„Wir haben uns auf Querflöten spezialisiert, weil das das Einzige ist, was wir wirklich können“, erklärt mir der gebürtige Lienzer trocken zu Beginn unseres Treffens. Seine Aufmerksamkeit widmet er einer zu reparierenden Querflöte, wofür er sich entschuldigt. Er sitzt auf einem Stuhl in der im Souterrain liegenden Wiener Flötenwerkstatt im dritten Wiener Gemeindebezirk. Dieses Understatement hinterfrage ich skeptisch. Immerhin hat sich das Unternehmen in den letzten drei Jahrzehnten mit seinem Gespür sowohl für Berufsmusiker als auch für Laien, seiner Professionalität und dem ausgefeilten technischen Know-how international einen Namen gemacht.
Mit der Reparatur von Querflöten ist es in der Werkstätte nicht abgetan. Hinzu kommt der Verkauf von Instrumenten diverser Produzenten. Hier reicht das Repertoire von Billigflöten bis zu teureren Stücken. Und mit teuer ist sehr wohl der 100.000 Euro Bereich gemeint. Lediglich drei bis vier Geschäfte vertreiben derartige Flöten in Europa. Das Aushängeschild der Werkstatt sind allerdings seine handgemachten Kopfstücke für Querflöten. „Das ist die Schnittstelle zwischen Musiker und Instrument. Da ist es ein Riesenvorteil, wenn man aus der Musik kommt“, ist der Osttiroler über seine Wurzeln dankbar und trauert seiner Solistenkarriere nur mehr beim zweiten Gedanken nach.
Mit 20 Jahren war Tomasi für das Studium der Querflöte und (s)einen Traum nach Wien gekommen. „Eine Stelle im Orchester habe ich keine bekommen, ins Ausland wollte ich nicht und unterrichten hat mir nicht sehr viel Spaß gemacht“, resümiert der Wahlwiener.
Während des Studiums hatte Werner Tomasi mit seiner damaligen Professorin an einem neuen Bepolsterungssystem für Querflöten gearbeitet und international Patente dafür angemeldet. So kam die Berufung nicht von ungefähr. Mit etwas Zynismus führt er die Entstehung seiner Werkstatt auf das offenbar gewisse Talent einen Schraubenzieher zu halten zurück. Außerdem gab es damals niemanden, der in Wien gute Flöten verkaufte und auch keine Anlaufstelle, die diese Instrumente professionell reparieren konnte.
„Auf diesem Gebiet war ich dann doch durchaus erfolgreich“, gesteht sich der in der Freizeit passionierte Rennradfahrer ein. In der Zwischenzeit spricht man in Kennerkreisen von „Tomasi-Flöten“ und „Tomasi-Köpfen“ – und das weltweit. Einen „seiner Köpfe“, wie der Werkstättenleiter mit Stolz erzählt, spielt auch der Soloflötist der Wiener Staatsoper und der Wiener Philharmoniker, Walter Auer. Dessen Konterfei ziert eine Werbebroschüre einer Revolution, die Tomasi vor sechs Jahren entwickelt hat: das sogenannte Jupiter Loop Konzept.
Dabei handelt es sich um eine Kinderflöte mit einer Omegakrümmung, um sie zu verkürzen. Der Grundgedanke hinter der Neuerfindung ist eine ergonomisch verbesserte Körperhaltung für Kinder ab dem fünften Lebensjahr. Die Lizenz für die Produktion der Loop Flöte hat er an einen Taiwanesischen Konzern verkauft. Die technische Weiterentwicklung liegt aber in der Hand des mittlerweile 60-Jährigen; und das wird auch nach der „Hofübergabe“ so bleiben: „Es macht Spaß und ist faszinierend, Ideen zu haben, diese neu zu entwickeln und umzusetzen; ein System zu finden, wie man Köpfe neu und besser macht.“
Inzwischen ist „der Tomasi“ eine Institution für Flötenprofis von Asien über Europa bis in die USA. Was für das Auge eines Unkundigen aber auch Flötisten immer wie dasselbe Kopfstück aussieht, eröffnet im Klang gravierende Unterschiede.
Der erste Produktionsschritt ist die maschinelle Herstellung eines konischen Rohres, dann folgen viele weitere. Der finale Schliff – das Feintuning – vor der Übergabe an den Kunden ist dann aber Chefsache. Da geht es um Zehntel- oder Hundertstelmillimeter, Kanten runden oder schärfen und die Anpassung beispielsweise an die Lippen des Flötisten.
Diese Qualitätssteigerung kostet dann schnell den 10-fachen Preis. „So werden Flötenköpfe auf einen Menschen abgestimmt“, sagt der Flötenprofi und stellt sich nach über 30 Jahren Berufserfahrung immer noch die Frage: „Weshalb ändert sich im Ton so bedeutend viel, obwohl man praktisch nichts verändert hat. Und warum tut sich oft nicht viel, wenn man viel daran ändert?“ Letztlich geht es um den Preis. Und wenn Tomasi einen 24 Karat Goldkopf um 20.000 Euro verkauft, soll der schließlich gerechtfertigt sein. So setzt der Spezialist das Maß an Perfektion bei jedem der 1.000 jährlich produzierten Flötenköpfe ganz oben an.
Tomasi besitzt selbst keine Flöte. „Mir gehören alle“, schmunzelt er ein wenig süffisant. Das Problem eines Flötenbauers sei, dass er, wenn ein Kopf gut ist und er ihn längere Zeit gespielt hat, diesen verkaufe. Danach kommt die Herausforderung einen besseren zu bauen. Rückblickend ist es für den Osttiroler keine Enttäuschung mehr, dass seine Berufung nicht der Konzertsaal, sondern eine Werkstätte war. „Ich kann in meiner Freizeit musizieren, kann spielen was und mit wem ich will.“ Jetzt im Alter ist er froh, dass sein Weg diese Richtung genommen hat. Aus Erfahrung weiß er, dass viele der pensionierten Berufsmusiker nach ihrer Karriere keinen Ton mehr Flöte spielen und ihre Instrumente verkaufen. „Macht man eine Liebe zum Beruf, nutzt sich diese leider oft ab“, gibt sich Tomasi philosophisch. „Das ist das Schöne, wenn man Flötenbauer ist. Ich habe mir die Liebe zur Musik erhalten und war trotzdem durch meinen Job der Musik und den Musikern immer sehr nahe.“
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