Michaela Unterweger ist zierlich und quirlig. Und sie redet gern, eine Eigenschaft, die sie vermutlich von ihrem Vater geerbt hat. Paul Unterweger ist eine Ikone der Osttiroler Unternehmerlandschaft, ein geborener Verkäufer, wenn es um süße Früchte geht und ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Belange seiner Branche, der Lebensmittelindustrie. Die wird gerade in den letzten Jahren gebeutelt von Regulativen und Richtlinien, die aus einem simplen Glas Marillenmarmelade schon fast ein Apothekenprodukt machen, zumindest wenn man sich das Etikett ansieht.
Das kann zur Herausforderung werden, wenn man, wie Unterweger, 90 verschiedene Marillenrezepturen verwendet. Der Familienbetrieb im Osttiroler Assling strahlt nach außen jene solide Tradition aus, die nur über Generationen wachsen kann. Wenn man den Berg hochfährt, wo die Produktionshallen schon etwas wenig Platz haben und die Firmenleitung in einem Gebäude sitzt, das äußerlich mehr Wohn- als Bürohaus ist, dann spürt man, hier werden schon lange Früchte gekocht. Seit 1931, um genau zu sein. Und hier wird diese Tradition gelebt, mit allen Sinnen, wenn man so will.
Doch wenn man genauer hinsieht, dann regt sich im Traditionsbetrieb allerhand Neues und das hat damit zu tun, dass Unterweger geschafft hat, woran viele vergleichbare Familienbetriebe schwer zu kauen haben: eine Übergabe in die dritte Generation und in eine neue Zeit, in der zwar die Marmelade noch immer süß, sonst aber fast nichts mehr so wie früher ist. Die Märkte sind rauer geworden, der Kampf der Marken um die guten Plätze im Regal der Handelsriesen und auf den Frühstücksbuffets der Hotellerie spitzt sich auf eine Frage zu: „Bin ich eine Marke?“
Für Unterweger lautet die Antwort ganz eindeutig ja und das hat auch mit Michaela Hysek-Unterweger zu tun, die das Unternehmen seit 2010 leitet. „Es war eigentlich nie geplant, dass ich einsteige“, erzählt die 35-jährige Unternehmerin. Nach der HAK-Matura ging sie ein Jahr nach Italien, arbeitete bei einem Medizintechnik-Konzern, studierte in Wien Wirtschaft mit Schwerpunkt Außenhandel und Tourismus, landete schließlich in der Tourismusberatung, erst bei Edinger, später bei Conos, bekannten Namen in der Branche.
„Da habe ich das Marketingbusiness gelernt und plötzlich hat sich herauskristallisiert, es könnte ein Thema sein, dass ich daheim einsteige.“ Doch in traditionellen Familienbetrieben wird nicht gehudelt. Es dauerte vier Jahre, bis der Übergang von einer zur nächsten Generation eingetütet war. Während dieser Zeit hatte die agile Beraterin allerhand Herausforderungen zu bewältigen: „Meine Chefs haben mich getrieben und gefordert. Ich musste schnell raus zum Kunden. Sie haben gesehen, ich gehe nicht unter“, erzählt die Mutter von zwei kleinen Jungs. „Du bist keine Angestellte, du denkst anders und funktionierst anders. Das kann man nicht lernen“, erklärte ihr ein Kollege und vielleicht gab das den Ausschlag. Trotz attraktiver Angebote in der Tourismuswirtschaft entschied sich die junge Frau für das Familienunternehmen und die Marmelade. Nicht ohne klare Bedingungen zu stellen: „Das Unternehmen gehörte meinem Vater und seinem Cousin Christoph zu je 50 Prozent. Ich habe gesagt, ich will von dieser 50:50 Geschichte weg und eine klare Regelung.“ Also kaufte Hysek-Unterweger die Firmenhälfte von Christoph Unterweger und ihr Vater gab ihr ein Prozent dazu. Arithmetisch kann sie allein entscheiden, aber faktisch? Da kann es schon einmal knistern. „Wenn wir diskutieren, dann ist es gut, wenn man etwas mit Zahlen belegen kann. Dann ist schnell ausdiskutiert. Emotional wird es bei Geschmacksfragen, auch im Sinne von Marketing. Ist das Etikett schön oder nicht? Da wird auch gestritten.“
