Stefanie Sargnagel, unnachgiebige linke Künstlerin und Trägerin des Bachmann-Publikumspreises, las in Innsbruck. Foto: Fest der Linken

Stefanie Sargnagel, unnachgiebige linke Künstlerin und Trägerin des Bachmann-Publikumspreises, las in Innsbruck. Foto: Fest der Linken

„Plakative linke Kunst ist oft fad“
„Plakative linke Kunst ist oft fad“
Stefanie Sargnagel und Puneh Ansari begeisterten im Dezember die Besucherinnen im Frauen-Lesben-Zentrum Innsbruck. Im Interview sprechen die Autorinnen über kulturellen Widerstand in der Provinz und den Wert von Frauenseilschaften.

Wenn man sich den Albtraum eines rechtskonservativen Kulturministers ausmalen sollte: Die Lesungen von Stefanie Sargnagel und Puneh Ansari im Frauen- und Lesbenzentrum Innsbruck kämen wohl ziemlich nah dran. Nicht allein wegen der unangepassten Gedanken, die beide Autorinnen jeweils auf ihre Weise formulieren und vor allem bei Facebook an ein großes Publikum streuen.

Der Auftritt der Wienerinnen lockt ebenso unangepasste Besucherinnen an. In kleinen Gruppen strömen sie aus der Dezemberkälte hinein in das großzügige Erdgeschoss eines Stadthauses, nahe dem Innsbrucker Hauptbahnhof. So verschieden, bunt und altersgemischt, dass man von ihnen nur zwei Dinge jedenfalls annehmen will: Sie sehen ihre Aufgabe nicht einzig und allein darin, den österreichischen Genpool zu erhalten. Und sie verwenden gern ihr Gehirn. Immerhin: Rauchen darf man hier noch, und wie. Aber rein dürfte der fiktive Kulturminister eh nicht, denn die Lesung ist „women only“.

Ein sicherer Ort für Frauen will das Autonome-Frauen-Lesbenzentrum (AFLZ) in Innsbruck sein, das unter anderem mit dieser Lesung im Dezember seinen 35. Geburtstag feierte. Das Bildungs- und Kulturprogramm ist aber ganzjährig vielfältig: es gibt neben Lesungen auch Sprachtrainings, WEN-DO Selbstverteidigungskurse für Frauen und Mädchen – mit oder ohne Behinderung – und regelmäßig Schenkmärkte. Das Vereinscafé Anchorage ist dienstags und freitags für alle interessierten Frauen geöffnet. „Wir tauschen uns aus, beraten uns und helfen uns gegenseitig. Es ist ein geschützter Raum,“ sagt Frau M., die gerade an der Bar Rotwein ausschenkt. Es gehe darum, Frauen in ihrem Frausein zu fördern und zu bestätigen.

Die Solidarität unter österreichischen Frauen scheint als Gegenreaktion auf den ‚neuen Stil‘ gerade zu wachsen. Das beste Beispiel liefern die jungen Frauen, die sich in der Burschenschaft Furia zu Innsbruck zusammengeschlossen haben. Sie tragen Festbekleidung, die bei den männlichen Burschenschaftern auch „Wichs“ heißt: schwarze Anzüge, gelb und rot gestreifte Schärpen quer über die Brust und lilafarbene Studentenmützen.

Stefanie Sargnagel überreichen sie stolz ihren frisch gedruckten Männerkalender, mit fotografischen Anweisungen für den braven Hausmann. Anschließend stoßen sie mit ihr und Puneh Ansari lautstark auf den bevorstehenden Abend an. „Heil Furia“ und „Heil Hysteria“ rufen sie ihren Kameradinnen in der gleichnamigen Hauptstadt-Burschenschaft zu und lassen in ihrem Ernst fast vergessen, dass hier die Kunst der symbolischen Unterwanderung gefeiert wird.

