„Das fühlt sich sehr frei an“
„Das fühlt sich sehr frei an“
Linda Steiner malt auf dem iPad, auf Leinwand und auf Hausfassaden, plakativ, provokant, sozial engagiert – und am liebsten sich selbst.

Linda Steiner muss man den Leserinnen und Lesern von Dolomitenstadt eigentlich nicht vorstellen. Exakt hundert Porträtstudien von Studierenden zeichnete die aus Dölsach stammende Künstlerin für eine Interviewserie mit dem Titel „Heimweh“. Die Porträts entstanden in einem Zeitraum von drei Jahren und wer sie genau betrachtet, sieht neben viel Talent auch eine Metamorphose. Linda Steiner reift künstlerisch heran, lenkt ihr überschäumendes Talent in Bahnen und lässt erstmals einen kreativen Fußabdruck erkennen, der ihre eigene Künstlerpersönlichkeit buchstäblich in den Mittelpunkt rückt.

Nicht verleugnen kann die aus Dölsach stammende und in Wien lebende Künstlerin ihre Ausbildung an „Der Grafischen“ und die Einflüsse der quirligen Wiener Szene, in der Protagonisten wie Frau Isa oder Boicut die Grenzen zwischen kommerzieller Grafik und illustrativer Kunst völlig stressfrei überschreiten. Neu ist dieser Grenzgang nicht. Popartisten wie Roy Lichtenstein oder Keith Haring lassen grüßen. Rein plakativ oder gar dekorativ ist Linda Steiners Arbeit aber keineswegs. Ihre Arbeiten sind durchdrungen von einem erkennbaren Wertesystem. Zum einen versteht sie ihre Kunst als soziales Engagement und setzt Gesellschaftskritik auch aktionistisch ein, etwa im Rahmen der Ausstellung „Auf Augenhöhe“, bei der sie die Gesichter von Obdachlosen zeigte und die Porträtierten nicht nur zur Vernissage einlud, sondern auch am Verkaufserlös beteiligte.

Das gemalte Alter Ego der Künstlerin ...
... und ihre ganz persönlichen Dämonen.

Zum anderen ist Steiners Kunst unübersehbar feministisch, ohne dass die Künstlerin es nötig hätte, hier auf die üblichen Platitüden zurückzugreifen. Im Gegenteil. In der Inszenierung ihres eigenen Frauseins spürt man eher Einflüsse der großen Maria Lassnig, die zu Linda Steiners künstlerischen Vorbildern zählt und in ihrer Malerei nicht nur die weibliche Position in der Gesellschaft reflektiert, sondern auch den Einfluss des weiblichen Körpers auf Lebensentwurf und Biographie einer Künstlerin offen darstellt.

Linda Steiner übersetzt dieses Thema ebenso humorvoll wie provokant in ihre eigene Selbstreflexion. Ihr künstlerisches Alter Ego stellt sie nicht als klassisches Selbstporträt dar, sondern eher als eine Kunstfigur, eine Heldin, die das eigene Selbst widerspiegelt und auch den Dämonen im Leben der Künstlerin einen Platz auf der Leinwand einräumt. Warum sie sich vorwiegend selbst malt, erklärt Steiner in einem Videointerview so:

Handwerklich betrachtet ist Linda Steiner ein typisches Kind ihrer Zeit, geboren 1993 und aufgewachsen als „Digital Native“, ist auch ihre Kunst geprägt von einem Werkzeugmix, der völlig ungezwungen zwischen Sprühdose, Kreide, Acrylfarbe und iPad pendelt. Digital Painting hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, befeuert durch die Möglichkeiten aktueller Tablets, die nicht nur neue kreative Welten erschließen, sondern auch das Thema Reproduzierbarkeit neu definieren.

Linda Steiner arbeitet in einem Gruppenatelier in Wien.

Parallel dazu fällt auf, das die meisten Vertreterinnen der jungen digitalen Kunst auch lustvoll in analoge Bildwelten eintauchen und dabei auch nicht vor den größtmöglichen Formaten zurückschrecken, Kunst im öffentlichen Raum in Dimensionen, die an die Freskenmaler früherer Zeiten erinnern.

Linda entfaltet ihr kreatives Universum einerseits auf Instagram – wo sonst – und baut dort ihr Oeuvre sehr stilsicher und lustvoll aus, mit einem Mix an Techniken, vom Textildruck über Holzschnitte bis zu großformatigen Acrylbildern und aktionistischer Straßenmalerei. Im Kollektiv mit ihren Atelierkolleginnen bemalt Steiner mit Vorliebe großflächige Stadtmauern und hat auch dafür eine schlüssige Begründung:

„Straßenkunst ist sehr frei. Es ist Kunst, die für jeden zugänglich ist und sich dem Kunstmarkt entzieht. Man kann ein solches Kunstwerk nicht haben, erwerben oder schützen. Es ist meist relativ kurzlebig, vor allem auf öffentlichen Wänden. Oft mache ich mir zuviel Gedanken, was künstlerisch gut ankommt oder gekauft werden könnte, weil ich ja auch von etwas leben muss. Doch die Streetart ist nur für mich. Das fühlt sich sehr frei an.“

Großformatiges Mural in Wien. Auch in Lienz, Innsbruck und Bozen sind großformatige Streetart-Bilder geplant. Passende Wände werden noch gesucht.

Gemeinsam mit zwei Künstlerkolleginnen möchte Linda Steiner auch in Lienz großformatige Spuren hinterlassen. Derzeit ist sie mit Hilfe von Dolomitenstadt auf der Suche nach einer geeigneten Wand. Auch in Innsbruck und Bozen sind ähnliche Streetart-Performances geplant. Und die Zukunft, wie könnte die aussehen, fragen wir die Künstlerin? Ihre Antwort ist unmissverständlich: „Ich würde gerne von meiner Kunst leben können.“

Eine großformatige aktuelle Arbeit und weitere Details über die Künstlerin präsentieren wir im Dolomitenstadt-Kunstshop.

Sun Lovers, 2019, 120 x 130 cm, Acryl auf Leinwand. Foto: Linda Steiner
Credits

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RJMoses
vor 6 Jahren

Hallo Linda! Freut mich wieder von dir zu lesen. Ich hätte geeignete Wandflächen, damit du deine Street Art Bilder platzieren könntest. Lg

 
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