Melissa Presslaber, Freeridepionierin und leidenschaftliche Wintersportlerin aus Matrei in Osttirol, reist um die Welt, um faszinierende Berge zu besteigen, wirkt bei vielen Freeride- und Winterfilmen mit und startete auch schon bei Bewerben der Freeride World Tour. Sportlich war sie schon immer. Im Sommer wurde Tennis gespielt, unter anderem Turniere der Schülerliga Osttirol, und mit ihren Eltern war sie viel zum Klettern und Bergsteigen in den Bergen unterwegs. Mit zweieinhalb Jahren wurde Melissa von ihrem Vater, der staatlich geprüfter Skilehrer ist, auf die Ski gestellt. Mit dem Skirennsport ist sie groß geworden, sie ist viele Jahre Rennen gefahren, doch mehr Spaß fand sie immer beim Waldwegerlfahren und Schanzenhüpfen.
Melissa, wie bist du zum Freeriden gekommen?
Freeriden ist für mich die moderne Bezeichnung für das Geländeskifahren. Und dies gibt es ja schon ewig. Wir sind bereits als Kinder gerne abseits der Piste gefahren. Im tiefen Pulverschnee zu versinken war eine riesen Gaudi! Mit der Weiterentwicklung des Skimaterials war es ein natürlicher Werdegang. Vor zehn Jahren habe ich einen Winter in Colorado verbracht. Dort war es ganz normal, mit den breiten Latten im Powder zu fahren. Von da an war ich vom Virus infiziert und tauschte nur noch selten die Powderlatten gegen die Pistenski. Bei der Landesskilehrerausbildung und später bei der Staatlichen Skilehrerausbildung waren die Alpinkurse immer das Highlight. Es ist einfach faszinierend, im Gelände unterwegs zu sein.
Was liebst du am Freeriden?
Freeride beinhaltet den Begriff FREE RIDE, also ich kann entscheiden, wo ich fahren will und bin an keine Regeln gebunden. Na ja, fast keine. Denn man sollte schon beachten, dass es dort auch Grenzen gibt. Beispielsweise ein gesperrtes Waldgebiet oder ein Jungwald sind ein absolutes No-Go! Da hat niemand was verloren! Ich liebe dieses Dahingleiten im Schnee, dieses Schwerelos-Sein, den Moment zu genießen, meist weit weg von der Zivilisation. Schön, dass wir diese Möglichkeiten haben.
Mit den Skiern die Welt zu bereisen, bezeichnet Melissa als ein großes Privileg. Sie durfte bereits quer durch die Alpen, in Marokko, Indien, Norwegen, Schottland, den USA, der Mongolei und letztens in Peru unterwegs sein. Peru war bis dato sicher ein Highlight und eine große Herausforderung. „Die Zustiege, bis wir am Schnee waren, sind meist mehrere Tagesmärsche entfernt, der Aufwand extrem und in der Höhe funktioniert dein Körper viel langsamer. Die Kombination aus dem Entdecken einer fremden Kultur und dort die Berge zu besteigen, ist sehr faszinierend“, so Melissa. Sie war früher auch als Skitrainerin aktiv, heute gibt sie ihr Wissen an motivierte, junge Freerider weiter. „Mit den Freeride-Camps haben wir für FahrerInnen im Alter von 15–18 Jahren eine Möglichkeit geschaffen, dass sie mit ihren Vorbildern gratis für jeweils zwei Tage im Gelände sein können.“
Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
Je nachdem. Beim Guiden und bei den Freeride-Camps beispielsweise sieht es folgendermaßen aus: Aufstehen, frühstücken, Lawinenlagebericht lesen, ins Skigebiet fahren, mit den Kids den Lawinenlagebericht besprechen, LVS-Check, ins Gebiet fahren und dann je nach Verhältnissen entweder im Powder unterwegs sein oder irgendwo aufsteigen, die Kids über die alpinen Gefahren informieren, Line check, fahren, Spaß haben und den Tag genießen.
2013 hatte Melissa die Idee, in die Mongolei zu reisen und alles mit der Kamera festzuhalten. Dabei ist der Film Camels are never cold entstanden. „Es steckt zwar viel Arbeit dahinter, bei einer Filmproduktion mitzuwirken, doch es macht mir auch unglaublich viel Spaß!“
Was war dein liebster Film, an dem du mitgewirkt hast?