Die Aktionen der Hysteria in Wien erzeugen durch ihre Kreativität und perfekte Planung oft Wellen in deutschsprachigen Medien – so störten die Mitglieder zum Beispiel erfolgreich den bei Rechten beliebten Akademikerball mit eigener Flagge und benannten ihn zum „Männerschutzball“ um.

Stefanie Sargnagel war nicht nur damals mittendrin. Die Trägerin des Bachmann-Publikumspreises erhält als unnachgiebige, linke Künstlerin regelmäßig viel unangenehme Aufmerksamkeit – von Identitären, rechten Kommentarschreibern und manchem Redakteur der Kronenzeitung. Obwohl sie im vergangenen Jahr unter einer Lawine von Hasskommentaren und Vergewaltigungsdrohungen einen Hörsturz erlitt, enttarnt sie weiter ungerührt die einfältige Humorlosigkeit rechter Botschaften. Gern auch in bissigen Illustrationen für die Wochenzeitung Falter.

Stefanie Sargnagel: Schwarzer Humor, schonungslose Ironie und eine rote Baskenmütze. Foto: Goll.

Ihre Freundin Puneh Ansari wäre dank ihres unabhängigen Geists und ihrer abgedrehten Wort-Fantastereien, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer iranischen Wurzeln, eine nicht minder geeignete Oberfläche für den Hass rechter Männer. Sie schützt sich allerdings noch, indem sie ihre Statusmeldungen nur Freunden zugänglich macht – oder Käufern ihres ersten Buches Hoffnun’, das im Berliner Verlag mikrotext erschienen ist.

Ein ganz kurzer Absatz daraus, den vielleicht beide unterschreiben würden:

man muss die dinge mit humor nehmen,
von hinten und mit humor.

Vor der Lesung sitzen Sargnagel und Ansari nun in einem Nebenzimmer auf dem Sofa, drehen Zigaretten und haben noch ein bisschen Zeit für ein Gespräch – unter anderem über Wiener Luft, linke Kunst und das freie Schreiben für Facebook-Freunde.

Gestern wart ihr noch in Vorarlberg, heute in Tirol. Wie ist das für euch beide eigentlich, so weit in den Westen zu kommen. Ein Kulturschock?

Stefanie Sargnagel: Ich finde es kulturell schon recht anders. Gerade in Vorarlberg sind die Leute extrem freundlich. Alle, mit denen wir zu tun hatten in den Geschäften und Restaurants waren fast schon euphorisch. Das ist man als Wiener überhaupt nicht gewöhnt.

Puneh Ansari: Ich kann ja auch nur so ein paar Eindrücke heranziehen. Aber ich habe schon generell das Gefühl, dass die Leute hier irgendwie glücklicher sind. Vielleicht weniger Stress haben und auch nicht wie in der Stadt so untergehen können, wenn sie sich scheiße benehmen. Bin aber nicht sicher.

S: Aber wir sind hier doch eh in einer Stadt.

Gut, in einer dörflich kleinen, wenn man es mit Wien vergleicht. Merkt man bei euch schon an der Stimmung, dass Winter ist?

S: Es hat eh spät angefangen diesmal. Dass Wien irgendwie anders ist, spüre ich jedes Mal, wenn ich nach längerer Zeit zurückkomme. Irgendwas muss da mit der Luft sein, das einen halt ein bisschen grantig macht. Ich finde, Luft wird sowieso viel zu wenig bewertet, was die mit der Stadtatmosphäre macht.

P: Ja, glaube ich auch.

S: Wenn ich zum Beispiel nach Hamburg komme: Da hast du sofort das Meeresmäßige in der Luft und du merkst das voll. Die ganze Stadt ist dadurch so weltoffen. Wien hat aber diese Beckenlage und du kommst zurück in diesen grantigen, depressiven Moloch. Den ich ja mag, ich mag ja Wien, aber irgendwas ist da in der Luft.

