Vom Sterben
und Leben
Vom Sterben und Leben
Silvia Ebner hat viel gesehen und Vieles erlebt. Zum Glück ist sie Erzählerin. Die Lehrerin hat ihren ersten Erzählband verfasst und schreibt auch für Dolomitenstadt.

Als Silvia Ebner zum Interview in die Dolomitenstadt-Redaktion kommt, sehe ich diese Frau zum ersten Mal und habe dennoch das Gefühl, sie zu kennen. 14 Tage vor ihrem Besuch schickte uns die Lehrerin – Mutter von zwei Töchtern – eine Sammlung von Erzählungen, für die sie einen Verleger sucht. Ich las den ersten Absatz der ersten Geschichte – und war sofort beeindruckt von der Bildhaftigkeit und Kraft dieser Texte, die ein Thema verbindet, das die Autorin seit ihrem vierten Lebensjahr begleitet: der Tod. Damals starb ihr Vater. Es war ihre erste bewusste Begegnung mit dem Sterben und doch gehört die erste Geschichte ihrer Erzählsammlung einem noch traurigeren Schicksalsschlag, dem Tod ihres Sohnes. Er lebte 38 Wochen und starb vor seiner Geburt.

Dieser Abschied ist so berührend und intensiv beschrieben, dass man den Text fast körperlich spürt. Es ist keine leichte Lesekost für Zwischendurch. Ebner lässt die Leser am ultimativen Schmerz teilhaben, dem der Mutter, die ihr totes Kind in den Armen hält. Wie die 47 Jahre alte Autorin mit diesem heiklen Stoff literarisch umgeht, ist ebenso kunstvoll wie sorgsam. Sie schafft Betroffenheit, ohne die Leser zu quälen, erzeugt Trauer und spendet zugleich Trost, schnürt die Kehle zu und macht zugleich Mut, mit einem klaren, lebendigen Erzählstil, der auch sprachlich ein Genuss ist. „Vom Sterben. Und Leben“ heißt das noch nicht verlegte Buch der in Assling geborenen Autorin.

Die Erzählsammlung ist meist autobiografisch und erhebt doch Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Ebner schafft das Kunststück, vom Abschied als Teil des Lebens zu erzählen. Sie hüllt die Trauer in ein buntes Kaleidoskop von Eindrücken und Begegnungen. Manchmal rückblickend, manchmal vorausschauend, bereist man mit der Autorin mehrere Kontinente, taucht in eine Welt voll mit erstaunlichen Charakteren, exotischen Schauplätzen, erzählerischen Wendungen und starken Emotionen ein. Ebners Sprachbilder sind gut zu lesen, nie banal, immer persönlich, manchmal fast intim. Die meisten Erzählungen spielen in einem buchstäblich bewegten Lebensabschnitt der Autorin, der in ihrer Pubertät begann und nach vielen Jahren der Wanderschaft um den halben Globus mit der Sesshaftigkeit endet.

Das Gespräch mit Silvia Ebner ist wie die Fortsetzung ihrer Texte, eine Kette von Erzählungen, biografisch, bunt und bildhaft. Die Kindheit in Schrottendorf, der frühe Tod des Vaters, die Enge und Eindimensionalität des Dorfes: „Das Drinnen wird so schnell zu einem Universum“. Dann der abrupte Sprung in die Gegenwelt: Paris. Die 16-Jährige taucht ein in ein anderes Leben, inhaliert es in seiner ganzen Fülle, immer auf der Suche nach einem noch unklaren Ziel in einem Lebenswandel, der über Jahrzehnte nomadenhafte Züge trägt.

In den ersten 46 Jahren meines Lebens war der Tod ständiger Begleiter. Mit diesem Buch soll das ein Ende haben.
Silvia Ebner

Ebner erwandert die Welt. Geht zu Fuß von Mexiko nach Guatemala, lebt ein Jahr lang in den USA, drei Jahre in Afrika, bereist schließlich Asien und sucht nach Jahren der Rastlosigkeit eine Möglichkeit, anzukommen. Ein Eremit in Myanmar verrät ihr schließlich die Formel: „All deine Träume werden in Erfüllung gehen, wenn du zu Hause bist.“ Und so kehrt Silvia Ebner heim an ihren Ursprung.

Zwischen den Reisen studiert sie in Innsbruck und Lille, hier Sprachen, dort Film. Sie schreibt eine Diplomarbeit über Bruce Chatwin, den schillernden Vogel unter den Reiseschriftstellern, der früh an Aids verstarb und auch ein Nomade war. Der Weltenwanderer und Autor der „Traumpfade“ prägte erkennbar Ebners Stil. Die Beschäftigung mit dem französischen Film weckte ihr dramaturgisches Feingefühl, erklärt die subtilen szenischen Arrangements in manchen Texten. Der Name von Helge Timmerberg fällt im Gespräch, auch ein Reisender und Journalist mit einem eigenwilligen, Fakten und Fiktion verschmelzenden Erzählduktus, der die Osttirolerin fasziniert.

Noch ist ihr Buch „Vom Sterben. Und Leben“ nicht verlegt, doch Silvia Ebner hat schon zwei weitere Bücher im Kopf, vorgedacht als Teile einer Trilogie. Dem Tod gehört dabei nur der Auftakt. „Das Todesthema war ein abruptes Eintauchen in Tiefe“, sagt die Autorin, damit habe sie nun abgeschlossen. Endlich. „In den ersten 46 Jahren meines Lebens war der Tod ständiger Begleiter. Mit diesem Buch soll das ein Ende haben.“ Schwarzweiß sieht sie den Umschlag dieses ersten Bandes, das zweite Buch könnte azurblau sein und den Titel tragen „Vom Sehen. Und Gesehen Werden“.

Es soll leicht sein und humorvoll, prall gefüllt mit Geschichten, die Ebner schon einmal zum Besten gab, damals am Lagerfeuer in Afrika, wo sie die Kunst des Erzählens in ihrer unmittelbarsten, unschuldigsten Form erlebte und erlernte. „Bei diesen Geschichten haben die Leute gelacht. Ich hoffe, der Funke springt dann auch beim Lesen über.“ Und das dritte Buch? Es soll „Vom Lieben. Und Wachsen“ handeln – geschrieben wie die meisten Texte der Autorin zwischen drei und sechs Uhr morgens, mit einem Blick aus dem Fenster in den Nachthimmel über den Osttiroler Bergen.

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