Osttirol ist ein Tourismusbezirk – und besteht zum Großteil aus Gebirge. Gäste und Einheimische verbringen ihre Freizeit in diesen Bergen und begeben sich dabei auch in Gefahr. Wenn ein verletzter Urlauber, ein abgestürzter Kletterer oder ein vermisster Wanderer von der Flug- und Bergrettung geborgen werden muss, entscheiden manchmal Sekunden über Leben und Tod. Charly Lamprecht ist ein waschechter Flugretter. In unserem Interview erzählt er mir, warum er diese Arbeit macht und wie es sich anfühlt, ein Retter aus der Luft zu sein.
Charly ist 53 Jahre alt, wohnt in Würmlach (Kärnten) und zählt als Hobbies „Lesen, Schwimmen, Klettern und meine Kinder“ auf. Hauptberuflich arbeitet der Berg- und Skiführer in seiner eigenen Alpinschule, die er 1995 gemeinsam mit einem Freund gründete – ein Unternehmen, das Kletterkurse, Schulsport und Bergführungen anbietet, aber auch Skitourreisen in Länder wie Norwegen, die Schweiz oder Italien. Seit 17 Jahren tritt Charly als Flugretter regelmäßig seinen Dienst am Flug- und Landeplatz des ÖAMTC in Nikolsdorf bei Lienz an. Ich frage ihn, wie man Flugretter wird? Der Job beginnt mit einer Aufnahmeprüfung. „Nachdem ich bestanden hatte, besuchte ich zwei Jahre lang ein Air Rescue College, absolvierte einen Sanitäterkurs und beendete mit 30 Einsätzen unter der Aufsicht eines zweiten Flugretters schließlich meine Ausbildung.“
Charly Lamprecht war schon immer von der Flugrettung fasziniert. Er möchte seine Lebenszeit sinnvoll einsetzen, erklärt er mir, es gebe ihm „eine große Lebenszufriedenheit“ sagen zu können, „heute habe ich einem Menschen wirklich geholfen“. So möchte er auch der Gesellschaft etwas zurückgeben. Die Aufgaben des Flugretters beschreibt er so:
Am Flugplatz in Nikolsdorf teilen sich acht Flugretter den Dienst auf. Das Team besteht natürlich nicht nur aus Flugrettern, wie mir Charly erklärt. Gestartet wird immer zu dritt: ein Pilot, ein Notarzt und ein Flugretter. Los geht es um 7.00 Uhr morgens. Zu dieser Zeit sind die Retter einsatzbereit, die Maschine ist gecheckt, Arzt und Pilot bereit, die Berge- und medizinischen Materialien kontrolliert und Funk- und Hakencheck getätigt. Das Dienstende wird vom Sonnenuntergang bestimmt, der von der Jahreszeit abhängt. Sind allerdings gute Sichtbedingungen, gutes Wetter und alle Voraussetzungen gegeben, werden mit dem Einverständnis aller Kollegen im Sommer auch Einsätze bis in frühe Nachtstunden geflogen.
Ein Einsatz läuft folgendermaßen ab: Passiert ein Unfall, dann bekommt das Rote Kreuz bzw. die Leitstelle einen Anruf und dort wird der Unfall je nach Art des Unfalls, Unfallort und Zustand der Verletzten eingestuft. Wird entschieden, dass ein Notarzthubschrauber gebraucht wird, werden alle Daten, die den Unfall betreffen, gesammelt und die Flugretter per Funkpager alarmiert. Das Dreierteam fliegt dann sofort los, behandelt den Verunfallten und der Arzt entscheidet anhand der Verletzungen, in welches Krankenhaus er gebracht wird.
Ob er manchmal Angst habe, wenn er zu einem Einsatz ausrückt? Das sei eine gute Frage, gesteht mir Charly. „Das Tolle an diesem Job ist, dass jeder Tag anders ist und man nie wissen kann, was passiert“, berichtet er, „manchmal gibt es ruhige und entspannte Tage und dann wieder Tage, an denen man physisch und psychisch sehr beansprucht wird.“
Gibt es einen Einsatz bei dem Charly bemerkt, dass ihm etwas nicht passt, oder er ein komisches Gefühl hat, wird das offen im Team kommuniziert und nach einvernehmlicher Entscheidung der Einsatz abgesagt. Aus Prinzip werde vor jedem Einsatz ausgewogen, ob die Bergung möglich ist, um kein unnötiges Risiko einzugehen. Persönlich freue er sich eher auf die Herausforderungen, die jeder Tag bringt, als dass er mit Angst auf den nächsten Tag schaue, erklärt Charly Lamprecht.
„In diesem Beruf lernt man, dass jeder Augenblick seinen Wert hat und das Leben ein Geschenk ist.“
Aus seiner Arbeit hat er selbstverständlich auch viel für sein Leben als Bergführer, aber auch als Privatwanderer gelernt. Er bezeichnet es als gewinnbringend, gewisse Erfahrungen als Flugretter gemacht zu haben und immer noch zu machen: „Trotz der vielen miterlebten Unfälle muss man die Gedanken im Kopf auch wieder loslassen und sagen: Ich geh‘ trotzdem klettern, weil es mit der richtigen Technik, richtigem Wetter und Erfahrung nicht gefährlich ist“, so Lamprecht.
Abgeschlossen hat er unser Interview mit fast poetischen und vor allem wahren Worten: „Heute bist du gesund und denkst dir, dein Leben dauert ewig, aber das kann sich in Sekunden verändern. Morgen kann alles schon ganz anders sein. Das ist etwas sehr Schönes, das man in diesem Beruf erlernen darf. Dass man einfach weiß: Jeder Augenblick hat seinen Wert und dass das Leben auch ein Geschenk ist.“
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