom aufackern. Noch sind diese Roboter in Entwicklung, doch schon nächstes Jahr könnten sie zum Einsatz kommen und auf den Obsthängen auf- und abrollen.
„Im Prinzip ist das wie mit einer Medizin – wenn ich eine Lungenentzündung habe, bekämpfe ich diese mit dem passenden Antibiotikum.“
Neben dem Obstbau kommt das Totalherbizid auch im Ackerbau, beispielsweise beim Anbau von Mais, Getreide und Kartoffeln zum Einsatz. Doch auch hier ist der Bedarf an Glyphosat in Osttirol offenbar gering. „Die beiden wichtigsten Zweige in Osttirol sind Berg- und Biolandwirtschaft, in beiden Bereichen findet Glyphosat nur eine verschwindend geringe Anwendung, beziehungsweise in der biologischen Landwirtschaft gar keine“, meint Martin Diemling, Lienzer Landwirtschaftskammer-Bezirksstellenleiter und selbst Landwirt.
Auch im Mischfutterwerk der RGO ist Glyphosat nur auf Anfrage erhältlich. Wer den Wirkstoff in konzentrierter Form erwerben möchte, muss einen Pflanzenschutzmittelausweis vorlegen. „In der Diskussion rund um das Glyphosat geht es immer nur um den einen Wirkstoff, allerdings müssen wir uns die ganze Bandbreite der Totalherbizide anschauen. Wenn notwendig, setzen wir Unkrautvernichtungsmittel ein, beispielsweise beim Silomais, beim Getreide und bei den Kartoffeln. Der Einsatz erfolgt punktgenau. Im Prinzip ist das wie mit einer Medizin – wenn ich eine Lungenentzündung habe, bekämpfe ich diese mit dem passenden Antibiotikum“, räumt Landtagsabgeordneter und Landwirt Martin Mayerl ein.
Eine differenzierte Sicht auf die Diskussion rund um das Verbot von Glyphosat hat der Biologe Christian Vogl von der Universität für Bodenkultur in Wien. Seiner Meinung nach ist es auf Grund der Debatte rund um das Verbot des Unkrautvernichtungsmittels zu zwei Bewegungen gekommen. Einige Landwirte versuchen, überhaupt keine Totalherbizide mehr einzusetzen, andere weichen auf vergleichbare Wirkstoffe aus. „Einen Bauern zu fragen, ob er Glyphosat einsetzt, ist wie wenn du von einem Alkoholiker wissen wolltest, ob er trocken ist und fragst, ob er noch Gösser trinkt. Er kann beruhigt sagen: Nein! Denn er ist auf Ottakringer umgestiegen“, so Vogl.
Anschaulich wird das anhand der Datenbank im Pflanzenschutzmittelregister vom Bundesamt für Ernährungssicherheit. Sucht man nach zugelassenen glyphosathaltigen Produkten für den Anbau von Kartoffeln erhält man zwar keine Treffer, allerdings scheinen 53 andere Herbizide auf, die die gleiche Wirkung, allerdings einen anderen Wirkstoff haben. Für den Anbau von Mais steht den Landwirten eine noch größere Auswahl zur Verfügung: Bis Ende des Jahres sind noch sieben Herbizide mit dem Hauptwirkstoff Glyphosat zugelassen, nach Ablauf dieser Frist bleiben immer noch 152 andere Unkrautvernichtungsmittel übrig.
„Einen Bauern zu fragen, ob er Glyphosat einsetzt, ist wie wenn du von einem Alkoholiker wissen wolltest, ob er trocken ist.“
Nach einem Ersatzmittel für Glyphosat wird auch am Forst- und Gartenamt der Stadtgemeinde Lienz fieberhaft gesucht. Seit einem Gemeinderatsbeschluss im Oktober 2017 wirtschaften die Stadtgärtnerinnen und -gärtner ohne Glyphosat. Das Fazit nach zwei Sommern ohne das chemische Unkrautvernichtungsmittel: „Wie man sieht, kommen wir mit der Entfernung von Beikraut nicht nach“, so Martin König, Abteilungsleiter des Forst- und Gartenamtes Lienz. Und: „Um das Unkraut nachhaltig zu entfernen bräuchten wir mehr Arbeitskräfte.“ Das Abmähen und die Bearbeitung mit Wasserdampf zeige nur kurzfristig eine Wirkung, da die Wurzeln der Pflanzen bestehen bleiben. Herbizide greifen die Grünpflanzen als Ganzes an, sodass es länger braucht, bis die unerwünschten Kulturpflanzenbegleiter wieder zu sprießen beginnen. Derzeit testen die Stadtgärtner ein natürliches Unkrautvernichtungsmittel namens „Biohelp“. Der Hauptwirkstoff Pelargonsäure kommt in der Natur vor und steht damit im Einklang mit dem Konzept, die Stadtflächen möglichst naturnah zu bewirtschaften.