Puneh Ansari. Literarische Statusmeldungen nur für Facebook-Freunde. Foto: Joanna Pianka

Ihr seid auch viel in der Provinz unterwegs. Hat sich euer Blick auf Österreich seither verändert?

P: Ich bin eigentlich gar nicht so viel in Österreich herumgefahren für unsere Lesungen.

Mehr in Deutschland?

P: Ja in Deutschland und der Schweiz. Bei mir hat sich auch, glaube ich, nicht wirklich was verändert. Weil ich ja immer eingeladen bin und empfangen werde von Leuten, die unter derselben Glocke sind wie ich. Aber früher, wenn ich am Land war – darüber habe ich auch einen Text geschrieben – fand ich es schon sehr weird. Meine Eltern sind ja auch keine Österreicher.

S: Fühlst du dich ausländischer am Land?

P: Ja, schon ein bisschen. Ein wenig finde ich es auch deprimierend in kleinen Orten. Ich habe dieses Bild im Kopf: Leute schauen Zeit im Bild und gehen um acht schlafen. Ich hab’ nicht so ein gutes Gespür fürs Land.

Stefanie, wirst ja oft von Kulturinitiativen in sehr kleinen Orten eingeladen. Wie ist die Lage so bei denen?

S: Immer wieder höre ich, dass Förderungen gestrichen werden. Aber es gibt Sachen, die so etabliert sind, dass sie das nicht machen können, weil es Chaos stiften würde. Zum Beispiel der Schlachthof Wels: Die haben ja einen blauen Bürgermeister und die meinen auch, da würden die sich nicht zu kürzen trauen, weil das so eine Institution ist.

Du sagst auch, dein Blick auf Kultur hat sich verändert. Warum?

S: Mich hat das schon geflasht, wieviele subkulturelle Orte es gibt, und wieviele Leute sich dafür engagieren. Ich habe viel mehr Respekt vor Kultur und Subkultur bekommen. In Wien hast du eh so ein Überangebot und es gibt für alles Geld, da ist es dir ein bisschen wurscht. Aber wenn du dann in so ein Kaff kommst, wo sie einen linken Raum betreiben und wirklich tolle Vorträge organisieren, checkt man den Wert davon viel stärker, weil es die einzige solche Kulturinstitution an dem Ort ist.

Zum Beispiel?

S: Der Container 25 in Wolfsberg, das ist so ein winziger Ort in Kärnten, ist voll gut besucht. Man kriegt, wie Puneh sagt, aber ein biss’l einen verzerrten Eindruck, weil man meistens mit den einzigen Kulturenthusiasten in der Gegend zu tun hat und nicht so viel mit den anderen.

Ihr haltet euch beide in euren Texten auch mit Kritik an den Linken nicht zurück. Darf man in dieser politischen Stimmung ins eigene Lager schießen?

P: Ich weiß gar nicht, wo in meinen Texten das so… – oja, ich hab wohl schon so Sachen geschrieben. Zum Beispiel ein bisschen verarscht, dass linke Männer bei Frauen schnell finden, dass die etwas viel zu kapitalistisch angehen. Aber ich denke: Man kann ja kritisieren, nur muss man es deshalb nicht zwangsläufig aufhalten wollen.

S: Ich habe mit der härteren Kritik aufgehört, sobald ich mehr Reichweite hatte. Vorher hatte ich ein linkes, urbanes Publikum, da war es halt lustig, die zu verarschen. Ich teile die Menschen aber generell schon ein – in Künstler oder politische Leute. Natürlich gibt es politische Künstler, aber es ist was anderes, ob jemand den ganzen Tag malen will oder ob jemand den ganzen Tag politische Theorie lesen will.

Inwiefern?

