Flusskrebse existieren seit 300 Millionen Jahren, wobei weltweit bisher mehr als 650 verschiedene Arten beschrieben wurden. Sie zählen zu den größten Wirbellosen in Gewässern und haben dabei weitreichende Auswirkungen auf aquatische Ökosysteme. Deshalb werden sie auch als „Gewässerpolizei“ und „Ökosystemingenieure“ bezeichnet. Früher waren Flusskrebse sehr häufig und kamen in nahezu allen Gewässern vor.
So finden sich beispielsweise historische Hinweise auf ertragreiche Flusskrebsgewässer im Fischereibuch Kaiser Maximilians I. und die Österreichisch-Ungarische Monarchie zählte einst zu den Hauptexporteuren von Flusskrebsen. Heute findet man sie oft nur mehr auf der Speisekarte von Gourmetrestaurants.
Der Grund dafür ist vor allem die Krebspest, die im 19. Jahrhundert in Europa innerhalb weniger Jahrzehnte 80 Prozent der Bestände vernichtete. Dieser pilzartige Erreger lebt in Koevolution mit Nordamerikanischen Flusskrebsarten, die weitgehend immun gegen diese Krankheit sind, diese aber auf die heimischen Arten übertragen.
Die Sporen des Pilzes können dabei auch durch Wasservögel, Fische, Fischereigerät und Boote übertragen werden, wodurch sich die Krebspest sehr schnell ausbreitet. Innerhalb weniger Tage nach der Infektion sterben heimische Flusskrebse. Durch den Besatz mit Nordamerikanischen Flusskrebsen und die damit einhergehende Übertragung der Krebspest, Lebensraumverlust und Gewässerverschmutzung zählen Flusskrebse zu den gefährdetsten Tierarten Österreichs.
In Tirol kommen fünf Flusskrebsarten vor, wobei der Edelkrebs und der Steinkrebs als heimisch gelten. Der Dohlenkrebs, der Europäische Sumpfkrebs und der Nordamerikanische Signalkrebs wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts in einigen Gewässern Tirols besetzt. Der Edelkrebs Astacus astacus ist in Tirol die größte und häufigste Art und erreicht ohne Scheren eine Länge von bis zu 18 Zentimetern. Eine ähnliche Größe erreicht der aus dem Osten Europas stammende Europäische Sumpfkrebs Astacus leptodactylus, der nur wenige Teiche in Tirol besiedelt.
Das Vorkommen des kleineren (bis zehn Zentimeter) Steinkrebses Austropotamobius torrentium beschränkt sich auf wenige Gewässer im Außerfern. Dort tritt der aus Südtirol stammende und mit bis zu zwölf Zentimetern etwas größere Bruder, der Dohlenkrebs Austropotamobius pallipes, vermehrt als Konkurrent auf. Der aus Nordamerika stammende Signalkrebs Pacifastacus leniusculus erreicht eine Größe von bis zu 16 Zentimetern und wird oft mit dem Edelkrebs verwechselt.
Diese invasive Art befindet sich in Tirol auf dem Vormarsch und ist als Überträger der Krebspest die größte Gefahr für die oben genannten Arten. Zur Artenunterscheidung werden die Augenleisten und Bedornungsmuster am Brustpanzer herangezogen. Die Färbung der Flusskrebse ist sehr variabel und entspricht oft dem farblichen Untergrund des besiedelten Gewässers. Bräunliche bis grünliche Farbtöne sind daher häufig, wobei vereinzelt durch Pigmentstörungen auch sehr bunte (blaue, rote, orange) Exemplare vorkommen.
Als Lebensraum werden stehende und fließende Gewässer aller Größen bewohnt, wobei artspezifische Präferenzen bestehen. Vor allem wärmere Gewässer in den Tallagen mit vielen Versteckmöglichkeiten werden bevorzugt besiedelt. Im Uferbereich werden Krebsbauten angelegt, wo sich die Krebse während des Tages verstecken und ihre Winterruhe verbringen. Bei Einbruch der Dämmerung werden Flusskrebse aktiv und begeben sich auf Nahrungssuche. Im Schein der Taschenlampe lassen sie sich dann gut vom Ufer aus beobachten. Flusskrebse sind Allesfresser, die abgestorbene Blätter, Wasserpflanzen, Algen, Insekten, Schnecken, Muscheln, Würmer und tote Fische fressen. Dabei schrecken sie auch nicht vor dem Verzehr von Artgenossen zurück. Flusskrebse sind nämlich Kannibalen. Um die Nahrung zu zerkleinern, verfügen die Krebse über eine Reihe von Werkzeugen, die drei Paar Scheren, Kieferfüße und Kauladen umfassen.