Ganz ohne den Einsatz von chemischen Herbiziden kommt der Biobauer Marzell Pondorfer aus. Umstellung war das für ihn keine, den Oberhoferhof in Dölsach hat er immer schon im Einklang mit der Natur bewirtschaftet. Auf die Frage, wie man denn als Biobauer das Unkraut bekämpfe meint er: „Wenn Unkraut aufkommt hat man eigentlich schon etwas falsch gemacht. Ein hoher Unkrautdruck bedeutet, dass der Boden aus dem Gleichgewicht ist. Auf der einen Seite möchte er Nährstoffe abgeben, auf der anderen Seite fehlt im etwas. Jedes Kraut das der Boden aufbringt, erfüllt eine solche Aufgabe. Durch den Einsatz von Spritzmitteln hat der Boden überhaupt keine Möglichkeit mehr, sich mitzuteilen.“ In der konventionellen Landwirtschaft werden fehlende Nährstoffe mit Düngemitteln ausgeglichen.
„Wenn Unkraut aufkommt hat man eigentlich schon etwas falsch gemacht.“
Biobauern hingegen helfen sich mit einer entsprechenden Fruchtfolge und geben dem Boden im Verlauf einer Fruchtfolge immer wieder Regenerationsphasen, in denen Kleegras gesät wird und der Acker sich erholen kann. Nach diesen Erholungspausen ist der Boden wieder bereit für Kulturpflanzen, Unkraut kommt so gut wie keines auf, da der Boden über das richtige Maß an Nährstoffen verfügt. Auch mit Unter- und Zwischensaaten kann man den Unkrautbewuchs geringhalten. Ein gänzlich freier Acker kommt in der Natur nicht vor, der Boden hat das Bedürfnis sich zu bedecken. Sät man beispielsweise beim Maisanbau Klee zwischen die Nutzpflanzen, kommt kein anderes Beikraut mehr auf. „Durch das Spritzen und Düngen bringen wir vieles aus dem Gleichgewicht, im Grunde genommen produzieren wir viel mehr, als wir brauchen. Auch ohne diese Hilfsmittel würden wir noch ausreichend Lebensmittel produzieren, nur müssten sie einen entsprechenden Preis bekommen und von den Menschen als wertvoll angesehen werden“, meint der Biobauer abschließend.
Auch der Spitzenkandidat der Grünen, Werner Kogler, wünscht sich eine Entwicklung in Richtung biologische bzw. pestizid- und herbizidfreie Landwirtschaft. Er ist überzeugt, dass dies den österreichischen Landwirten höhere Einnahmen bringen würde – wenn die entsprechenden Förderungen freigemacht werden. Wir werden sehen, in welche politische Richtung uns die Herbstwinde am Sonntag wehen und wer diese und andere Entscheidungen in Zukunft treffen wird.
3 Postings
In anbetracht der Tatsache, daß Antibiotika aufgrund ihres Missbrauchs (unter anderem durch die Landwirtschaft) zunehmend wirkungslos werden, is der schlaue Spruch vom Mayerl mehr als zynisch. Da wird einem mal wieder die Abgehobenheit und das Unbewusstsein dei Politikerkaste vor Augen geführt.....
... die Lobbyisten der Pharma- und Chemieindustrie in Brüssel wollen doch bezahlt werden ...
roundup ohne glyphosat is leider nix anderes als verdünnte essigsäure. viel zu teuer für die abgepackte menge (1 lt für über 40 euro) und so gut wie wirkungslos. nach 2 wochen spriesst wieder jegliches unkraut wie eh und je
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