Seit Ende August ist die Lienzerin Pia Sair in Kanada als AuPair im Einsatz. Dort lebt sie für zehn Monate bei einer vierköpfigen Familie am Okanagan Lake in Vernon. Die Stadt hat 45.000 Einwohner und liegt in British Columbia, der westlichsten Provinz Kanadas, etwa fünf Stunden von Vancouver entfernt. Als AuPair kümmert sich Pia um zwei Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren, da geht es oft ganz schön rund. Inzwischen ist das Leben auf der anderen Seite des Atlantiks für Pia Alltag. Ihre Gasteltern und die Kids sind für die 19-Jährige zu einer zweiten Familie geworden.

Nach ihrer Matura am BG/BRG Lienz im Juni 2024 wollte Pia einen Auslandsaufenthalt als Überbrückung zwischen Schule und Studium nutzen, besonders da sie im nächsten Jahr mit dem Medizinstudium beginnen möchte und das Gap-Year auch für die MedAt-Vorbereitung benötigt. Dass Pia im Ausland als AuPair tätig sein möchte, war schnell klar, denn sie hatte bereits in Lienz positive Erfahrungen mit dem Babysitten gesammelt. Kanada überzeugte Pia bei der Länderwahl durch die schöne Natur und die multikulturelle Gesellschaft.
Holpriger Start mit raschem Entschluss
Einige Monate vor ihrer Matura begann Pia mit der Planung ihres AuPair-Aufenthaltes. Um eine passende Gastfamilie zu finden, nutzte sie eine Internetplattform, die bei der Vermittlung hilft. In der ersten Zeit wurden ihr kaum kanadische „host familys“ angezeigt, nach einer Profilanpassung beim Alter der Kinder ploppte dann ihre jetzige Familie auf. Sie stammt ursprünglich aus Quebec, der einzigen kanadischen Provinz mit Französisch als Amtssprache.
Nach dem ersten Kontakt mit der Gastmutter Ariane war schnell klar, dass die Familie Pia auch als englischsprachiges AuPair willkommen heißen würde. Bereits einige Tage nach dem ersten Telefonat stand fest, Pia würde ab August Teil der Familie werden. Ab Februar 2024 war sie dann wöchentlich mit der Familie in Kontakt, bekam Fotos von den Kindern und Einblicke in ihren zukünftigen Alltag in Kanada. Auch Video-Telefonate halfen beim Kennenlernen und den Vorbereitungen.
Langwierige Vorbereitung
Um in Kanada als AuPair arbeiten und leben zu dürfen, benötigte Pia ein sogenanntes „working holiday“-Visum. Es erlaubt ihr ein Jahr im Land zu verbringen und Geld zu verdienen. Im Zuge der Genehmigung mussten viele Formalitäten mit der kanadischen Behörde geklärt werden, unter anderem musste Pia ein Bewerbungsschreiben verfassen und ihr Strafregister einreichen. Um als AuPair und daher im Umfeld von Kindern tätig sein zu dürfen, war auch eine medizinische Untersuchung bei einem Arzt in Wien nötig. In der Hauptstadt erledigte Pia auch ihr „biometrics exam“, bei dem die Fingerabdrücke abgenommen werden.
Mitten in der Maturavorbereitung im Frühjahr 2024 trudelte dann der sogenannte „Port of Entry Letter“ bei Pia ein - ihre Genehmigung zur Einreise. Danach standen noch das Buchen der Flüge, das Abschließen einer Reiseversicherung, die Beantragung eines internationalen Führerscheins sowie das Aufsetzen eines Vertrages mit der Gastfamilie auf Pias To-Do-Liste. Der Vertrag legt Pias Aufgaben und Gehalt während der AuPair-Zeit fest. Und der finale Schritt: „Mein Leben in Lienz in zwei Koffer quetschen. Besonders die warme Winterkleidung nahm da viel Platz weg, für den Winter in Kanada ist die jedoch essenziell, wie ich nur wenige Wochen später feststellte“, erklärt Pia.

