Die (Kunst-)Gegenstände des Alltags wurden nach ihren Funktionen geordnet. Was logisch klingt, schien ungewöhnlich, denn plötzlich hießen die Räume „kochen“, „sitzen“, „essen und trinken“, „sammeln“, was automatisch Fragen zur heutigen Rolle der historischen Werke aufwarf.
Fragen zu stellen scheint generell eine der Hauptaufgaben von guten Designern zu sein – zumindest erhält man diesen Eindruck, wenn man dem gebürtigen Lienzer Martin Bergmann zuhört, der EOOS vor 20 Jahren gemeinsam mit Harald Gründl und Gernot Bohmann gründete. Fragen, wie etwas funktioniert, fragen, warum etwas so aussieht, wie es aussieht, fragen, was ein Gegenstand können soll, damit er praktisch aber nicht dominant, sondern wandelbar bleibt.
Ein Möbelstück soll sich in seinen Augen nach den Bedürfnissen der Nutzer richten, nicht umgekehrt, wie das häufig der Fall ist, wenn einzelne Monstrositäten Räume füllen und man das Leben quasi um sie herum gestaltet. Dass dazu auch die Materialien passen müssen, versteht sich von selbst. Leder, Stahl, Glas, Holz etwa. „Nicht jedes unserer Produkte ist nachhaltig gedacht, aber vielleicht ist es bereits aus unserer Haltung heraus nachhaltig, denn wenn wir ein Produkt denken, denken wir es langfristig und fast manufakturhaft, hochtechnologisch. Es soll lange halten, ist reparierbar, überlebt den Mistplatz zwei bis drei Mal, wird neu bezogen und ist nach zehn, 20, 30 Jahren ein Vintage-Stück“, erklärt Martin Bergmann.
Das Design Labor bildete die erste Begegnung mit Museumsdirektor Christoph Thun-Hohenstein. Es folgten weitere, bis schließlich die Idee einer eigenen EOOS-Ausstellung entstand. Konsequenterweise wurde sie in das Design Labor eingebettet. „EOOS transformiert“ heißt ein Raum, was auch als Motto der Arbeit von EOOS verstanden werden kann. So sagt Martin Bergmann: „ Wir ändern gerne die Blickrichtungen, suchen neue Blickachsen und neue Interaktion, auch ein neues Wahrnehmen des Raums.“ Das soll im Alltag kein Selbstzweck sein, sondern wendet sich direkt an die Architekten, um ihnen „ein Werkzeug in die Hand zu geben, für die Nutzer mehr aus einem Raum machen zu können. Indem wir transformieren, setzen wir uns dafür ein, dass die Möbel verwandelbarer sind und mehrere Möglichkeiten oder Mehrwerte anbieten.“
So kann die Badewanne Sundeck – eines der Ausstellungsobjekte – zur Liege, zum Wickeltisch oder Stauraum werden, eine Bank lässt sich in verschiedenste Richtungen drehen und ein Küchenschrank kann durchaus als Geigenkasten dienen.
Selbstzweck um des Designs willen? Eher ein genaues Bewusstsein des eigenen Tätig-Seins und dessen Konsequenzen. Und Leidenschaft natürlich. Rasch gerät der Designer Bergmann in seinen eigenen Wortschwall, wenn er lachend vom Ärger einer unnötig im Raum stehenden Duschkabine spricht: „Das kann ja nicht sein: diese Tristesse einer Duschabtrennung! Sie ist immer da, egal ob ich drin bin oder nicht.“ Ein Problem, über das wahrscheinlich kaum jemand nachdenkt, bis zu dem Zeitpunkt, da man sieht, was das Trio mit seinem Team dabei anders macht: „Ich habe vorgeschlagen, die Glasscheiben einzufalten, dadurch bekommst du eineinhalb Quadratmeter mehr Raum.“ Und jetzt wird es komplex: „Wenn du sie nicht brauchst, ist sie nicht da, wenn du sie brauchst, bist du drin, und wenn du drin bist, kannst du auch eine größere verbauen, dann faltest du sie wieder an die Wand, wenn du möchtest …“ Und so weiter.
