Unter dem Titel „Im Norden“ werden Bachers Landschaftsaufnahmen Nordnorwegens aktuell im Kunstraum Café Mitterhofer (Innichen) ausgestellt. Ein Fotobuch mit gleichnamigem Titel ist im Herbst 2019 in Zusammenarbeit mit Red Bull, Terramater und Benevento Publishing erschienen. In einem Interview spürten wir dem Menschen hinter der Kamera nach und begegneten dabei einer rastlosen Abenteurerin mit einer unstillbaren Sehnsucht nach der Berglandschaft Norwegens, die erst durchs Fotografieren richtig zur Ruhe kommt.
Pur, grafisch und kompositorisch durchdacht – so könnte man Isabelle Bachers visuelle Handschrift beschreiben, die gleichermaßen im Porträt wie in ihren Architektur- und Landschaftsaufnahmen zutage tritt. In ihrer Arbeit „Im Norden“ geht visuelle Präzision und Geordnetheit eine spannende Symbiose mit der Mystik der skandinavischen Natur ein. Unwirklich präsentiert sich uns hier die karge Landschaft nördlich des Polarkreises, die von Bacher meist ohne Menschen und Häuser abgelichtet wird, dafür aber die Magie des nördlichen Lichts – von der Mitternachtssonne bis zur winterlichen Dunkelzeit – einfängt. Hauptakteure sind in erster Linie die schroffen Gesteinsformationen und markanten Gebirgsketten Spitzbergens, Nordlands und der Finnmark, die bleiern und unverrückbar den Bildraum dominieren und mit ihren Konturen eine akkurate Grenze zwischen Himmel und Wasser bzw. Eis ziehen.
„Es muss für mich alles stimmen, damit ich zufrieden bin.“
In den minimalistisch-reduzierten Aufnahmen, in denen für Bacher vor allem die Proportionen stimmen müssen, verschränkt sich ihr Blick für die Ästhetik geometrischer Formen mit ihrem Gefühl für den Raum. Die klare Symmetrie und Bildharmonie, hergestellt u.a. durch den Goldenen Schnitt, verdeutlichen, dass hier eine Architektin am Werk war. „Es muss für mich alles stimmen, damit ich zufrieden bin – der Standort, das Licht, die Anordnung, die Komposition“, erklärt Bacher im Interview, deren fotografische Akribie bereits mehrfach mit Preisen und Auszeichnungen, wie zuletzt dem renommierten Sony World Photography Award 2018, gewürdigt wurde.
Obschon Isabelle Bacher, wohl auch aufgrund ihres fotografierenden Vaters, immer schon einen Bezug zur Fotografie hatte, entwickelte sie erst in Norwegen ihre Leidenschaft für das visuelle Einfangen von Landschaften. Monatelang fuhr sie mit dem Auto durch ihre zweite Wahlheimat, in der sie zwischen 2013 und 2017 als Architektin arbeitete, und traf dort Berge an, die ihren Blick fesselten und sie dazu veranlassten, immer wieder zu ihnen zurückzukehren. Manche dieser imposanten Steinriesen haben es Bacher ganz besonders angetan. Der Olstind auf den Lofoten war beispielsweise ein triftiger Grund für ihren Umzug von Tromsø auf den „Luchsfuß“. Nur so konnte sie ihn besser „studieren“, ihm nahe sein. Stundenlang und zu den unterschiedlichsten Jahres- und Tageszeiten beobachtete sie dort den majestätischen Berg und seine Interaktionen mit der Natur, übernachtete vor ihm, um ihn auf jene Art und Weise fotografisch verewigen zu können, wie es sich die Fotokünstlerin lange vor dem entscheidenden Schuss vor ihrem inneren Auge ausgemalt hatte.
Auf einem Bild der Serie ruht der Olstind unter einer dicken Schneedecke. Geisterhaft erscheint die leuchtend-weiße Pyramide hier in der Dunkelheit der Polarnacht. Auf einer anderen Fotografie tanzen neongrüne Nordlichter über dem grauen Berg, der ohne Schneekleid eine völlig andere Ausstrahlung hat. Isabelle Bacher schafft es, den norwegischen Bergen Leben einzuhauchen. Mit fotografischen Gestaltungsmitteln verleiht sie ihnen ein Gesicht mit Charakter, deren Eigenschaften und Facetten in den unterschiedlichen Lichtstimmungen besonders eindrücklich zur Geltung kommen. Ihre Bilder sind dabei keine fotografische Selbstverständlichkeit, kein Glücksschuss, sondern das Ergebnis wochenlangen Zuwartens. Immer wieder kehrt Bacher auch ohne ein Foto von ihren Touren zurück, auch wenn sie tagelang vor ihrem Wunschmotiv ausgeharrt hatte. Nur wenige Bilder werden ihren hohen Ansprüchen gerecht.
Manchmal drückt Bacher auch nur ein einziges Mal ab, wartet auf den einen, entscheidenden Augenblick, wie damals im Jahr 2015 auf Spitzbergen. Dort fing sie exakt jenen Moment mit nur einer Fotografie ein, in dem sich der Mond vor die Polarsonne schob und somit als Höhepunkt der Sonnenfinsternis die Umgebung in ein Blaurosa tauchte. Den Rest der Zeit genoss sie nach eigenen Aussagen das Naturschauspiel und verzichtete auf Bilder des Davor und Danach.
