1988 in Salzburg. Im noblen Stadtteil Aigen stapeln der dänische Manager Lars Jacobsen und der Lienzer Erwin Rauchenbichler silberne Metallboxen. Jacobsen und Rauchenbichler bereiten sich auf den Start einer neuen Schuhmarke in Österreich vor: Ecco. Bequeme Schuhe aus Skandinavien. Ende der achtziger Jahre hatten die Sneakers noch nicht ihren weltweiten Siegeszug angetreten, es war nicht üblich, als Erwachsener den ganzen Tag in „Turnschuhen“ herumzurennen und Schuhwerk, dem man seine Bequemlichkeit ansah, war Pensionisten auf Busreisen vorbehalten.
Entsprechend ambitioniert schien das Unterfangen von Jacobsen und Rauchenbichler. Der Schuh, mit dem die Skandinavier den österreichischen Markt aufmischen wollten, hieß „Ecco Walker“ und war rein optisch für damalige Trendsetter gewöhnungsbedürftig. Gekauft wurde er dennoch und zwar wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Verpackt in einer wertigen Metallbox und einem Sack aus Jute, wurde der dänische Bequempatschen, wonach sich jede Marke sehnt: zum Einzigen seiner Art. Das nennt man USP. „Wir hatten natürlich ein breiteres Sortiment“ erinnert sich Erwin Rauchenbichler, „und in Deutschland oder Skandinavien stand Ecco damals auch für eine andere Kategorie von Schuhen. Aber der Walker war irgendwie besonders. Eben dänisch.“ Und das war der Schlüssel zum Erfolg. In einer Zeit, in der Schuhe primär „topmodisch“ und daher meist italienisch zu sein hatten, kamen die Dänen mit Bequemlichkeit daher, aber auch Lockerheit und einem neuen Körpergefühl. Sie trafen genau den Nerv der Konsumenten.
Es war die Zeit, in der Umweltschutz zu boomen begann, Nachhaltigkeit wurde erstmals zu einer Vokabel, Heini Staudinger eröffnete mit „GEA“ neuartige Ökoshops und IKEA erklärte der Welt, was die Skandinavier designmäßig auf dem Kasten haben. „Irgendwie hatte man das Gefühl, skandinavisch ist super“, erklärt Rauchenbichler 25 Jahre später in der Bürgeraustraße, in jenem Gebäude in der Peggetz, in dem Ecco seit Jahrzehnten seine Österreichzentrale hat und Dolomitenstadt seit kurzem die Redaktionsräume. Hier treffen wir Erwin Rauchenbichler und seinen Sohn Gabriel zum Fotoshooting.
Auf dem Boden liegen bunte Schuhe und „Rauchenbichler Senior“ hält einen vergoldeten „Walker“ in seinen Händen. Mit diesem Modell und seinen Nachfolgern hat er den heimischen Markt aufgemischt. Heute verkauft Ecco rund eine Viertelmillion Schuhe pro Jahr in Österreich. Das Geschäft läuft ausnahmslos über die Firmenniederlassung in der Peggetz, wenngleich die Warenströme längst durch andere Bahnen fließen. Zwölf Mitarbeiter hatte Rauchenbichler in den besten Zeiten in Osttirol beschäftigt. Heute genügen ein kleines Büro zum Management der Kundenkontakte und ein winziges Lager, vorwiegend für Merchandising-Utensilien. Ein Showroom in Salzburg ist Anlaufstelle für die Einkäufer aus dem Einzelhandel. Früher wurden tausende Schuhe von Lienz aus in die Geschäfte geliefert, jetzt sorgt ein Zentrallager in Holland europaweit für Nachschub. Wieder haben sich die Zeiten geändert. Der große Bruder „digitale Warenwirtschaft“ schaut in die Lager der Händler und registriert online, wenn ein Schuhmodell ausläuft.
Die Industrie – auch der Ecco-Konzern – hat erkannt, wer der eigentliche König ist. Nicht der Händler, der früher von „Vertretern“ hofiert wurde, sondern der Endkunde, der von den Marken direkt angesprochen werden will. Der Konsument ist der Held im Zeitalter totaler Vernetzung. Social Media und Community Management sind die Werkzeuge, um ihn zu begeistern. Auch dafür hat Ecco einen Rauchenbichler. Gabriel, den Junior, die nächste Generation der Ecco Jungs aus Lienz.
Gabriel Rauchenbichler arbeitet in Dänemark. „Ich habe den Job nicht, weil mein Vater ein Urgestein bei Ecco ist. So funktioniert das in Skandinavien nicht“, erklärt der Absolvent des MCI in Innsbruck, der in New York Erfahrungen sammelte, in Hongkong schnupperte und den Dänen gleich gefiel, als er sich um einen Job im Headquarter des Schuh-Weltkonzerns in Tønder bewarb.
Gabriel ist „Community Manager“ bei Ecco, Ansprechpartner für Fragen und Anregungen der Kunden im Internet. Er pflegt die Online-Präsenz der Marke, klinkt sich in Foren und soziale Netze ein, knüpft digitale Kontakte zu Sportcommunities, etwa im Golfsegment, das Ecco stark im Fokus hat. Er schätzt die flache Hierarchie im Konzern, den entspannteren Umgang im Headquarter und die Chance, auch große Projekte zu realisieren. Als Frontmann und Sänger der in Osttirol sehr beliebten Band „Escort Ladies“ liegt ihm die Performance vor Publikum. Und als Manager, der im digitalen Zeitalter groß geworden ist, weiß er um den Paradigmenwechsel an den Füßen der Kunden. Seit dem „Walker“ in der Metallbox hat sich der Schuhmarkt gravierend verändert. Die klassischen, aus dem Schusterberuf hervorgegangenen Händler sind zwar nicht ausgestorben, kämpfen aber ein Rückzugsgefecht. Die größten Schuhfabrikanten unserer Tage heißen Nike, Adidas & Co., sie statten Konsumenten fast jeden Alters nicht nur auf dem Sportplatz mit Schuhwerk aus, sondern auch im Alltag, vertreiben ihre Produkte über den Sport- und Modefachhandel und immer stärker über das Internet. Wie sein Arbeitgeber, hat auch Erwin Rauchenbichler diesen Wandel über die Jahrzehnte mitvollzogen.
„Wir waren eigentlich immer gut dabei. Zunächst bei der Trekkingwelle, die einen ganz neuen Schuhtyp brachte, angesiedelt zwischen klassischem Bergschuh und Sportschuh. Dann bei den Funktionssandalen, die es auch erst seit 15 Jahren gibt. Und heute sind wir eine Größe im Sportschuhsektor, wenn auch nicht mit Masse, dafür aber mit Klasse.“ Vor allem Golfschuhe von Ecco sind auf den Greens in aller Welt gefragt. Wir wollen noch ein lustiges Foto machen und müssen nicht zweimal bitten. Für einen Spaß sind Vater und Sohn Rauchenbichler jederzeit zu haben und schon fliegen die Ecco Schuhe durch die Luft. Dann verabschieden sich die beiden. Gabriel fliegt am nächsten Tag zurück nach Dänemark, sein Vater wird zur alljährlichen Betriebsfeier auch nach Tønder kommen. Family business in Zeiten der Globalisierung.
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