Hysek-Unterweger erinnert sich noch gut an den Tisch voller Gläser, als 2011 das Markendesign geändert werden sollte. Mehrere Designagenturen hatten präsentiert, die Entscheidung war nach langem Hin und Her gefallen, für ein beiges Etikett. „Eine Kollegin und ich wollten eigentlich die anderen Gläser schon wegräumen. Und plötzlich war uns klar: Das schaut aus drei Metern Entfernung alles gleich aus! Und es gibt genau ein Glas, das nicht so ausschaut, das mit dem transparenten Etikett. Ich bin zu meinem Vater gegangen und habe ihm das gesagt. Und er hat geantwortet: Du hast einen Vollvogel!“
Wer sich durchgesetzt hat, sieht man heute in den Regalen. „Damals hab ich intuitiv den richtigen Schritt gemacht, bin von der großen Linie weggegangen und ich habe vorgeschlagen, wir probieren es bei den Spezialitäten wie Hollersulze. Das tut niemandem weh. Das haben wir ein paar Großkunden gezeigt, zum Beispiel Rewe, und die haben gesagt : Wow! Das ist es, das ist was für die Jungen, das probieren wir aus. 2011 im Herbst haben wir die ersten Gläser präsentiert.“
Da war es nur konsequent, auch gleich über neue Produktschienen nachzudenken, moderne Lifestyle-Marmeladen, die sich Mostardas nennen und nicht einfach mit der Buttersemmel liiert sind, sondern edle Käsekreationen begleiten, also etwas Pikantes an sich haben, das durch die poetischen Rezepturen noch verstärkt wird. Da gibt es zum Beispiel „Preiselbeer-Feigen mit Gin“. Oder wie wäre es mit „Birnen-Quitten mit Trüffel“? So ein Glas steht nicht lange ungeöffnet auf der Frühstückstheke, zu verführerisch ist die Aussicht auf etwas, das die Zungenspitze so noch nie geschmeckt hat.
Michaela Hysek-Unterweger entlockt das ein Schmunzeln. Marmelade ist nämlich prinzipiell eine einfache Sache. „Ein simpleres Produkt gibt es fast nicht.“ Umso wichtiger ist das Marketing, wobei nicht alles über Bord geworfen wurde, was Unterweger groß gemacht hat. Nicht nur auf dem Firmengebäude steht noch immer in Riesenlettern „UWE“. Die Urmarke existiert friedlich neben der jüngeren „Tiroler Früchteküche“ und hat ihre Heroes, wie die UWE-Preiselbeerdose mit 55 Prozent Frucht!
„Die UWE Preiselbeerdose ist ein Verkaufsschlager, genauso das Apfelmus und der Zwetschkenröster. Das sind die UWE-Produkte schlechthin“, lacht die Tochter des Hauses. Zum Glück, möchte man sagen. Mögen die „Mostardas“ noch so exotisch daherkommen – was wäre ein kulinarisches Leben ohne die vertrauten Zutaten süßer Glückseligkeit, Apfelmus und Zwetschkenröster, Powidl und Preiselbeeren?
Egal ob „UWE“ oder „Tiroler Früchteküche“, eines ist unabdingbar – die kompromisslose Qualität bei der Auswahl der Zutaten. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Im Unterweger-Zweigwerk im burgenländischen Kittsee werden frische Früchte geerntet und verarbeitet, zum Beispiel Marillen, die sofort vom Baum in die Verarbeitung gehen. Von Mai bis Ende Oktober ist Erntesaison, 15 bis 20 Helfer werden dann eigens eingestellt, sonst arbeiten drei Leute in Kittsee. In Osttirol sind es rund 50. Ein Drittel der Produktion liefert Unterweger an Bäckereien und Industrie, ein Drittel geht an Gastronomie und Hotellerie und ein Drittel kommt in die Regale des Handels. Hier sieht Marketingexpertin Michaela Hysek-Unterweger noch einiges an Spielraum, vor allem überregional.
Seniorchef Paul Unterweger gibt sich inzwischen den Titel „Pensionist“ und hat sich selbst eine besondere Rolle zugeteilt: Die des alten Haudegens, der auf einem Schlachtfeld kämpft, das er seiner Tochter lieber nicht zumutet, jenem der Lebensmittel-Bürokratie. Tochter Michaela freut das. „Wenn ein Brief von der Bezirkshauptmannschaft Lienz kommt, dann ist es mir sehr recht, dass der Papa runterfährt.“
Keine Postings
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren