Ein Designpreis für ein Buch? Und nicht irgendeiner, sondern gleich der renommierte „Red-Dot-Award“, vergeben vom Design Zentrum Nordrhein Westfalen an die Masterarbeit einer Osttiroler Studentin? Das macht natürlich neugierig und so sitze ich mit Martina Veider an einem Herbstvormittag bei einem Kaffee in Lienz. Vor uns liegt das ausgezeichnete Werk und wir plaudern über ein spannendes Thema, das uns beide auch beruflich beschäftigt: die Verwandlung von Daten in Informationen und Geschichten.
„Information + Graphics ≠ Infographics“ steht auf dem Cover der in Englisch verfassten Masterarbeit. Mit verblüffender Klarheit und spielerischer Kreativität erklärt die in Graz lebende Osttirolerin in diesem Buch ein komplexes Thema. Sie schreibt keine Abhandlung über die Aufbereitung von Daten, sondern verwandelt jede einzelne ihrer Thesen in das, worum es thematisch geht: in Infografiken. Das Ergebnis ist eine Art gezeichnetes Lehrbuch über die Grundprinzipien und wesentlichen Aspekte guter Informationsgrafik, die weit mehr ist und kann als die Verwandlung von Zahlenkolonnen in Balkendiagramme.
„Die Infografik hat mich schon im Bachelorstudium fasziniert und zugleich ist mir aufgefallen, dass es so viel schlechte Infografiken gibt. Teilweise sind diese Grafiken schlicht falsch. Deshalb wollte ich den Prozess dahinter auch sichtbar machen, das, was hinter dem Design steht,“ erzählt Martina. Design ist für sie – wie für jeden guten Designer – kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um Probleme zu lösen. „Design Thinking“ ist die Herangehensweise an diese Problemlösung, die immer eine konkrete Zielgruppe im Auge hat. Informationsdesign reduziert Komplexität und macht Design Thinking zur Übersetzungsarbeit: „Es gibt ein Thema, das ist kompliziert. Ich überlege mir, wie schaff ich das, es den Leuten zu erklären. Mit Text allein ist das oft nicht leistbar, aber mit einer zusätzlichen Ebene, der Grafik.“
Kreative gelten nicht unbedingt als strukturierte Faktenchecker und Zahlenfreaks. Also drängt sich die Frage auf, wie Martina zum Fundament ihrer Designarbeit steht, zu Mathematik und Zahlenlogik? „Ich war in Mathematik nicht so schlecht, ich hab mit einem Gut maturiert,“ lacht sie. „Mir taugt es, etwas zu vereinfachen, zu übersetzen, runterzubrechen und verständlich zu machen. Vielleicht weil ich selbst ein organisierter und genauer Mensch bin.“ Martina ist Jahrgang 1992. Nach der Matura am Gymnasium in Lienz und einem Jahr Architektur in Graz inskribierte sie an der Uni in Bozen Produkt- und Grafikdesign, hatte nach der Mindeststudiendauer den Bachelor in der Tasche und übersiedelte wieder nach Graz, um dort ein zweijähriges Masterstudium mit dem Schwerpunkt Kommunikationsdesign anzuhängen.
Den Abschluss bildete ihre mit einem Red-Dot-Award ausgezeichnete Arbeit, die wir gemeinsam durchblättern. Es ist ein erstaunliches Buch, ebenso hübsch wie informativ und in jedem Fall ungewöhnlich. „Explaining Infographics with Infographics“ war der ursprüngliche Arbeitstitel und genau das leistet dieses Buch, es erklärt die Welt der Informationsgrafik mittels Informationsgrafik. Wie visualisiert man Komplexität und macht damit Schwieriges verständlich? Wie wirft man grafisch den Blick auf ein Detail, ohne das Ganze aus den Augen zu verlieren? Und wie gelingt es, aus puren Daten nicht nur Informationen, sondern spannende visuelle Erzählungen zu machen? Auf diese Fragen gibt Martina Anworten, geschrieben und gezeichnet, in einem klaren Layout und einer Grafik, die trotz der mathematischen Grundlage sehr organisch wirkt.
Ist diese grafische Sprache eigentlich universell? Martina differenziert: „Wie eine Grafik wahrgenommen wird, oder ein visuelles Zeichen interpretiert wird, hängt auch vom kulturellen Background des Betrachters ab. Deshalb ist für mich die Zielgruppe entscheidend, für die ich gestalte.“ Senioren lesen Grafiken anders als Jugendliche. Je breiter der Fokus, desto reduzierter wird die Grafik. Können Infografiken manipulieren? „Ja, man kann auch lügen“, nennt Martina das Kind beim Namen. Sie vermeidet visuelle Zerrbilder, die meist dann entstehen, wenn nur Ausschnitte der Realität abgebildet werden: „Ich zeige das Ganze und zoome ein Detail heraus. So bleibt der Überblick gewahrt und es gibt dennoch einen Fokus.“
Mittlerweile hat Martina Veider in Graz ihr eigenes Designstudio gegründet. Es ist eine One-Woman-Show, angesiedelt in einem Coworking-Space mit anderen Kreativen aus unterschiedlichen Metiers. „Ich arbeite zwar allein und bin doch nicht allein.“ Das sei inspirierend und erschließe Synergien. Martina sieht sich als Schnittstelle in einem künftigen Kollektiv. Diese Betrachtungsweise passt zu ihr und ihren Plänen: „Ich seh mich mehr als Designmanagerin und hab auch eine Ausbildung im Designmanagement.“
Netzwerken ist nicht nur eine Stärke der jungen Designerin, es ist die Grundlage ihrer Arbeit, speziell dann, wenn komplexe Themen visualisiert und für ein breites Publikum verständlich aufbereitet werden sollen: „Ich unterhalte mich mit Leuten, die Spezialisten sind, mit Journalisten, Wissenschaftlern und anderen Experten. Erst mit dieser Information, dem Inhalt, der auch gefiltert werden muss, geh ich an die Grafik heran und kläre die Frage nach dem wie, nach Hierarchien und Struktur der visuellen Umsetzung.” Gemeinsam mit Christoph Almasy, der ihre Masterarbeit betreute, entwirft die Osttirolerin immer wieder Informationsdesigns für Broschüren des Wissenschaftsministeriums.
In diesen Arbeiten spielen neben Text und klassischer Infografik auch illustrative Elemente eine wichtige erklärende Rolle. Hier werden ganze Geschichten in einer charmanten Mischung aus Text, Zahlen und Bildern erzählt. „Visual Storytelling“ ist eine der großen kreativen Herausforderungen unserer Tage, der Digitalisierung geschuldet, aber auch einer Welt, die zunehmend von Daten überflutet wird, deren Fluss für den Einzelnen immer weniger durchschaubar ist. Martina Veider gibt hier in ihrer preisgekrönten Masterarbeit ebenso professionelle wie praktische Hinweise, was gute Infografik auch für den modernen Journalismus leisten kann. Wir werden darauf zurückkommen!
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