Gleichgültig, ob Kinder kommen und schüchtern um „a Sackl Makkaroni“ fragen, eine alte Frau um eine Kostprobe bittet oder ihm jemand sein Herz ausschüttet, Edi Glanz weiß Rat, mit großem Herzen. Sollte er einmal nicht weiter wissen, ist seine Frau Margit zur Stelle und übernimmt den Fall. Man kann bei den beiden aber auch einfach Maroni essen und feinen Landwein oder Prosecco trinken.
Es ist der Treffpunkt schlechthin – und das jede Maronisaison aufs Neue. Nirgendwo sonst herrscht so buntes Leben in der Stadt, denn hier mischt sich, was gesellschaftlich oft nicht zusammen geht. Wer würde nicht gerne hier stehen, ein bisschen zuhören, ein bisschen loswerden und in der Leichtigkeit versinken, die das Standl umgibt? Es herrschen Heiterkeit und die Kunst, über das Leben zu lächeln. Nichts anderes wollte man bei Edi und Margit Glanzl erwarten.
So manches politische Gespräch findet hier statt, wahrscheinlich wird die eine oder andere Entscheidung hier getroffen, so manche neue Bekanntschaft geschlossen, Stress vergessen und schließlich fand hier schon die eine oder andere Affäre ihren Ausgangspunkt.
Margit und Edi wüssten viele Geschichten zu erzählen, doch es gehört zu ihrer Art, zu manchen Dingen zu schweigen und mit den Kunden zu lachen. Jede Menge Neuigkeiten und Klatsch erfährt man hier dennoch, auch das bestimmt das lockere Miteinander am Stand. Wer nach dem Grund für die besondere Atmosphäre fragt, wird von Edi auf die Herkunft des Standls verwiesen. Dieses ist über 100 Jahre alt und stand lange ungenützt im Stegergarten. Die Stadt baute Fenster in die Gartenlaube ein und machte sie wetterfest. „Im normalen Leben“, wie Edi es ausdrückt, steht das Standl im Bauhof, doch etwa drei Monate pro Jahr hat es die Ehre, das Zentrum der Stadt zu bilden.
„Es ist halt relativ günstig gelegen. Meist sind ein paar Bekannte hier – so groß ist Lienz ja nicht“, ist Edis lapidare Erklärung, ehe er hinzufügt: „Mich freut am meisten, dass wir so bunt gemischt sind, viele Kinder und die sogenannte Stadtprominenz. Insgesamt lauter nette Leute.“
Die Kinder werden als Lieblingskunden behandelt: „Am nettesten ist, wenn die Kinder, die grad über das Brettl rausschauen können, sagen: ‚Bitte a Sackl Makkaroni!’“
Edi hat ein liebes Wort für jeden, die Kleinen, die Jugendlichen sowie die leicht verwirrte Alte, die um eine Kostprobe bittet und sich vor dem Dritten Weltkrieg fürchtet. Daraufhin meint er: „Siehst du, es ist gut, dass Maroni auch viel Serotonin enthalten, das hilft bei Depressionen.“ Und schon kommt dieses Edi-Lachen hervor, das häufig über den Johannesplatz schallt.
Die Maroni stammen aus dem Piemont. Wie viele davon pro Saison zu schneiden sind, beantwortet Edi nicht: „Ich weiß nur, dass ich in der ersten Saison drei Paar Handschuhe verschlissen hab’, inzwischen hab’ ich schneiden gelernt, ohne mich dabei umzubringen. Nach dem ersten Sack bekommst du ziemlichen Muskelkater, aber inzwischen ist das fast schon Meditation.“ Manchmal bringen ihm aufmerksame Kunden ein neues Messer vorbei, er hat eine ganze Schublade davon.
Dabei kamen Edi und Margit durch Zufall zum Maronistand. 15 Jahre lang waren sie für die Modebranche zwischen Wien und Genf unterwegs. Edi sieht den Beginn der beruflichen Veränderung in der Kurzfassung so: „Ernst Joast hatte diesen Stand und hat ein Südtiroler Mädel reingestellt, das selbst so viel Glühwein trank, bis sie nicht mehr rechnen konnte. Margit hat damals in der Bäckerei ausgeholfen und wurde gefragt, ob sie nicht jemanden wüsste.“ Edi kam ins Spiel und übernahm den Stand nach zwei Jahren selbst. Das liegt drei Jahre zurück.
