Wenn Gernot Madritsch über den 360° Skyline Trail Osttirol spricht, ist er nicht zu bremsen. Das gilt auch für die Art, wie er sich durch die Berge bewegt. Madritsch hat Ausdauer. Sieben Jahre arbeitete er mit dem „Ideenforum Osttirol“ an der Umsetzung einer geschlossenen Wege- und Hüttenkette auf der kreisförmigen „Skyline“ entlang der Grenzen Osttirols. Für Flachländer: Bei diesem Weg geht man fast immer auf dem Grat der Berge und umrundet dabei den gesamten Bezirk. Das dauert Wochen, auch wenn man Gernot Madritsch heißt und zu jenen Alpinsportlern zählt, deren Wadenmuskeln offenbar niemals sauer werden.
In neun Abschnitte gliedert sich die hochalpine Umrundung Osttirols, durchführbar in 33 eisfreien aber anspruchsvollen Wanderetappen. Ein paar Urlaubstage sollte man noch übrig haben, wenn man dieses Unterfangen in Angriff nimmt.
Auf einen Streich funktioniert das sowieso nicht, es ist – wie so vieles am Berg – ein Aufbruch zu einem großen Ziel, ein Weg, der ab dem ersten Schritt zum Vorhaben wird, zur Mission, die vollendet werden will. Darin liegt der Zauber der Berge und der Weitwanderwege, es ist das Gehen als Metapher für das Leben selbst. So gesehen bietet der 360° Skyline Trail eine Herausforderung für Jahre. Die volle Drehung zu vollenden ist nicht nur bergsportlich gesehen eine Leistung, sondern auch ein Durchschreiten von Natur- und Kulturräumen von geradezu archaischer Schönheit. Das ehemalige Frontgebiet am Karnischen Kamm, die Schmugglerwege durch die Villgrater Berge, der Nationalpark, der Großglockner, die steinernen Jagdhaus-Almen und die größten Zirbenbestände im Ostalpenraum – der Skyline Trail hat nicht nur geografisch 360 Grad, auch thematisch ist er eine fast volle Drehung durch die Geschichte und die Geschichten der Bergwelt Osttirols.
Der Weitwanderweg verläuft zu 95 Prozent auf Pfaden und zu zwei Dritteln im Nationalpark. Profitieren sollen die Schutzhütten, die großteils dem deutschen und österreichischen Alpenverein gehören und insgesamt 3.000 Betten anbieten. Das klingt viel, ist aber angesichts der Distanz und der fast unendlichen Weite der Osttiroler Berglandschaften wenig. Man wird hier nie in Scharen gehen, sondern wie meist auf diesen hoch gelegenen Pfaden einen entgegenkommenden Wanderer mit Freude begrüßen, als Gleichgesinnten. Noch einer, der weiß, wo die Welt tief in ihren Fundamenten ruht. Die Hüttenkette des 360° Trails haben Madritsch und seine Helfer sehr sorgfältig aufgefädelt, doch lückenlos war das mit bestehenden Unterkünften nicht zu machen. Zumindest ein Biwak war nötig, um den Ring zu schließen. Und was für eines! Es ist das mit Sponsorenhilfe erbaute Biwak am Schwarzsee. Schindeln an den Hüttenwänden tragen die Namen der Spender. Ihr Einsatz hat sich gelohnt. Die beiden Biwakhäuschen hoch über den Villgrater Almen stehen in einer Landschaft, „die fast ein bissl außerirdisch ist“, wie Heli Pramstaller, Bergsportler und „Snowboard-Legende“ es ausdrückt. Er trifft den Nagel auf den Kopf. Außerirdisch ist das beste Attribut für diesen Ort, an dem man findet, was die Welt sonst nur noch selten zu bieten hat: Ehrfurcht. Leo Baumgartner, der „Locationscout“ und auch einer, der jeden Stein der Osttiroler Berge kennt, hat die Regeln aufgestellt, nach denen dieser Platz gefunden und gestaltet wurde: Es sollte ein „vollkommenes Nachterlebnis“ sein, nur möglich dort, wo keine künstliche Lichtquelle zu sehen ist, nicht das fernste Leuchten einer Bergstation, nur Mond und Sterne. Bei Tag sollte man sich um die eigene Achse drehen können, 360 Grad eben, und ein Bergpanorama der Sonderklasse sehen. Auch das bietet dieses Biwak, 28 Gipfel kann man zählen in diesem Kreis. In 45 Minuten ist man auf der Riepenspitze und blickt in die unendliche Weite, kaum zehn Minuten sind es hinunter zum See, in einem Szenario wie aus dem Herr der Ringe, urtümlich, archaisch, gleichzeitig atemberaubend und befreiend. Das hier ist ein Sehnsuchtsort, soviel steht fest und wer ihn finden will, sollte sich vorbereiten, mental, körperlich und organisatorisch.
Ein Biwak wie dieses hat keine Heizung, keine Decken und keine Kochgelegenheit. So wollen die Erbauer Daueraufenthalte verhindern. Hierher sollen nur jene kommen, die weit und weiter gehen. Es gibt gute Matratzen, Hüttenschuhe, ein WC und Sitzbänke an den Hüttenwänden. Zwei Quellen liefern glasklares, eiskaltes Wasser. Jeder Schluck ist köstlich und kostbar. Man braucht neben der üblichen Hochgebirgsausrüstung einen Schlafsack und Verpflegung. Die Übernachtung ist gebührenpflichtig, Details gibt es auf der Website des Skyline-Trails. Dort kann man auch eine Karte des gesamten Weitwanderweges herunterladen und nützliche Zusatzinformationen finden.
Die Biwaks befinden sich genau auf 2.500 Metern Seehöhe. Man erreicht sie von der Unterstaller- und Oberstaller Alm aus, aber auch von der Bonner Hütte und dem Staller Sattel, oder beim Aufstieg vom Gsieser Tal. Gernot Madritsch gibt als „normale“ Aufstiegszeit von der Unterstaller Alm zweieinhalb bis drei Stunden an, wir Normalgeher dürfen deshalb noch ein halbes Stündchen drauflegen, um auf eine realistische Zeit zu kommen.
Wer nicht direkt zum Biwak wandert, sondern auf dem 360° Trail und damit auf dem Grat unterwegs ist, findet hier eine willkommene Rast zwischen der Bonner Hütte über Toblach und dem Staller Sattel.
„Die Streckenlänge zwischen Bonner Hütte und Staller Sattel beträgt 29 Kilometer. Es sind 2.140 Aufstiegs- und 2.420 Abstiegsmeter im Hochgebirge“, rechnet Madritsch vor, der offenbar permanent solche Distanzen durchmisst und dennoch Gnade walten lässt: „Touristische hochalpine Gehdistanzen haben nach fünf Stunden einen Standort. Das entspricht im Durchschnitt einer Entfernung von 14 Kilometern.“ Gott sei Dank! „Starke Geher werden die Biwaks nicht benötigen, sondern acht bis zehn Stunden durchgehen“, meint der Trail-Erfinder, doch wir glauben, selbst diese menschlichen Gämsen werden sich eine Nacht im schönsten Biwak Osttirols nicht entgehen lassen.
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Wunderschön, auch die Beiträge und Fotos! Solche Juwelen haben wir vor der Haustür! Eine Nacht dort oben ist unbezahlbar und du bist dem Himmel nah!
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