Ich sehe keine Marke Osttirol
Ich sehe keine Marke Osttirol
Der Mitbegründer des Institute of Brand Logic über Positionierung, Markenlogik und die Kraft der Eigenkreation im Tourismus.

Markus Webhofer, Jahrgang 1968 und gebürtiger Sillianer, ist Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter des Institute of Brand Logic mit Sitz in Innsbruck und München, zu dessen Kundenkreis unter anderem die Tourismusregion Serfaus-Fiss-Ladis, MPREIS und Hella gehören. Was ist das Besondere an diesem Institut?

„Die Transformation von Unternehmen zu führenden Marken ist unsere Kernaufgabe. Bei uns bestimmt das einmal erarbeitete, klare Positionierungsprofil alles: das Geschäftsmodell, das Sortiment, die Wachstumsstrategie, den Zugang des Kunden zum Produkt. Das Unternehmen ist nur Mittel zum Zweck des Positionierungsprofils, dem wir alles unterordnen. Damit sind wir einzigartig, das macht außer uns niemand.“ Webhofer studierte Betriebswirtschaft in Innsbruck und erarbeitete sich mit Partner Wolfgang Rigger ein fächerübergreifendes Know-how.

„Uns hat ein interdisziplinärer Zugang zur Marke als Mittel zur strategischen Unternehmensführung interessiert, weniger die damals in der BWL auf Kommunikation eingeschränkte Sicht. Was uns immer getrieben hat, ist die Verbindung von Theorie und sauberer Praxis, was funktioniert, was nicht. Dafür haben wir uns neben der laufenden Beratungstätigkeit und der Arbeit am Institut für Marketing der Uni Innsbruck auch mit ethnologischer und soziologischer Forschung, Symbolistik und Prozessdesign beschäftigt, zusammen mit Paul Tuchinsky, einem amerikanischen Spezialisten auf diesem Gebiet.“ Im universitären Umfeld stieß der interdisziplinäre Ansatz auf wenig Gegenliebe, daher gründeten Rigger und Webhofer 2000 ihr eigenes Institut.

Hat sich seitdem in der Markenbildung viel verändert? „Betrachten wir es vom Markt aus, dann gibt es einen immer rasanteren Wechsel von Geschäftsmodellen. Ein wichtiger Faktor dabei sind die sozialen Medien. Durch sie erhalten die guten Anbieter von exzellenten Leistungen die Chance, schnell zu reagieren und noch besser zu werden, während die schwach Aufgestellten schneller untergehen.“

Macht es für einen Kleinbetrieb, etwa einen Tischler in Osttirol, Sinn, in professionelle Markenentwicklung zu investieren? Reichen nicht gute Leistungen und Mundpropaganda? „So sind die meisten Marken ursprünglich entstanden. Natürlich ist das ein Alleinstellungsmerkmal, wenn eine hervorragende Leistung ein positives Vorurteil auslöst und Kundenloyalität erzeugt. Dennoch steigert man seine Marktchancen, je professioneller die Markenbildung vorangetrieben wird.“

Neben klassischen Unternehmen begleitet Brand Logic auch touristische Destinationen bei der Markenwerdung. Eine besondere Herausforderung. Webhofer: „Anders als in Unternehmen gibt es hier niemanden, der führt. Diese Ebene muss erst in einem hoch kommunikativen Prozess etabliert werden. Wichtig sind gute Informationen für alle Beteiligten. Man muss ein kollektives  Problembewusstsein schaffen, aus dem ein möglichst klares, sehnsuchtserfülltes Zukunftsbild entstehen kann. Das muss in der Destination verstanden und getragen werden. Einer unserer Leitsätze lautet: Menschen unterstützen, was sie selbst geschaffen haben. Damit die Strategie nicht scheitert, muss unglaublich viel kommuniziert werden und es müssen messbare Erfolge sichtbar werden.“

Regionen bemühen sich aber nicht nur um Gäste, sondern – wie Osttirol – noch mehr um die Ansiedlung von attraktiven Betrieben, die gute, sichere Jobs bieten. Kann Markenlogik hier helfen? „Natürlich. Wenn systematisch vorgegangen wird und ein klares Profil entwickelt wird. Gefährlich sind Hybrid-Situationen wie zum Beispiel im Hochpustertal, wo man sich nicht klar für eine Richtung entschieden hat, sondern beliebig Betriebe angesiedelt hat. Touristisch scheint mir dort das Pulver verschossen zu sein.“

Was bedeutet das historisch bedingte Identitätsproblem in Osttirol, das sich weniger als politischen Bezirk und vielmehr als eigener Landesteil neben Nord- und Südtirol sieht, für die „Marke Osttirol“?

„Ich sehe keine Marke Osttirol. Es ist vielmehr ein ewig formulierter Wunsch, der keine Erfüllung findet. Ich habe den Eindruck, man fühlt sich in der gegebenen Situation teilweise ganz wohl, fast zu wohl. Dafür gibt es bei manchen eine gelebte Freiheitskultur, die anderswo nicht mehr zu finden ist. Und ein natürliches Potenzial, das bei Weitem nicht genutzt wird.“

Credits
  • Autor: Marcus G. Kiniger
  • Fotografie: Ursula Aichner

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