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Was erzählen historische Graffiti in der Schlosskapelle?

Eine spannende Spurensuche, festgehalten in einem Sammelband, der am 12. April präsentiert wird.

Es klingt ein wenig sperrig, was da am 12. April um 11:00 im Rittersaal von Schloss Bruck in Lienz für historische und kulturelle Feinschmecker geboten wird. Vorgelegt wird ein Buch mit dem Titel „Schrift, Bild und Gedächtnis – Graffiti im Kontext einer Semiotik der gotischen Fresken in der Kapelle von Schloss Bruck.“ Klingt nicht so spannend wie ein Aichner-Krimi und ist mit Sicherheit auch etwas schwerer zu lesen, aber detektivisch oder besser forensisch betrachtet hat der Sammelband, für den Rudolf Ingruber und Harald Stadler als Herausgeber angeführt sind, einiges zu bieten.

Die Präsentation ist keine Lesung, sondern ein Gespräch mit den Autor:innen. Neben dem Lienzer Kunsthistoriker – und Dolomitenstadt-Autor – Rudolf Ingruber haben Michaela Frick (Bundesdenkmalamt), Hubert Ilslinger (Archäologe an der Uni Innsbruck), Stadthistoriker Meinrad Pizzinini und der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Leo Andergassen Beiträge im Buch verfasst, die alle um ein für Laien etwas verwirrendes Thema kreisen: Graffiti, die neben oder auf den Fresken Simon von Taistens in der Kapelle von Schloss Bruck entdeckt wurden.

Offenbar reizen Orte wie diese seit jeher zur Verewigung der eigenen Anwesenheit. Wer solches plant, nimmt keine Wasserfarben, sondern ritzt seine Botschaft – Worte, Namen, Zeichen und Symbole – in Stein, Putz oder Holz. So auch auf Schloss Bruck. Aufgefallen waren die Kritzeleien schon vor längerer Zeit, doch im Winter 2017/2018 machten sich erstmals zwei Studentinnen der Uni Graz daran, die 780 Graffiti (!) der Kapelle, eingeritzt in mehreren Jahrhunderten, systematisch unter die Lupe zu nehmen. Auf einem Gerüst und bei klirrender Kälte entdeckten Elisabeth Tangerner und Anna Petutschnig allerhand Erstaunliches. Dolomitenstadt berichtete schon damals ausführlich.

Elisabeth Tangerner und Anna Petutschnig entdeckten 780 Graffiti auf und nahe den Fresken der Kapelle von Schloss Bruck. Ein Buch erläutert nun, was diese jahrhundertealten Kritzeleien erzählen. Foto: RomediomSchmitz-Esser

Seither ließen diese Graffiti eine Handvoll Historiker – alle bestens mit dem Schloss und seiner Kapelle vertraut – nicht mehr los. Im Oktober 2021 organisierten Harald Stadler und Rudolf Ingruber deshalb ein internationales Kolloquium, an dem Geschichtswissenschaftler, Kunsthistoriker und Archäologen die Graffiti-Forschung als noch junges, für künftige Kooperationen jedoch unverzichtbares Fachgebiet präsentierten. Es war – auch der Pandemie geschuldet – die erste wissenschaftliche Hybrid-Veranstaltung auf dem Campus Lienz.

Das jetzt vorliegende Buch schildert einerseits, was beim Kolloquium unter Fachleuten diskutiert wurde und fokussiert andererseits auf die von Anna Petutschnig verfasste Masterarbeit zum Thema, die Romedius Schmitz-Esser von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg approbiert hat.

Worauf kann man sich bei der Präsentation des Buches und der Erkenntnisse zu den Graffiti in der Schlosskapelle also freuen? Auf Antworten, könnte man sagen, denn die Codes hinter den Zeichen verraten nicht nur einiges über die Verfasser – unter ihnen übrigens auch Franz von Defregger – sondern helfen, sehr spannende Fragen zu klären. Etwa jene, wann genau Simon von Taisten die Kapelle gestaltet hat, schon vor, oder erst nach dem Ableben des letzten Görzer Grafen Leonhard?

Bemerkenswert ist an der Buchpräsentation und dem thematischen Schwerpunkt auch ein zweiter Aspekt, der in Lienz derzeit schlichtweg ausgeblendet wird. Görz ist aktuell europäische Kulturhauptstadt und zelebriert diesen Status – länderübergreifend mit Nova Goricia – mit einem spannenden Veranstaltungsreigen. Nicht vertreten ist auf dieser europäischen Bühne der nur wenige hundert Kilometer entfernte Stammsitz der Görzer. So wird man im Rittersaal zu Lienz allerhand Spannendes über die Kunst am Hof des letzten Grafen von Görz hören, doch die Mauern von Schloss Bruck werden diese Botschaften nicht überwinden.


12. April, 11:00 Uhr – Rittersaal und Kapelle auf Schloss Bruck:
Präsentation des Sammelbands „Schrift, Bild und Gedächtnis – Graffiti im Kontext einer Semiotik der gotischen Fresken in der Kapelle von Schloss Bruck.“ Der Eintritt ist frei.

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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