Die Aktivitätsphase der nachtaktiven Tiere reicht je nach Witterung von Mai bis November.
Wenn im Herbst Temperatur und Tageslänge abnehmen, beginnt bei den Flusskrebsen die Paarungszeit. Dann werden die Krebse noch ein letztes Mal im Jahr aktiv. Findet ein Männchen ein fortpflanzungsfähiges Weibchen, dreht es das Weibchen mit den Scheren auf den Rücken und überträgt ein Spermapaket. Nach dem Paarungsakt scheiden die Weibchen je nach Art durchschnittlich 50 bis 600 Eier aus, die an die Schwimmbeine des Hinterleibes angeheftet werden. Über die Wintermonate wird die Brut von der Mutter beschützt und ständig mit sauerstoffreichem Wasser versorgt. Im Frühsommer schlüpfen die Jungtiere und beginnen schon nach kurzer Zeit ein selbständiges Leben. Das Wachstum erfolgt bei Flusskrebsen durch Häutungen.
Dabei wird der Kalk des Panzers in den sogenannten „Krebsaugen“ kurzzeitig gespeichert und der weich gewordene Panzer wird abgestreift. So können sie eine Größe von 80 Zentimetern, ein Gewicht von fünf Kilogramm und ein Alter von bis zu 100 Jahren erreichen. Unsere heimischen Arten bleiben wesentlich kleiner und werden „nur“ bis zu 20 Jahre alt.
Als Feinde treten verschiedene Vögel (Graureiher, Rabenvögel), Fische (Aal, Wels, Hecht), Säugetiere (Fischotter, Bisamratte) und nicht zuletzt der Mensch in Erscheinung. Auf Grund ihrer Größe und des schmackhaften Fleisches sind Flusskrebse ein eiweißreiches Nahrungsmittel, weshalb sie in Teilen Europas auch heute noch wirtschaftlich genutzt werden.
In Skandinavien werden jährlich ca. 200 Tonnen Flusskrebse gefangen und verspeist. In Tirol sind die heimischen Flusskrebse jedoch nach dem Fischereigesetz ganzjährig geschont und nach dem Naturschutzgesetz geschützt. Dies zeigt, dass die „Scherenritter“ trotz ihrer harten Schale einen weichen und verletzlichen Kern besitzen.
Ohne menschliches Zutun können die heimischen Arten nicht mehr langfristig überleben. Mit Artenschutzprojekten wird daher in ganz Europa versucht, die Bestände der heimischen Flusskrebse durch Wiederansiedelungen und Lebensraumverbesserungen zu stärken.
In Osttirol beschränkt sich das Vorkommen der Flusskrebse auf das Lienzer Becken. Bisher war nur das Vorkommen des Edelkrebses (Tristacher See, Tristacher Seebach) und des Europäischen Sumpfkrebses (Teich in Lavant) bekannt. Vor kurzem wurde aber auch der Nordamerikanische Signalkrebs in einem Teich im Lienzer Becken entdeckt. Weitere Vorkommen können derzeit nicht ausgeschlossen werden.
Der Edelkrebs galt im Tristacher See und im Tristacher Seebach bereits als ausgestorben, wobei als Ursache die Krebspest vermutet wurde. Im Rahmen eines Artenschutzprojektes der Universität Innsbruck wurde daher vor zehn Jahren eine Wiederansiedelung im Tristacher Seebach durchgeführt. Mittlerweile haben sich beide Edelkrebs-Populationen wieder gut erholt. Die größte Gefahr für die heimischen Flusskrebse lauert mit dem Signalkrebs und der möglichen Einschleppung der Krebspest aber bereits in nächster Nähe.
Derzeit laufen Überlegungen, wie man den langfristigen Schutz des heimischen Edelkrebses in Osttirol gewährleisten und die weitere Ausbreitung des Signalkrebses verhindern kann.
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