Wie das hier so ist, folgt eine Geschichte: „Ich hab‘ ja damals nicht gewusst, dass man mit diesem Standl quasi eine Fabrik kauft!“ Dann erzählt er in schillernden Farben, wie er plötzlich eine Gewerbeberechtigung benötigte und diese bekam, weil er als Jugendlicher so nebenbei im Café Central gearbeitet und irgendeinen Kurs besucht hatte. Dann brauchte er noch eine Betriebsstättengenehmigung: „Kein Spaß, dann kamen drei Leute von der Behörde mit diesem Lasermesser, maßen die 2×2 Meter und nahmen 180 Euro, damit das offiziell ist.“
Einen Teil des Projektes verdanken sie Ernst Joast, bei dem das Geschirr gewaschen und die Toilette benutzt werden darf. Das ermöglicht richtige Gläser, was wesentlich zum Ambiente beiträgt. Im Gegensatz zum Geschichtenerzähler Edi mag seine Frau Margit, die aus Schlaiten stammt, das Understatement. Frühmorgens räumt sie auf, um etwa 13 Uhr richtet sie alles mit viel Liebe her. Edi sagt, er hielte derweil seinen Mittagsschlaf. Lassen wir das so stehen.
Nach dem Ursprung der Dekoration gefragt, sagt sie: „Es braucht nicht viel, die Hütte ist an sich schon schön.“ Den Erfolg führt Margit auf ihren Mann zurück: „Die Leute kommen, weil Edi eine Quatschtante ist und zuhören kann.“ Er wiederum bezeichnet sie als die Seele des Projektes und hat damit mehr als recht. Nicht selten werden sie darauf angesprochen, ein Ganzjahreslokal in Lienz aufzumachen, man würde ihnen die Türe einrennen – doch die beiden kostet das einen Lacher.
Viel zu stark ist ihr Hang zum Nomadischen und zur Freiheit. Edi formuliert es so: „Nach drei Monaten passt das Aufhören ganz gut, dann hat man mit allen alles besprochen und kennt das Leben der anderen wieder. Sie wiederum haben sich mit der Esserei der Maroni und mit der Prosecco-Trinkerei aufgeopfert.“ Das Maronistandl ist bis Jänner offen, dann fahren die Glanzls für vier Monate nach Mallorca, wo Edi als Fahrrad-Guide für den größten Radverleih der Welt arbeitet.
40.000 Gäste sind zu versorgen, sagt Edi: „Da bin ich einer von vielen, die mit den Leuten durch die Gegend fahren, auch mit dem österreichischen Damenskiteam. Da muss man schon ein bisserl fit sein.“ Margit arbeitet derweil in der dazugehörigen Boutique. Wie gerne sie wirklich in der Februarkälte auf der windigen Insel sitzt, bleibt offen, denn es ist offensichtlich, dass sie es auch für Edi tut und dass sich die Frage für die beiden ohnehin nicht stellt, denn sie machen ihre Dinge gemeinsam – und das schon seit vielen Jahren. „Die eine Tür geht zu, die andere auf“, benennt es Margit und sagt: „Für nächstes Jahr haben wir schon wieder unterschrieben.“
Edi wollte ursprünglich nur einen Urlaub auf Mallorca buchen und sah, dass man sich bewerben könne. Sie hatten Zeit, also nahm er den Job an. „Ich könnte es mir aber nie ganzjährig dort vorstellen!“ Dann zeigt er auf den Ederplan, den man vom Standl aus sieht: „Schau einmal an! Das ist jetzt die beste Jahreszeit.“ Die Berge braucht er auch als Training für Mallorca, denn er fährt dort 10.000 Kilometer pro Saison. „Vormittags ein bissl Bewegung und nachmittags ein bissl Small-Talk“, nennt er die Zeit im Herbst und wenn es eine stillere Minute gibt, erzählt er Geschichten vom Johannesplatz, von den Geschäften, die früher Wohnungen waren, oder von einer ehemaligen Kirche. Gehört hat er das von einem Stammkunden.
„Jeder Tag hier ist irgendwie neu“, schwärmt er und wüsste zu jedem Kunden ein G’schichterl. Indiskretionen allerdings begeht er maximal als Scherz, der bei den Kunden sowieso im Prosecco oder Landwein versinkt. Jede Geschichte, sie mag noch so tragisch sein, endet bei den beiden mit einer Pointe und Leichtigkeit. „Die Banalitäten des Lebens, die weiß ich schon alle“, sagt Edi. Nur sonntags lässt er die aus, denn da ist geschlossen –„wegen Burn-out-Gefahr“.
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