Sie sind weder krumm noch gelb und schmecken auch nicht saftig oder süß, die Bananen auf den Märkten Ugandas. Doch Matooke, eine grüne Sorte mit fadem, weißem Fruchtfleisch, hat das Zeug zum Nationalgericht.
Kate Kayongo steht vornüber gebeugt vor ihrem Holzkohleöfchen. Mit spitzen Fingern nimmt sie die weichen, braun gewordenen Blätter ab, die den dampfenden Brei bedecken. Vorsichtig rührt sie die Masse mit einem großen Holzlöffel um, dann sticht sie mit einem kleinen Plastikteller Portionen aus. Auf Ugandas Speiseplan steht täglich Matooke, ein dicker Brei aus Kochbananen. Die Heimat der Banane, die botanisch gesehen eine Beere aus der Familie der Musaceen ist, liegt in Südostasien. Vor mehr als 2000 Jahren brachten arabische Händler Bananen nach Afrika, wo sich die Staude, die im Grunde nur aus Blättern mit steifen Blattscheiden im unteren Bereich besteht, klimatisch sofort wohlfühlte und vermehrte. Wenn die Staude ein halbes Jahr alt ist, bildet sie einen Blütenstand aus, der ein einziges Büschel Bananen von bis zu 50 kg hervorbringt. Geerntet wird, bevor die Früchte reif sind. Die Staude stirbt ab. Gleich beim Eingang zum Markt von Bugolobi liegen hunderte Büschel der Ostafrikanischen Hochlandbanane – Matooke – aufgereiht. Sie sind über Nacht aus dem Südwesten des Landes angereist und wurden im Morgengrauen an die Märkte der Stadt ausgeliefert. Hügel an Hügel reiht sich zwischen Mbarara und der Grenze zum Kongo, Garten um Garten überzieht jeden Hügel.
Es sind Süßkartoffeln und Cassava, Gemüse und Bohnen, vor allem aber Matooke, die die Kleinbauern hier anbauen, oft nicht mehr, als die Familie zum Überleben braucht. Manchmal reicht es auch zum Verkauf auf dem Markt. Uganda produziert auf diese Weise fast 10 Millionen Tonnen Bananen pro Jahr. Dessertbananen (Cavendish), das süße, gelbe Obst, das wir kennen, macht einen verschwindend geringen Anteil aus. Auch die Mehlbanane (Plantain), die im Westafrikanischen Tiefland nicht vom Speisezettel wegzudenken ist, fällt nicht ins Gewicht. Es ist die Kochbanane, die zu Buche schlägt und Uganda zu ihrem weltgrößten Produzenten macht – nicht für den Export nach Europa, sondern als Grundnahrungsmittel für die eigene Bevölkerung. Dunkelgrün, mit dicker Schale, dicht zusammengedrängten „Fingern“ und „Händen“, wie die Anordnung der Früchte im Büschel genannt wird, ist Matooke kein besonders appetitanregender Anblick. Ihre Stärke ist die Stärke. Speisestärke. Matooke ist kein Obst, sondern ein Gemüse. Die Kostprobe bestätigt: schmeckt wie roher Erdapfel, nur trockener. Und sie kann mehr als jede süße Frucht: 70 Prozent der Ernte wird zu Mehl, Chips, Suppen Saucen, hauptsächlich aber zu Katogo und Matooke verkocht. Aus 30 Prozent wird Bananenbier gebraut. Ihre Blätter schützen die Büschel beim Transport auf dem Fahrrad und würzen den Brei, sie geben Material für Postkarten und Kuverts, Matten und Handtaschen.
Kates Topf steht schon lange auf dem Feuer der Markt-Küche. Sie hat das Büschel um 20.000 Uganda-Schilling (etwa sechs Euro) gekauft, in „Hände“ zerlegt, die einzelnen Früchte geschält und den Alu-Topf mit Bananenblättern ausgelegt. Darin garen langsam die Kochbananen mit wenig Wasser. In einem kleineren Geschirr hat sie Zwiebeln angeröstet und Kutteln oder Schlachtabfälle abgebraten. Einen Teil des noch bissfesten Bananen-Gemüses wird sie darin schwenken, mit Salz abschmecken und ihren Lieferanten als Katogo-Frühstück servieren.
