Kein Faktum wird in unserer Gesellschaft stärker verdrängt als der Tod. Man spricht nicht darüber, verleugnet ihn und plötzlich, wenn ein geliebter Mensch stirbt, begegnet man dem Tod, denn jetzt trägt er einen Namen.
Franz Kafka schrieb: „Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.“ Für die Unternehmerfamilie Bergmeister ist der Tod allgegenwärtig. „Wir betreiben seit 1901 ein Bestattungsunternehmen“, erklärt Claus Bergmeister. Kein Osttiroler sah das Antlitz des Todes vermutlich öfter als er und doch spiegelt sich nichts davon in seinem Gesicht wider. Man fühlt sich wohl in seiner Gegenwart, trotz der 14 Särge, die nebenan im Ausstellungsraum stehen.
„Für uns Bestatter ist nicht der Tod das Schlimme, sondern das Leid, das die Angehörigen durchleben, wenn beispielsweise der einzige Sohn um 13 Uhr mit dem Motorrad wegfährt, und du bringst ihn um 16 Uhr im Sarg zurück zu seiner Mutter. Das sind Sachen, die vergisst du nie“, erzählt Claus Bergmeister offen. Genau aus diesem Grund sei es entscheidend, den Familien die bedrückende Last der Organisation abzunehmen. „Dabei ist es wichtig, dass man auch den kleinsten Wunsch erfüllt, selbst wenn es nur der ist, dass beim Beten an einer bestimmten Stelle eine kleine Kerze brennt. Wenn die Angehörigen kommen, und die Kerze brennt nicht, habe ich versagt.“
Bergmeister hatte in den vergangenen 20 Jahren keinen Urlaub und kein freies Wochenende: „Auf den Bestatter nimmt man logischerweise keine Rücksicht. Da heißt es nur: Komm und mach.“ Bei aller Routine hat er manchmal ein mulmiges Gefühl, das nachvollziehbar ist: „Wenn man zu einem Todesfall gerufen wird, und da liegt dann jemand, den man kennt, dann ist das extrem“, bekennt Claus Bergmeister. Deshalb versuche er schon im Vorfeld abzuklären, wer der Verstorbene ist. „Bitte nicht falsch verstehen, aber wenn du erfährst, dass der Verstorbene kein Osttiroler ist, fällt dir schon einmal eine Last von der Seele.“
Anders war es beim Absturz eines bekannten Alpinpolizisten, der bei einem Einsatz ums Leben kam. „Ich fuhr mit der Einstellung hin, dass ich einen verunglückten slowakischen Bergsteiger abholen soll. Plötzlich wirst du mit einem Todesfall konfrontiert, bei dem dir der Verstorbene gut bekannt ist. Das ist schlimm. Man braucht Zeit, das zu verarbeiten.“ Doch die hat man in diesen Situationen selten. Zu viel ist zu tun. Die Wünsche reichen von der Erdbestattung über Einäscherung bis hin zur Seebestattung. „Dabei wird die Urne des Verstorbenen in ausgewiesenen Bereichen in der Nordsee oder in der Adria beigesetzt“, erklärt Bergmeister. Manche Angehörige lassen aus der Asche der Verstorbenen einen Diamanten pressen. Eine Schweizer Firma bietet diesen Service an. Zwischen 3.000 bis 17.000 Euro kostet der extravagante Wunsch.
Kosten einer Beerdigung hängen von mehreren Faktoren ab. „Für eine Feuerbestattung nimmt man zwar meistens einen schlichten Kremierungssarg, aber wenn man für eine Erdbestattung bereits eine eigene Grabstelle hat, halten sich die Kosten fast die Waage“, erklärt der Bestatter, der selbst mit rund 4.000 Euro zu Buche schlägt. Damit sind nahezu alle Arbeiten desBestattungsunternehmens abgedeckt, die Angehörigen können sich ihrer Trauer widmen, statt Termine mit der Friedhofsverwaltung zu machen, den Pfarrer zu bestellen und Sterbebilder drucken zu lassen.
Hat man keine bestehende Grabanlage, sind laut Auskunft mehrerer Steinmetze rund 2.500 Euro für die Grabfassung bzw. den Grabstein zu kalkulieren. Dazu kommen Blumenschmuck und Verköstigung der Trauergäste.