Am 29. August trat Pia ihre Reise nach Kanada an. Von München flog sie nach Toronto, im Grenzbüro am Flughafen wurde ihr Visum ausgestellt und sie bekam ihre Sozialversicherungsnummer. Danach flog sie weiter nach Kelowna, dort wurde sie von ihrem Gastvater abgeholt und nach Vernon gebracht. „Der Reisetag war zwar anstrengend, bot jedoch bereits viele neue Eindrücke und schürte die Vorfreude auf die nächsten zehn Monate“, erinnert sich Pia.
Aus fremden Menschen wird eine zweite Familie
Zu Pias Gastfamilie zählen das Pärchen Ariane und Charles sowie ihre Kinder Jules und Madeleine. Die Gastmutter arbeitet als Anästhesistin in einem Krankenhaus, der Gastvater führt ein Unternehmen im IT-Bereich. Jules ist ein aufgeweckter Fünfjähriger, der die Vorschule – in Kanada als „Kindergarden“ bezeichnet – besucht. Seine kleine Schwester Madeleine ist zwei Jahre alt und etwas schüchtern, sie geht in den Kindergarten, die sogenannte „daycare“.
„Ich habe einen absoluten Jackpot mit meiner Gastfamilie gemacht.“
„Ich wurde mit offenen Armen willkommen geheißen und als Teil der Familie aufgenommen. Meine Gasteltern sind sehr lustig, spontan und flexibel und auch die Kinder sind mir ans Herz gewachsen“, erzählt die 19-Jährige.

Schon vor Pias Ankunft wurden die Kinder intensiv auf die Zeit mit ihr vorbereitet, sodass der Start reibungslos klappte. Jules hatte gleich zu Beginn einen Narren an Pia gefressen, die beiden verstanden sich von Anfang an sehr gut und verbrachten bereits in den ersten Tagen viel Zeit miteinander. Die jüngere Madeleine war anfangs noch verschlossener und brauchte ein paar Wochen um aufzutauen. „Mittlerweile hat sich der Alltag wunderbar eingependelt und die Kids haben jede Menge Spaß“, erzählt Pia. „Natürlich gibt es auch Momente die sehr anstrengend sind und meine Geduld herausfordern. Da muss ich mich oft daran erinnern, dass Jules und Madeleine noch nicht einmal im Schulalter sind und eben vieles noch lernen müssen. Aber die guten Momente überwiegen definitiv.“
Pias Alltag als AuPair
Pias Tag startet normalerweise um sechs Uhr morgens. Ab halb sieben ist sie dann für die Kinder zuständig und hilft ihnen beim Anziehen und Fertigmachen, anschließend frühstücken die drei gemeinsam. Gegen halb neun bringt Pia Jules zur Vorschule und Madeleine in den Kindergarten. Wieder zu Hause angekommen, räumt sie das morgendliche Chaos auf.
Den restlichen Vormittag verbringt sie dann mit Backen, Wäsche waschen und Vorbereitungen für den Medizinaufnahmetest. Ihren Nachmittag gestaltet Pia immer individuell - sie verbringt gerne Zeit in der Natur, geht zum Pilates oder macht Erledigungen in der Stadt. Um ihre freie Zeit zu füllen, entdeckte die junge Lienzerin auch neue Hobbys; einmal wöchentlich geht sie zur Chorprobe und zum Salsa-Tanzunterricht. Die Gastfamilie stellt Pia ein Auto zur Verfügung, dadurch ist sie auch in ihrer Freizeit mobil.

„Daheim in Lienz bin ich im Alltag meist mit dem Radl unterwegs, in Kanada sind die Distanzen dafür viel zu groß. Die Öffis in Vernon sind auch nicht ausreichend ausgebaut, ohne Auto ist man hier aufgeschmissen.“
Um 16.30 Uhr müssen die Kinder dann wieder abgeholt werden. Danach isst die ganze Familie gemeinsam zu Abend. „Ariane und Charles bringen die Kids ins Bett, normalerweise lese ich Jules und Madeleine dann noch eine Geschichte vor“, erzählt die Bücherliebhaberin.
Wenn Ariane eine Nachtschicht im Krankenhaus macht, hilft Pia beim Schlafengehen der Kinder und bereitet deren Jause und das Mittagessen für den nächsten Tag vor. In solchen Fällen muss sie dann morgens nicht mithelfen und kann einen gemütlichen Vormittag verbringen.

„Meine Hauptaufgabe ist natürlich die Betreuung von Jules und Madeleine. Ich bin aber auch für die Wäsche zuständig. Meine Gasteltern sehen es jedoch sehr locker, wenn mal keine Zeit dafür war.“ Weitere leichte Haushaltstätigkeiten erledigt Pia freiwillig, wenn sie gerade anstehen. Grundsätzlich kümmert sich aber eine Reinigungskraft um den Haushalt.
Als AuPair in Kanada wird der Lohn wöchentlich ausbezahlt, dabei wird von der Vergütung für den wöchentlichen Stundensatz ein Betrag für Kost und Logis abgezogen. Wenn Pia mehr als die vereinbarten Stunden arbeitet, beispielsweise am Wochenende, wird sie zusätzlich bezahlt.

