Es sind zwei wahre Kraftpakete, die sich auf der sattgrünen Wiese in Matrei gegenüber stehen. Die Luft ist klar und auf den umliegenden Gipfeln der Hohen Tauern liegt noch Schnee. Es ist ein echter Bilderbuchtag. Die Sonne scheint und der Himmel erstrahlt im allerschönsten Blau.
Doch die beiden Hühnen, die sich barfuß und nur mit groben Leinenhosen und Hemden bekleidet ganz genau mustern, haben für all diese Schönheit im Moment keinen Blick. Stattdessen versuchen sie hochkonzentriert die Lage abzuschätzen. Was wird der andere wohl als erstes versuchen? Was ist mein erster Schritt?
Alles rund um die beiden Kämpfer herum scheint zu verstummen. Hunderte Zuschauer, die anderen Athleten auf dem Platz… alles scheint unwirklich und weit weg zu sein. Bis plötzlich ein greller Pfiff ertönt.
Mit einem Mal gehen die beiden „Ranggler“ aufeinander zu, klatschen sich eilig mit der rechten Hand ab und dann geht es richtig zur Sache. Schnell, kraftvoll und äußerst geschickt. Und das so lange, bis einer der beiden „Kraftlackeln“ mit beiden Schultern auf dem Boden liegt. In dem Moment ist der Kampf vorbei und wer zum Schluss als einziger übrig bleibt, der darf sich „Hogmoar“ nennen.
Die Bedeutung des Wortes setzt sich aus „Hag“ (Hecke, Grundstücksgrenze) und „Meier“ (Verwalter) zusammen und bezeichnet ein altes Amt der freien Bauernschaft, das als oberste lokale Instanz bei Streitigkeiten in Grundstücksfragen galt. Inzwischen dient der Ausdruck nur noch als Ehrentitel in der Rangglerszene.
Der Ranggelsport erfreut sich in Osttirol nach wie vor größter Beliebtheit. Was nicht verwundert, denn das archaische Kräftemessen findet schon sehr lange statt. „Das Ranggeln ist der älteste Brauchtumssport im östlichen Alpenraum. Erste schriftliche Aufzeichnungen gab es bereits im Jahr 1518. Doch bereits im 13. Jahrhundert gab es mündliche Überlieferungen von Ranggel-Wettbewerben“, weiß der gebürtige Matreier Peter Steiner, der mittlerweile in Virgen wohnt.
Im Lauf der Zeit entwickelten sich in Ost-, Nord- und Südtirol sowie in Salzburg und Bayern richtige Rangglerhochburgen. Vor allem Matrei tat sich als Heimat echter „Kraftlackeln“ hervor.
Allerdings kam es bei den Wettkämpfen immer wieder zu Streitigkeiten. Da die Wettkampfregeln jahrhundertelang nur mündlich weitergegeben wurden, oblag die Regelauslegung großteils dem jeweiligen Veranstalter, der sie nicht selten so arrangierte, dass der Lokalmatador als Sieger den Platz verließ.
Aus diesem Grund arbeitete man an einer eigenen Regelkunde, die dazu führte, dass alle Ranggler in einheitlicher Kleidung auftreten und nach gewissen Regeln kämpfen.
Steiner, der in seiner Karriere als Ranggler unter anderem acht Mal Staatsmeister und neun Mal Alpenländermeister wurde, ist derzeit als Obmann des Tiroler Rangglerverbandes aktiv und freut sich sehr über das große Interesse am Ranggelsport. Auch der Nachwuchs boomt. „Die jüngsten Ranggler kämpfen in der Altersklasse von vier bis sechs Jahren“, erklärt Steiner, der betont, dass die Verletzungsgefahr gering ist. „Es gehört zwar immer ein wenig Glück dazu, aber da es beim Ranggeln genaue Richtlinien und keine Hebel oder Schmerzgriffe gibt, hält sich das Verletzungsrisiko in Grenzen.“
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