„Schon beim Anflug schlägt mein Herz jedes Mal schneller. Ich möchte unbedingt wieder dorthin!“
„Das Ganze hätte auch in die Hose gehen können und war ein Risiko“, erklärt Bacher, die bei ihren Erzählungen über Spitzbergen ins Schwärmen gerät. „Schon beim Anflug schlägt mein Herz jedes Mal schneller. Ich möchte unbedingt wieder dorthin!“, gesteht die Fotografin, die sich auf ihre arktischen Fotoexpeditionen wochenlang vorbereitet. Temperaturen um die -40 Grad und die geschätzt tausend Eisbären machen das Fotografieren dort zu einem aufwendigen und gefährlichen Unterfangen. Ein unüberlegter Schritt wird an diesem Ort schnell mit dem Tod bestraft, ein Ort, den man, so Bacher, nur bewaffnet, gut ausgerüstet und in Begleitung aufsuchen sollte.
Immer wieder machten der Fotografin in ihrer Norwegenzeit monatelange Herbst- und Winterstürme zu schaffen, die das Fotografieren im Freien gänzlich verunmöglichten. Gerade die ersten Monate auf den Lofoten waren von extremen Wetterverhältnissen geprägt, die sie dazu zwangen, ihre „Sucht“, wie sie das Fotografieren liebevoll bezeichnet, in einem selbst eingerichteten kleinen Studio auszuleben. Dort sind etliche Schwarz-Weiß-Porträts von einheimischen Fischern und bunten Vögeln der dortigen Künstlerszene entstanden, die Bacher zu sich nachhause einlud, um mit ihnen über das Leben und die norwegische Architektur zu philosophieren. Auch das Porträt des Malers Tor Essaissen, das 2017 den 2. Platz des Sony World Photography Award erlangte, ist ein Produkt dieser Zeit.
Warten, warten und abermals warten, genau hinschauen, exakt arrangieren und erst dann fotografieren, wenn man das Gefühl hat, das Bild könnte nun endlich so werden, wie man es im Kopf hat – Isabelle Bacher lebt eine Art fotografischer Praxis, die wir eher aus analogen Zeiten kennen. Trotz des digitalen Fortschritts setzt sie auf Entschleunigung, beobachtet lieber als abzudrücken, um jene Ruhe ins Bild zu bringen, die sie selbst an diesen Orten erfährt.
Fotografieren ist für die Osttirolerin eine achtsame Art mit der Natur in Kontakt zu treten und mit den Sinnen zu erfahren, wie der Ort durch den Lauf der Natur und im Wechsel der Jahreszeiten „unterschiedlich schön“ wird. Es hat für sie geradezu etwas Meditatives, ähnlich dem Fischen, das ihr aufgrund der mehrmonatigen Sommerurlaube in Skandinavien und ihrer norwegischen Wurzeln förmlich in die Wiege gelegt wurde. “Man hat in beiden Fällen etwas an der Angel, man weiß aber noch nicht genau, was da angebissen hat. Das macht den Reiz aus, der süchtig macht“, verrät sie im Interview. Auch wenn Isabelle Bacher zeitweise analog fotografiert und sich ebenso für die Großformatfotografie begeistern kann, arbeitet sie hauptsächlich mit Digitalkameras wie einer Nikon D 850.
Wie sehr sich Isabelle Bacher mit Norwegen verbunden fühlt, zeigt sich neben ihren Bildern auch an dem skandinavischen Namen ihrer kleinen Tochter. Nächstes Jahr geht es für die Fotografin wieder von Tirol in den hohen Norden, diesmal jedoch nicht allein, sondern in Begleitung der kleinen Linnea, die in ihrem ersten Norwegenaufenthalt mit den Worten „Brrr, kalt!“ die frostigen Temperaturen kommentierte. Bacher wird dort voraussichtlich für einige Monate ein großes Gemeinschaftsprojekt zu Ehren eines renommierten norwegischen Polarforschers realisieren. Sowohl als Architektin wie auch Fotokünstlerin wird sich Bacher in diesem Projekt einbringen und freut sich, dass sich nun eine Gelegenheit bietet, beide Leidenschaften unter einen Hut zu bringen und auf einen Schlag miteinander verbinden zu können.
Wann die Bergwelt Osttirols vor Bachers Linse geraten wird, ist noch ungewiss. Irgendwann will sie auch dort, vielleicht auch gemeinsam mit ihrem Vater Franz Bacher – einem ihrer wichtigsten Gesprächspartner in puncto Fotografie – ihren Osttiroler Wurzeln fotografisch Tribut zollen. Bis dahin dürfen wir uns am Zauber Norwegens in Buchform oder im Rahmen eines Ausstellungsbesuches im Kunstraum Café Mitterhofer erfreuen.
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Isabelle Bacher wurde 1976 in Lienz als Tochter einer norwegischen Mutter und eines Osttiroler Vaters geboren. Die schulische und universitäre Laufbahn absolvierte sie in Innsbruck. Von 2013 bis 2017 arbeitete Bacher als Architektin in unterschiedlichen Regionen bzw. Städten Norwegens. Mittlerweile hat sich die vielfach ausgezeichnete Künstlerin als Fotografin selbständig gemacht. Ihre Arbeiten wurden in unterschiedlichen Zeitungen und Magazinen wie mitunter in der National Geographic, der Terra Mater und der Times veröffentlicht. Neben der Bergwelt Norwegens, kamen der besonnenen Tirolerin auch österreichische Prominente, wie Reinhold Messner, vor die Linse.
3 Postings
Mutig der Weg, großartig das Ziel.
Traumhaft schön! Herzliche Gratulation und weiterhin viel Erfolg!
Mutig der Weg, großartig das Ziel!
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