S: Das Kunstverständnis ist ein anderes. Plakative linke Kunst ist oft fad. In der Kunst geht es ja auch um ästhetische Codes und das checken die Politikwissenschaftsnerds nicht so. Ich hab das oft erlebt, wenn ich in linken Szenen war, dass die teilweise Kunst nur durch diese Politbrille betrachten können. Die finden dann ur miese Sachen ur gut, solange die politische Message stimmt – auch wenn sie unkreativ und schlecht gemacht sind. Und zerlegen dann aber gute Sachen, weil irgendwas daran nicht ganz passt. Ich habe viele Leute im linksradikalen Umfeld, die politisch sehr aktiv sind, aber das sind selten auch Künstler. Künstler haben eine andere Hirnstruktur.

Foto: Joanna Pianka

Puneh, den Einblick in deine Gedankengänge kriegt man nur, wenn man mit dir bei Facebook befreundet ist. Warum?

P: Weil ich ein bisschen ein scheuer Mensch bin und das so begonnen habe und nie den Plan hatte, dass daraus was wird. Ich fühle mich besser, wenn es so ist. Ich schreibe ja schon so, wie ich vor Freunden reden würde. Ich bin dann viel offener. Wenn ich richtig öffentlich posten würde, würde ich wohl zu viel nachdenken.

Und bei dir, Stefanie: Hat sich dein Stil verändert, seit du so viel Öffentlichkeit hast?

S: Ich schreibe immer noch recht ungehemmt, aber schon anders. Es hat bei mir ja auch so angefangen, dass ich nur für Freunde geschrieben habe – und da schreibt man anders. Denn ich wusste zum Beispiel, dass meine Witze immer verstanden werden, auch wenn sie politisch inkorrekt sind. Heute passe ich da mehr auf, weil ich nicht will, dass sie falsch verwendet werden. Es ist ja schon vorgekommen, dass mich irgendwelche Rechten zitiert haben, indem sie meine Texte aus dem Kontext gerissen haben. Ich bin da auch reingewachsen. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass ich eine öffentliche Person bin.

Ihr beide veröffentlicht Texte auf Facebook und werdet darum auch miteinander verglichen. Puneh, von dir heißt es, du seist wie Stefanie, nur abgedrehter und trauriger.

P: Das ist schon ok. Es wurde bisher nicht so viel über mich gesagt, was mich in irgendeine Schublade gesteckt hat. Ich erkläre auch manchmal, was ich mache und sage dann, weil ich es eben anders nicht so gut erklären kann: Ja, ein bisschen wie die Steffi. Ich hab einen anderen Stil, aber ich schreibe auch auf Facebook. Dass ich traurigere Sachen mache, das passt schon auf mich, das denke ich mir auch manchmal. Deppert und irritierend finde ich es aber, wenn Leute uns gegeneinander ausspielen.

S: Ich verstehe den Vergleich, der ist naheliegend. Es ist eben beides schwarzer Humor und beides im Internet entstanden. Aber mich nervt es schon manchmal, wenn das so verglichen wird. Ich finde es cool, sich gegenseitig zu supporten und ich mag es nicht, wenn ich in so eine Konkurrenz-Situation gebracht werde. Ich habe das Gefühl, in einigen Rezensionen von Puneh musste ich irgendwie zwangsläufig abgewertet werden.

P: Ja, voll blöd.

S: Ich mag das nicht, weil ich finde meine Sachen irgendwie ganz anders. Deines ist irgendwie lyrischer, bei mir ist es vielleicht eher klassisch humoristisch, ich weiß nicht genau. Mich nervt es, wenn ich in dieser künstlerischen Konkurrenzsituation bin. Und oft finde ich es auch sexistisch.

Wie meinst du das?

S: Puneh ist halt eher ruhiger. Ich habe aber das Gefühl, dass mir das dann schlecht ausgelegt wird: Im Gegensatz zu dieser lauten Krawallfrau ist sie so eine richtige, stille Poetin.

P: Ja, das finde ich auch.

S: Dabei bin ich ja selbst auch ein nachdenklicher Mensch. Ich hab dann das Gefühl, dass du positiver bewertet wirst, weil du schwarz angezogen bist, zierlicher und leiser. So. Und ich bin halt rot angezogen, blad und laut. Da lese ich unterschwellige Sexismen raus. Es ist besser für eine Frau, zurückhaltender zu sein.