Die Köchin stammt aus Nyakasharu, wo die kleinen Bananengärten an die Teeplantagen nationaler und internationaler Konzerne grenzen. „Ich wurde im Hain geboren, und dort werde ich auch begraben“, beginnt und beendet die einfache Frau ihren Lebenslauf. Dazwischen kocht sie das ugandische Nationalgericht. Was sie nicht zu Katogo verarbeitet, dämpft weiter vor sich hin. Stundenlang. Die klassische Matooke ist am Ende klumpig und klebrig in ihrer Konsistenz. Mit dieser Masse deckt die Bevölkerung Ugandas 35 Prozent ihres täglichen Kalorienbedarfs. Fleisch, Huhn, Fisch – immer in einer Soße mit Zwiebeln und Tomaten gedünstet, Spinat, Bohnen und dicke, duftende Erdnusssoße sind hier nur Beilage.
Statistisch isst jede Uganderin und jeder Ugander 300 kg Matooke im Jahr. Schmeckt sie auch? „We love Matooke too much!“, schwärmt Kates Tochter Sharifa, die die Gäste der Garküche mit Pepsi und Fanta versorgt. So, wie wir zu jeder Tages- und Nachtzeit Brot essen können, essen Ugander Matooke. Dreimal am Tag, bestmöglich. „Ich bring‘ die Pampe nicht runter“, klagt meine Tochter. „Das pickt am Gaumen und schmeckt wie Kotze!“ In der Tat ist das leicht Säuerliche der einzige Geschmack, den das Gericht bieten kann; auch gesalzen ist sie nicht. Obwohl Afrika ein Drittel des weltweiten Bananenbedarfs produziert, gelangen nur vier Prozent in den Welthandel. Rund um den Globus werden 1000 Sorten Bananen in 100 Ländern kultiviert. Während in Afrika Bananen die Hauptmahlzeit darstellen, sind sie in anderen Ländern ein Faktor der Exportwirtschaft. In Mittel- und Südamerika, wo die meisten Bananen für den Welthandel produziert werden, wurde die Frucht erst im 16. Jahrhundert eingeführt. Heute hat sie großen Anteil am Arbeitsmarkt – in Ecuador hängen ein Drittel aller Arbeitsplätze vom Bananenanbau und -handel ab – und am Bruttonationaleinkommen. Aus Mittelamerika kommen auch die Bananen in Österreichs Supermärkten.
Uganda ist stolz auf seine Matooke. Aber die Zeiten, die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse ändern sich. Die aufstrebende Mittelschicht hat keine Zeit mehr, stundenlang im Brei zu rühren. Sie will an die globale Gesellschaft anschließen und die Annehmlichkeiten der schnellen Küche genießen. Im privaten Haushalt lässt sich Reis viel länger lagern und muss nicht aufwendig geschält und ewig gekocht werden. Reis und Pommes Frites haben die Matooke auch von den Speisekarten vieler Restaurants verdrängt. Der ugandische Bauer und Kolumnist Andrew Ndawula Kalema wirft einen Blick in die Zukunft: „Wird es bald Ready-to-go-Matooke in den Fast Food Ketten geben? Kochbananen-Fertigmehl und vorgekochtes Bananenpulver, das man nur noch mit heißem Wasser anrühren muss?“ Wie auch immer die Moden, die Ansprüche und die Lebensmitteltechnologie sich entwickeln mögen: Uganda wird seine Matooke nie ganz aufgeben. Davon ist er fest überzeugt.
Petra Navara |
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Petra Navara, 1963 in Lienz geboren, studierte Ethnologie und Afrikanistik in Wien. Sie arbeitet seit mehr als 20 Jahren an Entwicklungsprojekten, war Geschäftsführerin bei Horizont 3000 und leitete die Arbeitsgemeinschaft Globale Verantwortung. Derzeit lebt Navara mit ihrer Familie in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. |
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