PURE von Shades of Winter. Dieser Film zeigt in einem Segment meine Solo-Besteigung der Fletschhorn Nordwand in den Schweizer Alpen. Für mich waren die Tage vor dem Dreh extrem emotionsgeladen. Es lastete sehr viel Druck auf mir.Schließlich war es meine alleinige Entscheidung, ob es in diesem Zeitfenster geht oder nicht. Passen die Verhältnisse? Soll das Kamerateam anreisen? Meine Bergpartnerin Nadine Wallner hatte sich in Alaska verletzt und so war ich auf mich alleine gestellt. Es steckt ein enormer finanzieller Aufwand in so einer Produktion. PURE war letztes Jahr die größte europäische Skifilmproduktion, mit einer reinen Mädelsbesetzung. Ein großes Privileg, da dabei sein zu dürfen.
Ganz ungefährlich ist das Ganze natürlich auch nicht. Bereits sechs Knieoperationen hat Melissa hinter sich und auch einige Bänderrisse in der Schulter. Sie ist immer aufgestanden und hat weitergekämpft.
Was war die schlimmste Situation, der du je ausgesetzt warst?
Nach der Landung auf einem Felsen habe ich mir das Knie zerfetzt. Kreuzband kaputt, Meniskus hin, Knorpelschaden. Seitdem springe ich nur mehr über kleine Felsen, ich bin ja keine 20 mehr. Gott sei dank war ich bis dato lawinentechnisch noch nie in einer brenzligen Situation und möchte das auch nie sein.
Denkst du an die Gefahren, wenn du am Berg bist?
Natürlich setze ich mich mit den alpinen Gefahren auseinander und bin mir im Klaren, dass es am Berg keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Das Interpretieren des Lawinenlageberichts und das Lesen des Geländes sind eine Selbstverständlichkeit. Achtsam, konzentriert und respektvoll draußen unterwegs zu sein, das ist meiner Meinung nach wichtig.
Wie ist es als Frau, in der eher männerdominierten Szene?
Ich finde, dass wir Frauen mittlerweile sehr gut von den Männern anerkannt sind und sie cool finden, was wir machen. Vielleicht sind wir nicht so schnell oder springen nicht so hoch wie die Jungs, aber es sollte ja auch einen Unterschied geben. Hauptsache, es macht Spaß, das ist doch am wichtigsten!
Gibt es ein eigenes Frauenteam?
Jene Frauen, die aktiv in der Freerideszene unterwegs sind, kennen sich untereinander. Wir lernen voneinander und respektieren einander.
Sandra Lahnsteiner, Produzentin der Shades of Winter-Filme hat eine Plattform für die besten internationalen weiblichen Athletinnen geschaffen, die ihresgleichen sucht. Ich bin sehr froh und dankbar, ein Teil dieser Community zu sein! Aber man sollte auch wissen, dass es so viele junge, talentierte Mädels da draußen gibt, die vielleicht nicht im Rampenlicht stehen und genauso gut oder vielleicht sogar besser sind.
Melissas neue Leidenschaft ist das Mountaineering. „Das Bergsteigen mit den Skiern ist eine natürliche Weiterentwicklung. Freeriden ist ein sehr schneller Sport, bei dem man ständig konzentriert und wachsam sein muss. Beim Skitourengehen hat man länger Zeit, sich während des Aufstiegs mit der Abfahrt und den Verhältnissen auseinander zu setzen. Die Kombination aus Skitouren gehen, an einem Grat entlang zu klettern oder eine Nordwand zu durchsteigen, macht für mich den Reiz aus.“
Im Sommer hält sich Melissa durch das Biken im Gelände fit, wo sie gerne lange und ausgedehnte Touren macht.
Der Fokus liegt auch in dieser Sportart ganz klar beim Abfahren, das heißt sie trägt das Rad viele Höhenmeter den Berg hinauf, um den Abfahrtsspaß verlängern zu können. Zusätzlich geht Melissa gerne klettern und in die Kraftkammer.
Dein Lieblingsberg in Osttirol?
„Eindeutig der Großglockner, einfach ein schöner Berg! Ich liebe meine Heimat und bin immer wieder gerne zuhause unterwegs, denn im Herzen bleibe ich Osttirolerin. Daher versuche ich auch immer wieder, hier zu sein. Entweder im Defereggental, natürlich in den Hohen Tauern oder in den Lienzer Dolomiten. Wir haben das Paradies vor der Haustüre.
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