Trotzdem geht ihr weiter gemeinsam auf Tour. Warum funktioniert das so gut für dich?

S: Es ist nicht sehr spannend, allein im Zug zu sitzen, man fühlt sich wohler, wenn wer dabei ist, den man kennt. Und es ist so, dass ich Puneh einfach künstlerisch mag. Ich finde ihre Sachen richtig, richtig gut – unabhängig davon, dass wir uns mögen. Wenn ich die zufällig finden würde, würde ich mich fragen: Wow, warum kennen das nicht mehr Leute und warum werden irgendwelche faden Schriftsteller und Schriftstellerinnen gehyped? Das ist, als wäre ich ein Veranstalter und möchte irgendwelchen Leuten was Cooles zeigen. Es kommt auch irrsinnig gut an. Wenn Leute wegen mir zu den Lesungen kommen, kaufen sie extrem viele Bücher von Puneh.

Dabei musste man dich aber angeblich erst überreden, deine Texte öffentlich zu machen?

P: Ja, das stimmt. Erstens war es so, dass ich nicht daran gedacht hätte, als ich diese Sachen auf Facebook geschrieben habe. Ich hab nicht daran gedacht, dass ich das je wo lesen soll. Einer der Gedanken war auch: Wer will das hören, das ist ja eh schon auf Facebook? Ich hatte selber noch ein anderes Bild davon, ab wann man lesen darf. Dann fand ich es aber ganz ok mit der Zeit, dass ich es so vortrage, wie ich es mache.

Und das Schreiben. War dir überhaupt klar, dass du gut darin bist?

P: An Schreiben als Beruf habe ich nie gedacht. Das war für mich immer etwas Fades, was Leute alleine machen. Jetzt merke ich schon, dass ich ein sprachliches Gefühl habe. Aber erst, seit ich öfter gelesen habe.

Ihr beide zeichnet bzw. illustriert auch. Stefanie, wie groß ist der Anteil der Cartoonistin in dir?

S: Ich finde beides ziemlich ähnlich. Meine Texte sind immer recht kurz, es geht um Pointen und Überspitzung – meine Sprache ist reduziert. Meine Cartoons sind ebenfalls einfach und es ist fast immer Text dabei. Umgekehrt gelingt mir ein Text dann besonders gut, wenn sowas wie ein kleiner Comic-Clip in meinem Kopf abläuft. Das Schreiben ist bei mir auch sehr visuell.

Dein Zeichenstil ist markant, aber eben recht einfach. Hast du in deiner Zeit an der Akademie der Bildenden Künste nicht alle möglichen Techniken beherrschen müssen?

S: Eigentlich nicht. Es gibt Leute, die super gut malen können, und gleichzeitig auch Leute wie mich, die eher so mittelgut sind, dafür aber lustige Ideen haben. Wenn du eine Mappe abgibst, die technisch der Wahnsinn ist, aber nicht originell und es stecken keine guten Ideen drin, wirst du wahrscheinlich nicht reinkommen. Und ich bin mit meinem Trash, meinen Kritzeleien und kleinen Texten genommen worden, obwohl ich einfach Sachen aus Schulheften abgegeben habe. Sie haben darin was Originelles gesehen. Es gibt andere Unis, die verschulter sind und ein bisschen verschulter hätte ich mir gewünscht, mir war es fast zu frei. Weil ich keine Disziplin habe.

Du illustrierst wöchentlich im Falter. Fällt dir das nicht irre schwer, jede Woche aufs Neue zu liefern?

S: Beim Texten würde mir das schwerfallen, da bin ich oft blockiert. Ich hab schon viele Kolumnen-Angebote bekommen, die habe ich immer abgesagt. Texte sind sehr intellektuell, da bin ich selbstkritisch. Meine Zeichnungen sind eher intuitiv. So gut zahlt der Falter jetzt auch nicht, dass ich mir denke, dass es jedes Mal die großartigste Zeichnung sein muss. Manchmal finde ich: Wow, das ist richtig super gelungen. Und manchmal denk ich selber, das ist ein Schas, aber das ist dann auch ok. Denn Bildsprache kann man ja irgendwie interpretieren, das ist mehr wie Lyrik. Wenn ich aber einen Text schreib, muss das unbedingt passen und gut sein.

Illustration: Stefanie Sargnagel

Puneh, in deinem Buch sind auch Zeichnungen drin und Kritiker loben sie. Würdest du das gern mehr machen?

P: Ja schon, ich habe auch Lydia Haiders letztes Buch illustriert. Aber ich bin auch ein bisschen träge und nicht so diszipliniert. Ich zeichne nicht die ganze Zeit, eher so nebenbei. Grade habe ich auch eine Phase, in der ich nicht so viel schreibe.

S: Mir gefallen persönlich deine Zeichnungen, ich mag ur gern gekritzelte Zeichnungen. Die haben viel mehr Seele, als wenn jemand so perfekt zeichnen kann. Das ist oft so glatt und nicht so charmant. Wenn du technisch ein bisschen eingeschränkt bist, musst du oft kreativ eine Lösung finden, wie du es so machst, dass man die Perspektive trotzdem versteht.

Puneh, du sagst, du schreibst weniger. Kommt also so bald nichts Neues von dir?

P: Doch, schon. Die Nikola, meine Verlegerin, will eigentlich schon ein Buch machen, nur hab’ ich ihr noch nicht das Manuskript geschickt. Momentan wird Hoffnun’ ins Englische übersetzt.

S: Hast du davon schon was gesehen?

P: Ja, ein bisschen was. Den Anfang fand ich gut, aber bei irgendeinem Wort habe ich ihr dann geschrieben, das hätte ich anders übersetzt. Ich habe noch nicht über alles drübergelesen, da ist so ein bisschen eine Hemmung. Mein eigenes Buch nochmal zu lesen.

S: Bei dir ist Rhythmus und Sprache so wichtig, darum stelle ich es mir schwer vor, das zu übersetzen, weil ja auch oft Kunstwörter vorkommen.

P: Ja, das kann gut sein. Ich mag aber nicht so reinpfuschen und schaue es mir einfach an. Ich denke, ich lasse sie mal übersetzen.

Stefanie, es ist auffallend, dass du viel Lob für andere Künstlerinnen übrig hast.

S: Sich gegenseitig zu fördern macht mir einfach Spaß, weil ich gern mit anderen Leuten arbeite. Es ist viel lustiger, sich zu supporten. Wenn ich gefragt werde: Wen magst du da und da mitnehmen, gibt es Musik, die zu dieser Sendung im Radio gespielt werden sollte? – Dann empfehle ich natürlich nur Bands, die bei der Hysteria sind. Dieses Burschenschaftsding funktioniert sehr gut. Da gibt es Frauen, die jetzt plötzlich mehr Kohle haben als vorher.

Hat diese Solidarität auch mit den aktuellen, gesellschaftspolitischen Tendenzen zu tun?

P: Ja schon, zumindest in meinem persönlichen Umfeld. Es gibt grade einen voll argen Zusammenhalt, dass Frauen sich richtig pushen. Natürlich in der Hysteria, aber nicht nur. Grade kam die Thalia-Bestseller-Liste raus und da waren plötzlich Feministinnen wie Hanna Herbst ganz weit oben. Es ist aber recht elitär, ich weiß nicht, wie es in Arbeiterinnen-Kreisen aussieht.

Du selbst warst in den vergangenen Jahren auch sehr erfolgreich und bist viel unterwegs. Leidet darunter die Kreativität?