Da wird verständlich, was EOOS meint, wenn sie sagen, Design sei für sie poetische Analyse. Ein Badezimmer ist für Martin Bergmann von Unruhe definiert. Einen Raum zu beruhigen, dazu diene Design unter anderem. Ruhe zieht sich durch all ihre Entwürfe. Gleichzeitig allerdings auch Bewegung. Nicht Geschwindigkeit, sondern fließende Bewegung, etwa in der Art, wie ein Schrank aufgeht, ein Sofa umstellbar ist oder eine Sitzreihe zusammenklappbar. Alles funktioniert ruhig, einfach, ohne belanglos zu werden. „Je simpler ein Produkt wirkt, desto schwieriger war der Weg dahin“, sagt Martin Bergmann, wenn er ein Möbelstück zeigt. Ordnung ist ein weiteres Stichwort. Der von EOOS entworfene Küchenschrank, eines ihrer bekanntesten Designs, widmet sich Ordnung wie kaum ein anderes Objekt es tut: „Außen siehst du nur Manufaktur, wenn du ihn öffnest, siehst du dich selbst. Alles, was du hast, wie du die Dinge aufbewahrst, mit wie viel Qualität du dich umgibst, mit wie vielen Bechern du auskommst oder wie deine Messer geschärft sind. Das ist herausfordernd. Bei der b2-Küche siehst du auf einem Blick, wie du lebst; präzise, schlampig, nachhaltig, freakig, unordentlich, in Erinnerung schwelgend, weil du 17 Becher hineinlegst und beim 21 Becher frägst, ob du wahnsinnig bist und du haust alles raus, weil du es nicht mehr erträgst. Das ist ein Lebenskonzept.“
Ein Gespräch mit Martin Bergmann bedeutet, sich ein wenig auf sich selbst zurückgeworfen zu fühlen. Irgendwann im Gespräch kommt der Augenblick, in dem man sich fragt, was das Letzte war, was man gekauft hat, warum man es zu brauchen meinte, wie es hergestellt wurde und ob man es tatsächlich verwendet. Zuweilen lehnt man sich dann zufrieden zurück, ein anderes Mal treiben einem seine Worte die Schamesröte ins Gesicht. Mein altes Sofa? Soeben entsorgt – die Müllverbrennung freut sich, denn so ein Sofa brenne bestens, wirft der Designer fast beruhigend ein. Das neue Sofa: bei einem schwedischen Riesenkonzern erstanden? Schon beim Kauf ein Übergangsmodell, aber wie soll man die Mehrere-Tausend-Euro-Couch finanzieren, die EOOS wesentlich umweltschonender, langlebiger und zudem stilsicher entwickelt hat?
Genau hier wird es interessant: Spricht man von richtigem Design immer nur für eine kleine Elite, die es sich leisten kann und die dann sagt, es sei besser, wenn es auch die anderen täten, denn auf Dauer sei teurer dann doch wieder billiger? Nein, Martin Bergmann gehört nicht zu jenen, die nicht wissen, dass für einen großen Teil der Menschen die Frage nach dem Sofa irrelevant ist, weil sie sich niemals stellt.
Es scheint einfach für ihn, nicht zu trennen zwischen dem Design für ein Luxusmöbelstück und einem Objekt, das das Potenzial hätte, die Welt zu verändern, wie ihre Blue Diversion Toilet, die sie vor einigen Jahren für die Bill and Melinda Gates Foundation entworfen haben. „Jeder Mensch hat ein Anrecht auf ein WC“, sagt er. Die Toilette, die sie gemeinsam mit der EAWAG (Zürich) gebaut haben, wird einmal mit Wasser befüllt, das dann zirkuliert und intern gereinigt wird. So hat man Wasser für die Spülung, aber auch zum Reinigen. Einige Prototypen wurden in Kenia aufgestellt und zeigten bald eine Überraschung: Die Toilette funktionierte einwandfrei, doch immer wieder wurde das Solarpanel gestohlen. Dennoch ein Projekt, das Zukunftsfragen beantwortet, und auch hier steht das Design mit der Funktion in untrennbarer Verbindung, wie das für alle anderen Objekte gilt, die EOOS entwirft. Wenn es dann noch gelingt, die Produzenten davon zu überzeugen, dass man das Ganze mit weniger Rohstoffen erzeugen kann und damit etwas bewirkt, ist den dem Team noch lieber.
Was gutes Design schließlich für ihn bedeute? Eine alte Werkbank etwa, denn „die kann nicht durch Design kaputtgemacht werden“.
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