Mit 50+ ein StartUp zu gründen ist ungewöhnlich. Ulrike Ischler hat den Schritt gewagt und sich einen der am härtesten umkämpften Märkte überhaupt ausgesucht: die Kosmetikbranche. Dennoch glaubt die Marketingexpertin an den Erfolg ihrer eigenen Produktlinie „My Salifree“ und hat dafür ein gutes Argument: Ihre eigene Haut.
Ulrike Ischler ist Jungunternehmerin mit 50-Plus und fühlt sich in dieser Rolle sichtlich wohl. Die Mutter eines fast erwachsenen Sohnes hat Jahrzehnte an beruflicher Erfahrung und einen Lebensweg voller Karrieresprünge, Wendungen und Neustarts hinter sich. Ischler hat in großen Konzernen gearbeitet, in der Pharmaindustrie, als Marketing-Fachfrau und in der Personalberatung – immer auf hohem Niveau, immer mit viel Verantwortung und immer mit einem Engagement, das gute Manager und Managerinnen ausgezeichnet.
Die Betriebswirtin, die in Lienz aufgewachsen ist, lebte in Wien und in Deutschland, zog mit ihrem damaligen Ehemann zur Jahrtausendwende nach Osttirol zurück und erlebte eine Überraschung: „Mein Know-how war vor Ort einfach nicht gefragt und wenn, dann eher missionarisch. Honorarforderungen lösten blankes Erstaunen aus.“ Ischler pendelte nach Spittal, betreute dort ein Industrieunternehmen, schlug aber keine Wurzeln in Osttirol und zog zurück nach Wien. Sie stieg als Senior Consultant bei Neumann & Partners ein. „Ich hatte seit jeher viel mit Personalmanagement zu tun, vor allem in der Pharmabranche.“ Genau dieses Know-how öffnete der Osttirolerin 2008 eine neue Tür. Christoph Böhringer holte sie in seinen Konzern, Böhringer Ingelheim. Sie baute die Österreich-Niederlassung der Konzerntochter „Mediatum“ auf, einem Executive-Search-Unternehmen, spezialisiert auf die Suche nach Führungskräften im Bereich Life Sciences, Pharma und Biotechnologie. Alles lief wie am Schnürchen – und dann kam der Knick.
„Pivot“ nennen das die Amerikaner, wenn sich plötzlich alles zu drehen beginnt und das Leben eine völlig überraschende Wendung nimmt. Ischler warf den Job bei Böhringer hin und änderte ihr Leben. „Es gab zwei Gründe“, erzählt sie. Zum einen konnte sie ihre Vorstellungen von nachhaltiger Unternehmensführung bei Böhringer nicht durchsetzen, hatte die Mediatum auf Erfolgskurs, war selbst zu zehn Prozent an der Firma beteiligt, aber nicht glücklich. Es kam zum Bruch. Noch viel entscheidender und ein echter Wendepunkt in ihrem Leben war aber eine Diagnose, die kein Unternehmen sondern sie selbst betraf: Fibromyalgie. Ischler erfuhr, dass sie an einer chronischen und unheilbaren Erkrankung leidet, schmerzvoll und erschöpfend.
Die quirlige Mangerin musste plötzlich Grenzen akzeptieren, nicht nur leiser treten, sondern mit erzwungenen Auszeiten leben – und gerade deshalb völlig neue Pespektiven entwickeln. Sie tat das auf die ihr eigene Art, gründete eine Selbsthilfegruppe, las sich ein, nahm die Krankheit genauso als Herausforderung, wie in den Jahren zuvor die Maganementziele der Unternehmen, in denen sie tätig war. „Ich habe mich zurückgezogen, wollte gesundheitlich auf die Beine kommen und etwas Authentisches machen.“
Wer Fibromyalgie googelt wird schnell begreifen, dass gegen diese zermürbende Krankheit eigentlich kein Kraut gewachsen ist und doch fand Ulli Ischler für sich ein Gegenmittel: „Bei meiner Krankheit kann die Schulmedizin kaum etwas bieten. Ein amerikanischer Endokrinologe hat eine Therapie entwickelt, die mir sehr gut hilft. Es geht vorwiegend um die Ausscheidung von Phosphaten. Wenn man diese Therapie macht, muss man einen bestimmten Stoff in der Kosmetik vermeiden, sogenannte Salicylate, Pflanzenbestandteile, die in der Kosmetik als Konservierer eingesetzt werden.“
"In Kosmetik ist viel drin, was man als Kranker nicht wahrnimmt und als Gesunder nicht akzeptieren sollte."