S: Sicher stresst es auch, obwohl ich mich freue, wenn ich viele Anfragen bekomme. Das ist ja generell bei selbstständigen Künstlern so, da man eben nie weiß, wie lange es so geht, wenn man sich gerade erst etabliert hat. Ich sage generell sehr viel zu und muss jetzt, im zweiten Jahr, auch mal lernen, Sachen abzusagen. Wenn ich dauernd nur Termine habe, fällt mir nichts mehr ein, dann habe ich ur wenig Output. Und sobald ich wieder Freizeit habe und herumspazieren kann, kommen plötzlich wieder voll viele lustige Ideen.

Wenn du nicht Puneh dabeihast, kommt auch deine Mama auf Lesereisen mit; ihr scheint ja ein gutes Verhältnis zu haben. Aber die hat vermutlich Einiges mitgemacht mit dir, wenn man das aus deinen Büchern so schließen darf?

S: Ja, die hat schon was mitgemacht, sicher. Ich hab’ ja einfach die Schule geschmissen und mich an der Akademie beworben. Aber sie hat mich immer in allem sehr unterstützt. Jetzt fahre ich gern mit ihr auf Lesereisen, das ist so entspannt. Wir machen dann ganz andere Sachen und ich kann nicht versumpfen. Es ist auch schön zu sagen: Schau Mama, wir übernachten in einem guten Hotel, ich bin ja jetzt Autorin.

Wer hat dich auf dem Weg dahin eigentlich noch unterstützt? Gab es da Schlüsselfiguren?

S: Kann man schon sagen. Im Magazin Rokkos Adventures habe ich zum ersten Mal publiziert und David Bogner vom Vice Magazin meinte schon ganz früh, als einer der ersten, ich kann für sie schreiben, worauf ich Lust habe. Dass der Stefan und der Ilias [Anm.: vom Verlag redelsteiner dahimène edition] das erste Buch mit mir gemacht haben, hat schon viel bewirkt. Vorher wusste ich: Ok, die Leute mögen meine Sachen. Wusste aber nicht: In was für einen Kontext kann ich das jetzt bringen, wie soll ich damit Geld verdienen? Mit dem Buch hatte ich dann was Greifbares in der Hand. Der Cartoonist Rudi Klein hat mich zum Beispiel eingeladen, eine Ausstellung mit ihm zu machen, da war ich überhaupt noch nicht so bekannt, das war voll cool für mich. Clemens Setz und Nikolas Mahler haben mich auch oft erwähnt – also lustigerweise eh fast alles Typen. Finde ich nett, wenn Männer das machen. Aber in Wahrheit habe ich schon selbst am meisten dazu beigetragen: Ich merke das sehr gut an meinen Followerzahlen. Die steigen eben nicht nur, weil ein Zeit-Interview mit mir erscheint. Sondern vor allem, wenn ich was Lustiges geschrieben habe, das viele Leute anspricht.

Stefanie Sargnagel
Die 32 Jahre alte Autorin und Künstlerin hat zuletzt bei Rowohlt ihr viertes Buch „Statusmeldungen“ veröffentlicht und neben dem Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Preis auch einen Österreichischen Kabarettpreis erhalten. In linken Kulturkreisen hat sie sich lange vorher schon eine Fangemeinde aufgebaut, mit irren Anekdoten aus dem Callcenter, provokanten Zeichnungen und Erfahrungsberichten im Magazin Vice.

Puneh Ansari
Die 35 Jahre alte Autorin und Illustratorin mit iranischen Wurzeln lebt in Wien und hat dort Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert. Sie unterhält eine ausgewählte Fangemeinde bei Facebook mit ihren scharfsinnigen Beobachtungen über Machismen in der Tierwelt, die Staatsverschuldung von Japan oder – bei Lesungen sehr beliebt: Männer. Einige davon sind im Buch „Hoffnun’“ beim Berliner Verlag mikrotext erschienen; es wird gerade ins Englische übersetzt.

Credits
  • Interview:

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