Eine Passion, 45 Haselstöcke, drei Tage Arbeit und ein Unikat als Ergebnis.
Johann Reiter ist Korbflechter. Seine Landwirtschaft in Anras hat inzwischen sein Sohn übernommen, Körbe macht er noch immer. Das Korbflechten ist eines der ältesten Handwerke der Welt. Früher waren diese Behälter ein wichtiger Gebrauchsgegenstand in der Landwirtschaft, ständig wurden Körbe benötigt. Allein bei ihm zuhause waren mindestens fünfzehn Stück im Einsatz, erinnert sich Johann: „… für die Straue, ein Zottkorb, fürs Schaffutter, ein Holzkorb, für die Kartoffeln, zum Pflanzen (gemeint sind Jungbäume) setzen.“ So unterschiedlich sind ihre Zwecke und so kommen auch die verschiedenen Körbe in allen erdenklichen Formen und Ausführungen daher. Auch heute noch seien sie für viele Arbeiten unersetzbar.
Das Korbmacherhandwerk wird von einer Generation auf die nächste überliefert. Johann selbst erlernte diese Kunst im Alter von vierzehn Jahren von seinem Ziehvater. Dieser war Nebenerwerbsbauer und hat sein „Tabakgeld“ durch das Flechten und Flicken von Körben verdient. Das war eine Arbeit für den Winter, in wärmeren Jahreszeiten war nicht genug Zeit dafür. So saßen die beiden also oft in der behaglichen Stube – und während die Oma dort strickte und die Tante Wolle spann, stellten Johann und sein Ziehvater Körbe her. Johann erinnert sich, dass einmal ein Bauer einen großen Korb für Laub angefordert hatte: „Als der Korb fertig war, war er so groß, dass wir ihn nicht mehr durch die Stubentür hinaus brachten.“
Seit nunmehr fünfzig Jahren produziert Johann die unterschiedlichsten Körbe, manchmal mehr, manchmal weniger. Anfangs hat er ausschließlich Buckelkörbe hergestellt. Seit diese nicht mehr so oft in Gebrauch sind, nehmen seine Machwerke auch andere Formen an. Inzwischen gehe der Trend allerdings wieder etwas in die Richtung traditioneller Körbe, meint er.
Wie es der Brauch so will, werden fast alle Körbe in Osttirol aus Haselnussholz gemacht. Die Haselnuss wächst hier überall, oft muss sie sogar beim „Ausputzen“ der Felder entfernt werden – Material war und ist also reichlich vorhanden und kostet nichts. Und nur mit solchem Material konnte man früher arbeiten. Einfacher wäre die Arbeit zum Beispiel mit Weidenholz, aber die fürs Flechten geeigneten Weiden wachsen in dieser Gegend kaum – in Niederösterreich gäbe es dafür sogar eigene Plantagen. Nur bei seinen Kursen macht Johann ab und zu eine Ausnahme: dann wird die leichter zu verarbeitende Rattanpalme verwendet.
Johann kennt alle Korbmacher in den umliegenden Regionen. Mit seinen 65 Jahren ist er von ihnen der jüngste. „Mit Nachwuchs sieht es schlecht aus.“ Sohn Matthias habe zwar das Handwerk von ihm gelernt, arbeite aber sonst sehr viel. So hat er nicht die Zeit (und auch nicht die Muse) zum Korbflechten. Dabei sei die Nachfrage groß, außerdem „gibt es nichts Leichteres als Körbe machen“. Es ist keine Präzisionsarbeit, zwei Dinge braucht man aber trotzdem dafür: Zeit und Geduld. Johann wird oft zu Handwerksmärkten und Festen eingeladen, um dort seine Kurse abzuhalten. Einmal in der Steiermark, so erzählt er, haben sogar zwei Magister an seinem Kurs teilgenommen.
Magister oder nicht, wer sich schon immer einmal selbst am Korbflechten versuchen wollte, findet hier eine Anleitung.
Erstens: Den Boden vorbereiten
Zunächst werden in den Boden Löcher gebohrt. Für den Boden nimmt Johann bei Buckelkörben Hartholz (z. B. Birke oder Esche), bei Rundkörben kauft er Böden aus Pappelholz.
Zweitens: Die Kopfrippen herstellen
Mit dem Reifenmesser werden die Haselnussstecken gespalten und geputzt. Die Schnitzbank ist über hundert Jahre alt, Johann hat sie von seinem Großvater geerbt. Die Rippen werden abgegratet, damit das Flechten leichter geht. Dann wird der Boden auf ein Untergestell gelegt und die Rippen in die vorher gebohrten Löcher gesteckt.
Drittens: Das Flechtwerk
Das Vorbereiten der „Schienen“, wie das Flechtwerk im Oberland genannt wird, ist laut Johann fast die halbe Arbeit. Mit Großvaters Schnitzmesser werden die Stecken einmal zwei Millimeter eingeschnitten, dann mithilfe einer eigenen Vorrichtung gebogen. Beim Biegen werden die Schienen abgeschält. Zum Schluss werden sie mit dem Schabhobel geputzt.
Viertens: Zeit zum Flechten
Dann wird geflochten. Die Rinde bleibt übrigens an einigen Schienen dran, weil so ein schönesMuster entsteht. Allerdings wird großteils ohne Rinde geflochten. Ist zu viel Rinde dabei, besteht nämlich Holzwurmgefahr.
Fünftens: Der Kranz
Der Kranz ist die letzte Arbeit beim Korbmachen. Dazu wird ein halber Stecken mithilfe einesgroßen Eisenrings, an dem er ein paar Tage befestigt wird, in Form gebracht und anschließend eingebunden. Ein guter Rat des Experten: „Damit nichts bricht, braucht man Erfahrung und Geduld und darf nicht gleich alles hinschmeißen.“
Sechstens: Endlich, tadaaaa!
Was für ein schöner Korb! Und nicht nur schön, auch stabil sind die Behälter. Johann weiß: „So ein Korb hält viel aus – wenn man auf ihn aufpasst, hat man ihn in 30 Jahren immer noch.“
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