Katarina Schmidl erinnert am 2. Juni mit einer Kunstinstallation auf dem Drauradweg in der Peggetz an das Kosakendrama, das sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Lienzer Becken ereignete.
Schon seit zehn Jahren fördert das Land Tirol sowohl permanente also auch temporäre Projekte im Rahmen des Programmes „Kunst im öffentlichen Raum Tirol“. Mit diesem Förderprogramm soll eine zeitgemäße Form der Auseinandersetzung mit aktuellen, gesellschaftspolitischen sowie historisch relevanten Themen unterstützt werden. Diese im öffentlichen Raum stattfindende Kunst soll zum Nachdenken anregen, Diskussionen auslösen oder Prozesse jeglicher Art in Gang setzen.
Dies ist auch das Ziel von Katarina Schmidl, die für diese Aktion eine Installation zum Kosakendrama am 2. Juni um 10 Uhr am Drauradweg in der Peggetz auf der Höhe des Kosaken-Friedhofes machen wird. Die Künstlerin, die 1973 in Lienz geboren wurde, in Heiligenblut aufgewachsen ist und in Wien an der Hochschule für angewandte Kunst sowie in Barcelona Bildhauerei und Design studiert hat, war in den letzten 10 Jahren in zahlreichen Ausstellungen in Österreich, aber auch in New York, St. Petersburg, Paris oder Berlin vertreten, wurde mit mehreren Preisen, wie etwa dem Preis der Theodor-Körner-Stiftung oder dem Förderungspreis für bildende Kunst Kärnten, ausgezeichnet und war Artist in Residence in Budapest und Paliano bei Rom.
Als sich Katarina Schmidl dazu entschloss, an dieser Kunstaktion in Tirol teilzunehmen, lag es für sie auf der Hand, ein Projekt in Lienz zu machen, da sie hier acht Jahre am BG/BRG zur Schule ging. „Ich kenne Lienz also ziemlich gut und kenne daher auch die Geschichte des Kosakendramas mit seinen dramatischen Szenen kurz nach Ende des Krieges. Mein Onkel, der damals zirka neun Jahre alt war, hat miterlebt, wie kosakische Soldaten, die auf der Flucht gefangen wurden, in einem „Gemeindekotter“ in Döllach im Mölltal eingesperrt waren und nach Wasser flehten – ein Erlebnis, dass ihn bis heute nicht loslässt. Ich wollte einen künstlerischen Zugang schaffen, der, ohne ein klassisches Krieger-Denkmal zu sein, auf eine menschliche Tragödie hinweist und berührt.“
Die Kosaken, die sich als Gegner der Russischen Revolution 1943 den Nazis auf ihrem Rückzug angeschlossen hatten, waren im Mai 1945 zu Tausenden von Tolmezzo in den Lienzer Talboden gekommen. Sie hofften, unter der britischen Obhut in Sicherheit zu sein und nicht in die Sowjetunion und damit in den sicheren Tod zurückgeschickt zu werden. In den drei Wochen, in denen sie in Osttirol waren, hatten sie laut Zeitzeugen auf Grund ihrer großen Anzahl und ihrer vielen Pferde, die Weideland brauchten, ihres fremdländischen Aussehens und der ohnehin schon vorherrschenden Verunsicherung durch die Bombardierung von Lienz große Angst unter der Osttiroler Bevölkerung verbreitet. Doch die Szenen, die sich am 1. Juni in der Peggetz abspielten und als die Kosakentragödie in die Geschichtsbücher einging, löste bei vielen Menschen damals einen noch größeren Schrecken aus.
„Mir geht es in erster Linie um ein stilles Gedenken an die Frauen und Kinder, die ihre Männer und Väter in den Krieg begleiteten. Hier war ein ganzes Volk unterwegs. Im Raum Lienz und Oberkärnten lagerten ja ca. 25.000 Menschen, denen zuerst freies Geleit zugesprochen worden war. Als sie erkannten, dass dem nicht so war, versuchten viele zu fliehen oder töteten ihre Kinder und sich selbst aus Angst vor der Rache Stalins. In den klassischen Kriegerdenkmälern des 1. und 2. Weltkrieges wird nicht den zivilen Kriegsopfern gedacht. Daher ist meine Arbeit ein Mahnmal, das vor allem an Frauen und Kinder erinnern soll.“
Und dieses Mahnmal wird nun in der Peggetz auf dem Drauradweg auf den Boden geschrieben. Die Worte erscheinen einmal in Deutsch und einmal in Russisch und lauten „Schlaf mein Kind, ich wieg dich leise, bajuschki-baju“. Es sind die ersten Zeilen des „Wiegenliedes der Kosaken“, doch sie könnten wohl in ähnlicher Weise überall auf der Welt zu Kindern gesungen oder gesagt werden. Am 2. Juni wird der Chor des BORG Lienz die ersten zwei Strophen dieses Liedes dort auch singen.
Die Kunstinstallation von Katarina Schmidl erinnert an das Projekt „Stolpersteine“ von Gunter Demnig, das bereits im Jahr 1992 seinen Anfang nahm und seit 2006 sogar urheberrechtlich geschützt ist. „Stolpersteine“ sind kleine, quadratische Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten, auf denen die von Hand eingeschlagenen Namen von Menschen stehen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Fast 67.000 solcher „Stolpersteine“ findet man inzwischen im Pflaster oder auf den Gehwegen, in Wien auch an vielen Hausfassaden, vor der letzten frei gewählten Wohnstätte dieser Menschen in 22 europäischen Ländern. Seit 2017 gibt es zudem eine Stolperschwelle in Argentinien.
Am Drauradweg in der Peggetz werden die Zeilen eines Kinderliedes daran erinnern, dass ein Krieg nie nur mit Soldaten geführt, gewonnen oder verloren wird. Und dass es auch Aufgabe der Kunst ist, daran zu erinnern. „Das Interessante an der Kunst im öffentlichen Raum ist, dass die Chance besteht, dass Menschen, die sich sonst eventuell nie mit diesem Thema auseinandergesetzt hätten, damit konfrontiert werden. Das kann etwas bewegen. Es handelt sich hier um ein klares, einfaches, stilles Erinnern. Da muss man nicht viel verstehen. Es ist bis zu einem gewissen Grad selbsterklärend. Wer sich näher informieren möchte, wird eventuell ja auch den Informationstext auf dem Schild lesen, das ich seitlich am Wegrand aufgestellt habe.“
4 Postings
Als ich mir kürzlich in Lienz die Kunstinstallation von Katarina Schmidl angesehen habe, war ich zutiefst berührt. Umso mehr schockieren mich die etwas seltsamen Postings zu dieser Aktion. Wo bleibt hier die Empathie? Wo das Verständnis für ein stilles Gedenken an eine Tragödie, die quasi vor der eigenen Haustüre stattgefunden hat? Sollte es nicht in unserem Sinne sein, diesem Schrecken des Krieges ein emotional gebührendes Andenken gewidmet zu wissen? Wer nur die leiseste Ahnung vom Werken und Wirken einer Kunstschaffenden hat, wird sich kaum erdreisten ihre Arbeit, die ja nicht allein ein ausführender sondern in erster Linie gedanklicher Prozess ist, „mit etwas auf die Straße malen“, zu mindern. Von meiner Seite - Chapeau! - Frau Katarina Schmidl.
Der Bergfex feixt, und in mir sp....s.
Etwas auf die Strasse malen ist "Kunstinstalation". Mit was man alles berühmt wird.
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren