Bei der Reifeprüfung im Sommersemester 2018 fiel Miriam Ressi mit einer engagiert geschriebenen und präsentierten vorwissenschaftlichen Arbeit auf. Das Thema: „Vergleich rechtspopulistischer Parteien in Europa ab der Jahrtausendwende anhand ausgewählter Beispiele“. Betreuer Christian Brandstätter und Direktor Roland Roßbacher waren beeindruckt. Sie überzeugten die Gymnasiastin, die Arbeit beim Bewerb um den VWA-Preis des Landesschulrats für Tirol einzureichen, wo sie in Innsbruck mit einer rhetorisch geschliffenen Präsentation überzeugte und prompt den ersten Preis holte.
Heute studiert Miriam Ressi, die für Dolomitenstadt auch schon als Jungjournalistin im Einsatz war, Politikwissenschaft und Publizistik in Wien. Wir sprachen mit ihr über Politik und junge Menschen, Populismus und die Zukunft.
Miriam, deine vorwissenschaftliche Arbeit wurde ausgezeichnet. Hast du damit gerechnet?
Nein, nicht wirklich, ich habe zwar schon viel Arbeit in die VWA gesteckt, aber da bin ich mit Sicherheit nicht die Einzige. Ich habe meine Arbeit deshalb eher mit der Einstellung eingeschickt: „Probieren kostet nichts“. Und das hat sich für mich dann auch ausgezahlt.
Bürgerinnen und Bürger in den öffentlichen Diskurs miteinzubeziehen und ihnen auch Partizipation zu ermöglichen, sollte das Hauptanliegen der Politik sein.
Es ist eine Arbeit über ein politisches Thema. Du studierst Politikwissenschaft und Publizistik und warst schon als Schülerin politisch aktiv, zumindest als Kommentatorin auf Dolomitenstadt. Was macht dich so politisch?
Das fragen mich meine Mitbewohner (mit etwas leidendem Gesichtsausdruck) auch häufiger. Politik ist für mich eigentlich immer ein Thema. Egal ob die politischen Strömungen in einem Land meinem Weltbild entsprechen oder nicht – es ist einfach wahnsinnig dynamisch und überrascht jedes Mal – bestes Beispiel Trump. Und während viele Leute mit der Wahl Trumps das Ende der liberalen Demokratie heraufbeschwören, finde ich genau das extrem spannend und freue mich auf eine – mit Sicherheit – ereignisreiche Zeit.
Vielen jungen Menschen wird ein Desinteresse an Politik unterstellt. Teilst du diese Einschätzung?
Das hat schon in gewisser Weise seine Berechtigung – und das kann ich auch nachvollziehen. Man erwartet von 16-Jährigen, eine möglichst reflektierte Wahlentscheidung zu treffen und täglich eine ZIB anzuschauen, aber bietet ihnen zuvor keine politische Bildung als Grundlage. Wenn man davor nichts mit Politik zu tun hat, kann man, meine ich, nicht auf einmal in diesen ganzen Diskurs einsteigen. Und ich finde, genau das sollte doch das Hauptanliegen der Politik sein – Bürgerinnen und Bürger in den öffentlichen Diskurs miteinzubeziehen und ihnen auch Partizipation zu ermöglichen. Das braucht meiner Meinung nach Vorwissen, das man im Alltag nur schwer bekommen kann. Was nicht heißen soll, dass es nicht viele junge Menschen gibt, die das Thema Politik brennend interessiert – das beste Beispiel ist hier wohl die Donnerstagsdemo in Wien.
Wie kam dir die Politikvermittlung an deiner ehemaligen Schule, dem Lienzer Gymnasium, vor?
Die erste richtige Politikvermittlung kam wohl so in der fünften Klasse, als unser neuer Geschichtsprofessor ganz entsetzt feststellen musste, dass wir alle nicht wussten, wer zu der Zeit Tiroler Landeshauptmann war, geschweige denn wie unsere Minister hießen – dem wurde übrigens schnell ein Ende gesetzt. ;)
Erste Eindrücke vom Studium in Wien?
Naja, im ersten Semester kann man da noch nicht viel darüber sagen, aber der erste Eindruck ist auf jeden Fall ein sehr positiver – es ist schon schön, sich einmal wirklich intensiv mit den Dingen beschäftigen zu können, die einen wirklich interessieren.
Jetzt kurz zu deiner Arbeit selbst. Es geht um Populismus in der Politik und da ganz konkret um zwei rechtspopulistische Parteien, die FPÖ und den Front National. Warum hast du dir ausgerechnet diese beiden ausgesucht? Es hätte ja auch zum Beispiel die AfD sein können.
Die FPÖ habe ich naheliegender Weise gewählt, da ich mich mit dieser Partei bisher am meisten beschäftigt habe. Auf den Front National bin ich gekommen, weil zur Zeit der Themenauswahl der Wahlkampf für die französische Präsidentschaftswahl in den Medien ein wichtiges Thema war – besonders was die Berichterstattung über Marine Le Pen betrifft.
Eine spannende Schlussfolgerung deiner Arbeit ist, dass Populismus nicht unbedingt demokratiegefährdend sein muss. Wie ist da deine Argumentation?
Also es ist auf keinen Fall „meine“ Argumentation, die VWA basiert schließlich auf Literatur. Ich bin im Laufe der Literaturrecherche auf den Populismusforscher Cas Mudde gestoßen. Was ich bei ihm so spannend finde, ist, dass er nicht so ein Schwarz-Weiß-Bild vom Populismus zeichnet, wie man es schließlich den Populisten selbst häufig vorwirft. Er grenzt sich da sehr deutlich von vielen anderen Populismusforschern oder Politikern ab, die erklären: „Populismus ist in jedem Fall eine Gefahr für die Demokratie“. Mudde sagt vielmehr, dass der Populismus sehr wohl Funktionen für die Demokratie haben kann – beispielsweise als eine Art „Seismograph der Gesellschaft“. Ängste und Themen, die für einen großen Teil der Bevölkerung von Bedeutung sind, aber in der Politik oder den Medien generell untergehen, werden von Populisten aufgegriffen. So werden Menschen, die sich von der Politik nicht vertreten fühlen, in den demokratischen Prozess integriert – was schließlich die Demokratie an sich legitimiert.
Wann ist denn Populismus wirklich gefährlich, gibt es auch darauf eine Antwort?
Ich denke, solange populistische Strömungen in einer stabilen Demokratie existieren, können Populisten nicht wirklich großen Schaden anrichten. Die Ehe für alle ist auch ohne Zustimmung der Regierung gekommen. Oder ein aktuelles Beispiel: Herbert Kickl mag zwar die Menschenrechtskonvention infrage stellen, wirklich tun kann er aber rein rechtlich gesehen eigentlich nichts. In Staaten wie Ungarn sehe ich das schon kritischer. Da geht es dann bereits um die systematische Einschränkung von Grundrechten mit dem Vorwand der staatlichen Sicherheit, beziehungsweise Druck auf die Presse und Einschränkung von Minderheitenrechten.
Populismus kann sehr wohl Funktionen für die Demokratie haben – beispielsweise als eine Art "Seismograph der Gesellschaft".
Wie schätzt du denn die Stimmung unter den Studenten und Studentinnen in deinem Umfeld ein? Ihr seid die Sozialwissenschaftler der Zukunft. Was treibt denn diese künftige Politologen-Generation an und wo siehst du dich persönlich, sagen wir in zehn Jahren?
Einmal zur ersten Frage: Ich denke schon, dass gerade unsere Generation von Studenten sehr in die Richtung eines gemeinsamen Europas und internationaler Zusammenarbeit geht, da besonders wir Studenten immens davon profitieren, Erasmus nur als ein Beispiel genannt. Und das steht natürlich im Frontalkurs mit den Rechtspopulisten, die ja prinzipiell auf die Staatssouveränität pochen.
Zur zweiten Frage, wo sehe ich mich in 10 Jahren: Das Publizistik-Klischee wäre natürlich: als Taxifahrerin. ;) Und dieses Klischee ist ja nicht ganz unbegründet. Gerade in Studien wie Publizistik und Politikwissenschaft ist es sehr schwierig, weit in die Zukunft zu schauen – weil es da so rasche, dynamische Veränderungen gibt und es deshalb kein eindeutiges Berufsbild gibt – was einem wiederum auch eine gewisse Freiheit bringt. Die Auswirkungen, die beispielsweise das Internet auf den Journalismus gehabt haben, haben ja die Wenigsten vorausgesehen. Wer kann da sagen, wie sich diese Branche in den nächsten 10 Jahren entwickelt?
Allgemein interessiert mich der Bereich Journalismus natürlich sehr, ich bin aber, was das Berufsfeld angeht, schon flexibel. Ideal wäre natürlich, dass ich mich auch in Zukunft mit Themen beschäftigen darf, für die ich mich wahnsinnig interessiere – wenn das Thema Rechtspopulismus dabei ist, würde ich dazu auch nicht nein sagen.
