Eines muss man Oliver Deutsch lassen: Er schafft es, sein Wohnzimmer-Format ein ums andere Mal als Überraschung zu servieren, sowohl musikalisch als auch kulinarisch. Bei der neunten Ausgabe der Sessions war als Kulinarik „österreichische Küche“ angesagt, was aber nicht bedeutete, dass das Publikum mit Klassikern aus dem Schnitzelland abgespeist wurde. Im Gegenteil! Wer hatte zuvor jemals einen „vergessenen Krautkopf aus dem Ofen in Selleriesauce“ gekostet?

Und genau darum geht es bei Deutsch und seinem Eventkonzept: ganz bewusst bricht der Impressario in seinem Wohnzimmer mit dem Gelernten und Erwartbaren, auf dem Teller ebenso wie vor dem Mikrofon. Dort versammelten sich diesmal – wie eigentlich immer bei den Sessions – wieder unterschiedlichste Charaktere der Szene. Allen voran das Nenad Vasilic Trio, das neben dem namensgebenden Bassisten mit Romed Hopfgartner (Saxofon) und Marko Živadinović (Accordeon) kongeniale Musiker aufbot und mit Balkanklängen und -rhythmen den Sommer in das Altstadthotel Eck holte, leichtfüßig, unglaublich virtuos und entspannt jazzig. Ein Genuss!


Gitarrist Mario Berger knüpfte an die Vorgänger an, blieb musikalisch im Süden Europas, mit Salsa, Polka und Flamenco auf Berger-Art, also meisterlich instrumental dargeboten, wobei der Meister auch zweimal die Stimme erhob, einmal davon für einen Song, der zwar Carlos Santana zugeschrieben wird, aber eigentlich von Peter Green und Fleetwood Mac erfunden wurde. Black Magic Woman! Das Publikum war begeistert und solcherart eingestimmt auf ein typisches Oliver Deutsch-Erlebnis.
Fast jede Wohnzimmer-Session präsentiert nämlich auch einen Bruch, eine musikalische Disruption wenn man so will, nicht immer für alle Ohren gemacht, aber immer hochkarätig und bewusstseinserweiternd. Das war diesmal der Part von Elektronikkünstlerin Adelita Escapes. Elektronische Kompositionen, untermalt mit Texten und Erinnerungen aus ihrer Kindheit. Kein eingängiges Programm, wie gesagt, und zu schon vorgerückter Stunde für manchen im Publikum auch ein Zeichen zum Aufbruch.
Wer blieb, tauchte in eine phantasievolle Klangwelt und neue Sphären ein – eine Hörerfahrung die man in Lienz derzeit nur bei den Wohnzimmersessions machen kann. Auch deshalb vergeht meistens kein Tag, bis nach der exklusiven Ankündigung auf dolomitenstadt.at alle Karten verkauft sind. Es ist ein ganz spezieller Hunger, der in diesem Wohnzimmer gestillt wird: Der Hunger nach Neuem, nach kultureller Offenheit und einem Erlebnis, das in jeder großen Stadt genauso passieren könnte.
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