Unterwegs in Kanada: Zwischen Vancouver und Quebec
Am Wochenende hat Pia frei, nichtsdestotrotz nimmt sie gerne an den Familienausflügen teil. „Meine Gastfamilie legt großen Wert auf einen aktiven und gesunden Lebensstil. Gemeinsam unternehmen wir sehr viel in der Natur.“ Egal ob Wandern, Skifahren, Langlaufen oder Schwimmen, sportliche Aktivitäten haben bei der kanadischen Familie eine Priorität. Aber auch Besuche in Museen und kreative Beschäftigungen kommen nicht zu kurz.
„Da meine Gastfamilie selbst erst im Sommer nach British Columbia gezogen ist, erkunden sie gerne die neue Umgebung. So verbringen wir häufig verlängerte Wochenenden in Skiressorts. Im Herbst haben wir auch Ausflüge zu Seen in Alberta gemacht, einen Städtetrip nach Osoyoos an der US-amerikanischen Grenze unternommen und einige Tage auf einem Weingut verbracht.“





„Ich schätze es sehr, dass ich durch die Wochenendtrips mit meiner Gastfamilie noch mehr von Kanada sehen kann.“
Anfang Dezember unternahm Pia einen Solotrip nach Vancouver. In die kanadische Metropole an der Pazifikküste gelangte sie von Vernon aus mit dem Bus in ein paar Stunden. Vor Ort besuchte sie ein Konzert von Taylor Swift, nach dem abgesagten Wiener Eras-Tour-Konzert im August ein besonderes Highlight.

Über Weihnachten war die ganze Familie für zehn Tage bei der Verwandtschaft in Quebec zu Besuch. Und auch Pias Freundin Anna stieß zu den Feierlichkeiten dazu. Gemeinsam erlebten die Mädels das typische amerikanische Weihnachten mit Santa Claus und Co. Sie genossen die winterliche Stimmung rund um Quebec – mussten sich bei bis zu -15 Grad Celsius im verschneiten Winterwonderland jedoch warm anziehen.

Andere Kulturen und Lebensstile erweitern den Horizont
Nun ist bereits mehr als die Hälfte von Pias Kanada-Abenteuer vorbei, ihr Zwischenfazit lautet: „Für mich war die Entscheidung nach Kanada zu gehen die richtige, ich fühle mich hier sehr willkommen und sicher. Die Menschen sind so offen und freundlich. Und Kanadier lieben Smalltalk!“, schmunzelt Pia.
Pia schätzt den aktiven und naturverbundenen Lebensstil in Kanada, sowie die vielseitige und gesunde Küche ihrer Gastfamilie. Trotzdem vermisst sie österreichische Gerichte, daher wurden Ariane, Charles und die Kinder schon das ein oder andere Mal mit heimischen Schmankerln verköstigt – Fazit: Schlipfkrapfen schmecken auch in Kanada!
„Unser gutes Trinkwasser geht mir auch ab!“
Natürlich vermisst Pia auch Freunde und Familie sehr, doch mit Video-Telefonaten und durch Social-Media bleibt sie auch über die große Distanz hinweg mit ihren Liebsten in engem Kontakt. „Nur die neun Stunden Zeitunterschied muss man bedenken, mit meinen Eltern und Freunden telefoniere ich daher meistens am Vormittag, wenn es in Österreich abends ist“, erklärt Pia.
Mit der Verständigung hat Pia keine Probleme, sie spricht fließend Englisch und im Französischen lernt sie immer wieder neue Wörter dazu. Für Verwirrung sorgt eher der Mix aus amerikanischen und europäischen Bezeichnungen bei Maßeinheiten. „Beim Backen wird alles in Gramm abgewogen, das Gewicht wird jedoch in Pounds angegeben. Die Außentemperatur wird in Celcius gemessen, die Öfen und Heizungen sind allerdings auf Fahrenheit eingestellt. Und Distanzen werden in Meilen angegeben, während Geschwindigkeiten in km/h angezeigt werden. Die Kanadier können sich wohl nicht entscheiden“, zeigt sich Pia amüsiert.

„Ein AuPair-Aufenthalt bietet neue Erfahrungen während man sich in einem familiären Umfeld befindet. Man bekommt einen tieferen Einblick in die Kultur, erlebt wie es ist in einem anderen Land zu leben und sieht wie die Kinder aufwachsen“, resümiert Pia.
„Ich durfte Jules an seinem ersten Schultag begleiten, das war eine sehr schöne Erfahrung.“
In den letzten sechs Monaten hat Pia gelernt mit neuen Situationen umzugehen: „Ich bin spontaner und flexibler geworden. Viele Momente muss man einfach auf sich zukommen lassen!“ Diese Lebenslektionen werden ihr sicherlich auch in Zukunft zunutze kommen, nun freut sich Pia aber erstmal auf ihre verbleibenden vier Monate in Kanada.
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