Jetzt ist Ischler auf dem Punkt, bei ihrem Thema, dem Kern ihres neuen, bislang spannendsten beruflichen Experiments. „Ich habe keine Kosmetik ohne Salicylate gefunden, zwei Produkte in Amerika waren weit entfernt von biologischen Standards.“ Das war es! „Ich bin daheim gesessen, hatte Zeit, und ich brauche etwas, für das ich brennen kann.“ Ulli Ischler entwickelte „Mysalifree“. Von der Idee Anfang 2013 bis zur Umsetzung verging kaum ein Jahr.
hre Fähigkeiten als Managerin und die direkte Betroffenheit durch die eigenen Krankheit ließen eine Kosmetiklinie entstehen, die tatsächlich einzigartig ist. „Im Zuge der Recherche bin ich draufgekommen, dass in Kosmetik so viel drin ist, was man als Kranker nicht wahrnimmt und als Gesunder nicht akzeptieren sollte. Ich war fassungslos, dass es das noch nicht gibt.“ Wenn, dann soll die neue Kosmetiklinie gleich frei von allem sein, was Allergien hervorrufen kann und frei von allen Inhaltsstoffen, die als bedenklich diskutiert werden.
„Ich bin in Drogerien gestanden, eineinhalb Stunden, und hab mir die Inhaltstoffe angeschaut. Da steht ja nicht Salicylate und außerdem kann man das meiste nicht lesen.“ Deshalb stehen die Inhaltstoffe von Mysalifree weitgehend mit deutschen Namen und so groß auf der Packung, dass man auch ohne Lupe schlau wird.
Der erfahrenen Pharmamanagerin war immer klar, in welchem Teich sie schwimmt:. Freunde warnten sie: „Du brauchst Millionen, damit du auf dem Kosmetikmarkt überhaupt aufpopst“. Aber in jedem Biotop gibt es auch Plätze für die Kleinen. Nischen. Und so eine Nische sind Ischlers Produkte, wenngleich sie und ihr Lebensgefährte Jörg Schaden mit einem Augenzwinkern einräumen, dass die Nische gar nicht so klein sei. Immerhin liegt die Allergikerrate bei 30 Prozent.
Ischler hat die Rezepte selbst entwickelt, eine Kosmetiklinie ohne ätherische Öle, ohne Farb- und Duftstoffe. „Alle haben gesagt, ohne Duftstoffe, das verkaufst du nie.“ Umfragen und Tests belegten das Gegenteil. Ischler machte weiter, suchte und fand einen Produzenten in Österreich, ein kleines Unternehmen in Bischofshofen, spezialisiert auf Naturkosmetik, das ihren Qualitätsvorstellungen entsprach. My Salyfree ist bioozertifiziert nach dem österreischischen Lebensmittelbuch, ein seltenes Prädikat.
Im Juni 2014 starteten Ischler und Schaden mit dem Vertrieb, zunächst über das Internet, ausgewählte Apotheken und Naturkosmetik-Fachgeschäfte. Sie arbeiten mit Dermatologen zusammen die Mysalifree empfehlen. Der Weg ist noch weit. das weiß Ulli ischler: „1380 Apotheken gibt es in Österreich, zehn Mal so viele in Deutschland, wirklich professioneller Vertrieb geht sich derzeit finanziell noch nicht aus, wir nutzen Naturkosmetikblogs, sind auf Allergie-Messen, in Allergie-Hotels und spezialisierten Kliniken. Das Potenzial ist groß.“
Wie groß, das zeigt eine Anfrage aus ganz unvermuteter Richtung. Ausgerechnet das konservative Saudi Arabien könnte für My Salyfree zu einem Hoffnungsmarkt werden: „Man ist an uns herangetreten, weil es im Land keine eigene Kosmetikproduktion gibt und Pilger nach Mekka und Medina nur Pflegemittel verwenden dürfen, die den strengen Vorschriften entsprechen und frei von Duftstoffen sind. Kontakte gibt es bereits.“
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