Für die jährliche Grabpflege muss man dann noch mit circa 300 Euro rechnen. Eine Summe, die im ersten Moment überschaubar erscheint, sich in der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhefrist von zehn Jahren aber auf 3.000 Euro summiert. Grabpflege ist in Lienz Pflicht. „Wenn dies nicht passiert, wird der Erhalter des Grabes von uns angeschrieben„, erklärt Hannes Dreer von der Friedhofsverwaltung der Stadt. Was passiert, wenn jemand in den zehn Jahren die Grabpflege verweigert und ein Grab verwildern lässt? “Dann wird der Grabaufbau abgetragen und die Fläche begrünt. Ausgegraben wird niemand, weil ja die zehn Jahre Ruhefrist gelten. „Ein grünes Stückchen Rasenfläche bekommen auch all jene, die weder Angehörige noch Geld haben, um die Kosten zu tragen. Dreer: “Dafür gibt es in Österreich die Grundsicherung, weshalb das Amt für ein schlichtes Begräbnis sorgt.“
Auch bei Urnen wird die „Ruhefrist“ eingehalten, die Friedhofsverwaltung legt die Kosten für eine Dekade fest, 345 Euro bezahlt man für die Urnennische. „Dazu kommen 146 Euro für die Benützung der Leichenhalle und 49 Euro für die Beisetzung der Urne“, rechnet Hannes Dreer vor.
Wer sich statt der Nische für einen Urnensockel entscheidet, zahlt dafür 533 Euro. Für eine Verlängerung um jeweils fünf Jahre greift man abermals in die Tasche. „Dann zahlen die Angehörigen für die Nische 398 Euro und für den Sockel 619 Euro“, so Dreer. Dennoch tendieren immer mehr Menschen zu Einäscherungen. „Im Jahr 2002 gab es in Lienz neun Feuerbestattungen, 2011 waren es 54 und heuer halten wir mit Ende August bei 46 Urnenbestattungen“, rechnet Dreer vor und auch Bergmeister ortet einen Trend zur Feuerbestattung: „Vor zehn Jahren wählten 5 Prozent der Menschen die Urnenbestattung, derzeit sind es 25 Prozent, in zehn jahren vielleicht schon die Hälfte. In Vorarlberg hat der Trend früher eingesetzt, dort gibt es heute 80 Prozent Urnenbestattungen“, erzählt der Experte. Für welche Bestattungsform würde sich Claus Bergmeister entscheiden? „Ich bin noch unschlüssig. Zwar bin ich als Bestatter eher traditionell geprägt, aber der Gedanke an eine Feuerbestattung kommt mir immer näher. Es hat einfach etwas Würdevolles.“
Das finden auch viele, die nach ihrem Tod am liebsten die Asche an ihren Lieblingsplätzen verstreuen lassen möchten. Ein romantischer Gedanke, der aber vom Gesetzgeber verboten ist. Vermutlich um allzu ausgefallene Bestattungsrituale zu verhindern. Allerdings kann man sich in Tirol, mit einer Genehmigung durch die Bezirkshauptmannschaft, in einer Urne daheim im eigenen Garten beerdigen lassen. Dazu braucht man aber das ungeteilte Einverständnis aller im Haushalt lebenden Personen.
Claus Bergmeister rät davon ab, die Urnen von geliebten Verstorbenen in den eigenen vier Wänden aufzubewahren. „Die Friedhofskultur ergibt durchaus Sinn, denn wenn jemand stirbt, können alle beim Begräbnis ihre Trauer verarbeiten. In den darauffolgenden Tagen geht man wieder zum Friedhof, weint, ist traurig, verarbeitet den Abschied bewusster“, ist Bergmeister überzeugt. „Wenn ich aber die Urne daheim habe, kann ich nie damit aufhören. Ich hatte einige Kunden, die mir die Urne wieder gebracht haben und sagten, die emotionale Belastung sei doch zu groß. Es gibt aber auch Fälle die sagen, mir passt das, ich brauch das – ich habe dadurch das Gefühl, dass mein Partner bei mir ist.“ Trotzdem muss man sich damit abfinden, dass im Behältnis nur noch Asche ist.