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Ich will der jungen Dame herzlich zur gelungen VWA samt Auszeichnung gratulieren. Doch habe ich auch ein paar Anmerkungen dazu:
Ich weiß nicht, wann diese VWA verfasst wurde, aber der Name der Partei lautet mittlerweile seit einem Jahr Rassemblement National, nicht mehr FN.
Ich muss Ressi allerdings auch in einem Punkt in aller Deutlichkeit widersprechen: Populismus bedeutet eine Verknappung von vielschichtigen politischen Entscheidungsfindungsprozessen auf schlichte Ja/Nein-Debatten, das Schüren von Emotion, anstatt Anregung von Diskurs und sachlicher Debatte und nicht zuletzt oft auch Misogynie und Xenophobie, wie am Beispiel von FPÖ, RN, Lega vielen weiteren zu sehen ist. Ich halte Populismus daher für brandgefährlich. Insbesondere wenn populist. Parteien zu Regierungsverantwortung gelangen und die demokratischen Institutionen schleichend ausgehöhlt werden. Siehe Österreich. Das "Ibiza Video" ist dabei neben der Nationalbank wohl nur die Spitze des Eisbergs. Welchen Schaden das BVT erlitten hat, ist noch nicht zur Gänze abschätzbar. etc.
Liebe Miriam. Erstmal möchte ich dir gerne zu dieser Auszeichnung gratulieren. Für mich als Kommunikationswissenschafts-Student ist die Klischeebezeichnung "Taxifahrer" zwar auch bekannt, jedoch würde ich dieses Studium so niemals beschreiben. Leider kommt die Taxifahrer-Bemerkung meistens von den Personen, die überhaupt nicht wissen, was ein Publizistik und Kommunikationswissenschaftsstudium ist und warum es dieses braucht. Da möchte ich aber immer aufzeigen, dass es in einer Demokratie neben den Ärzten, Juristen, Betriebswirten auch Gesellschaftswissenschaftler (sprich KoWi, Politikwissenschaften etc.) braucht. Mittlerweile hat schließlich fast jedes Unternehmen eine eigene Kommunikationsabteilung bzw. muss sich mit Kommunikation befassen. (Stichwort Marketing, Werbung und PR) Man bedenke weiters: Was wäre, wenn es in einem demokratischen Land niemanden geben würde, der die Medienökonomie, das Nutzungsverhalten von Medien, den Journalismus sowie die gesamte Organisationskommunikation kritisch betrachten würde. Dann würde niemand aufzeigen, dass es z.B. auch einen öffentlichen Rundfunk braucht oder dass der Boulevard Framing und Agenda-Setting betreibt und dass dadurch sogar ein ganzer Wahlkampf beeinflussbar ist. Den normalen Mediennutzern ist nämlich meistens nicht bekannt, welche Medien wem gehören (Eigentumsstruktur) und wie Medien Stimmung betreiben können und so auch das Bewusstsein beeinflussen.
Weiters finde ich, dass im österreichischen Schulsystem die Politische Bildung wie auch die Medienerziehung leider viel zu kurz kommt. In meiner Schulzeit wurde mir zum Beispiel leider nie erklärt, was denn eigentlich der genaue Unterschied zwischen den einzelnen österreichischen Parteien ist. Woher sollen dann auch die Wählermündigen 16-Jährigen Schüler und Lehrlinge wissen, warum man gerade diese Partei wählen soll und nicht jene. Mir ist natürlich klar, dass der Lehrer sich nicht persönlich auf politische Parteien äußern darf. Jedoch wäre es angebracht den Schülern die Grundstrukturen der Parteien näher zu bringen und ihnen zu zeigen, was der Unterschied zwischen Liberalismus, Sozialismus und Konservatismus ist. So wurde bei mir in der Schulzeit der 2. Weltkrieg nie so richtig genau beleuchtet, sondern in 2 Geschichtsstunden einfach "durchgewurstelt". Auch müssten die Schüler viel besser über die Mediennutzung ausgebildet werden. Besonders in der heutigen schnelllebigen Medienzeit (Social Media), wo man täglich mit Fake-News und Filterblasen zu kämpfen hat gilt es als besonders wichtig, dass es ausgebildete Kommunikations- und Medienfachmänner und -frauen gibt.
An alle, die uns nach meinem langen und ausführlichen Kommentar immer noch als zukünftige Taxifahrer sehen: Auch ein Taxifahrer sollte kommunizieren können ;)
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