Zu zermürbend ist seine Arbeit zu jeder Tages- und Nachtzeit in einem Beruf, der keinen Urlaub oder Feiertag kennt. Und dennoch steht bereits ein Nachfolger fest. Sohn Christian wird den Familienbetrieb übernehmen. Hineingewachsen in die Rolle ist er schon. „Mit acht Jahren trug ich die ersten Kränze oder Kerzen und mit 14 half ich bei der Einsargung“, erinnert sich der mittlerweile 23-Jährige. „Mein Vater hat mich langsam an den Tod herangeführt. Anfangs begleitete ich ihn zu den friedlich entschlafenen Menschen im Altersheim. Dies steigerte sich immer weiter, bis ich dann auch zu schweren Verkehrsunfällen mitgenommen wurde“, erinnert sich Christian, der nicht nur das Geschäft seines Vaters weiterführen will, sondern auch dessen Philosophie.
Die letzte Ruhestätte
Rund um das Thema Totenkultur hat uns Hannes Dreer eine Menge interessanter Fakten verraten. Am 28. Juli 1901 wurde der Städtische Friedhof nördlich der Pfarrkirche St. Andrä eingeweiht. Insgesamt wurden auf einer Gesamtfläche von 10.374 Quadratmetern 30 Arkaden, 146 Wandgräber und 1.858 Erdgräber errichtet. Ein Zugunglück in Nikolsdorf sorgte 1942/43 dafür, dass westlich des Kriegerfriedhofes ein weiteres Gräberfeld erschlossen wurde. Der „Neue Friedhof“erstreckt sich über eine Gesamtfläche von 10.700 Quadratmetern, auf denen 1.272 Erdgräber angelegt sind.
Im Lauf der Zeit wurde der Städtische Friedhof ständig erweitert. 1987 errichtete man 36 Urnennischen, die man 2009 und 2010 um jeweils 18 Urnennischen erweiterte. Bereits 2003 baute man 17 Urnensockel. 2005 folgte eine Gedenkstätte für Früh- und Totgeburten.
Seit der Errichtung des Städtischen Friedhofes wurden bis heute rund 12.500 Beerdigungen durchgeführt. Durchschnittlich finden ca. 120 Beerdigungen im Jahr statt.
Beide Friedhöfe sind in der Friedhofsordnung der Stadtgemeinde Lienz als „Grünfriedhof“ ausgewiesen. Das heißt, dass die einzelnen Gräber bepflanzt werden müssen. Abdeckungen aus Stein, Kies oder anderen festen Materialien sind grundsätzlich nicht erlaubt.
442 Kriegstote des Ersten Weltkrieges, 209 Tote des Zweiten Weltkrieges sowie 23 Gefallene aus den napoleonischen Kriegen fanden in den Soldatenfriedhöfen in Lienz ihre letzte Ruhestätte. Im Jahre 1983 wurde der Kosakenfriedhof in der Peggetz neu gestaltet. Dort liegen in 29 Gräbern an die 300 Opfer.
Das Grabnutzungsrecht an einer Grabstelle beträgt ab der Beerdigung zehn Jahre. Die Verlängerung eines Nutzungsrechtes kann für die Dauer von jeweils fünf Jahren beantragt werden.
Es gibt Einzel- und Doppelgräber, wobei in einem Einzelgrab zwei, und bei Doppelgräbern vier Beisetzungen üblich sind. Dabei gräbt man 2,20 Meter in die Tiefe, setzt den Sarg bei und bedeckt ihn wieder mit Erde. Wenn es im Ablauf der zehnjährigen Totenruhe zu einem weiteren Todesfall in der Familie kommt, wird nur mehr 1,80 Meter tief gegraben und dort der Sarg bestattet.
Urnen können auch in einem bestehenden Erdgrab beigesetzt werden. Das bringt gleich mehrere Vorteile mit sich: Man muss keine Urnenstätte mieten, braucht die Urne nur 50 cm tief im Erdreich eingraben und muss nur eine Grabstelle aufsuchen und pflegen.
Rechtzeitig bis Allerheiligen sollen die Bauarbeiten zum neuen Urnenfriedhof in Lienz fertiggestellt sein. Vorerst werden drei Urnenwände mit insgesamt 72 unterschiedlichen Urnengräbern gebaut. 36 der Urnengräber beherbergen zwei Nischen, währen die anderen 36 Urnengräber in vier Nischen Platz bieten.
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