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Hansi Lang singt wieder dank Künstlicher Intelligenz

Und auch sonst ist im Jänner musikalisch einiges los gewesen. Ein Überblick über die wichtigsten Veröffentlichungen.

Hansi Lang - Sing, Hansi!

Manchmal verbergen sich in einem Billa-Sackerl die größten Schätze. Genau das dürfte Thomas Rabitsch gedacht haben, als ihm Hansi Langs Tochter nach dessen Tod 2008 eine Plastiktüte mit Demoaufnahmen überreichte. Diese entstanden Anfang der 2000er-Jahre in Langs Gemeindebau-Wohnung – ein geplantes Dialektalbum, untypisch für den großen Sänger, der in den 1980ern zu den angesagtesten Musikern Österreichs zählte.

Hansi Lang war zeit seines Lebens schon anders, verstand es, die damalige New-Wave-Welle zu reiten und sich mit Songs wie „Keine Angst“, „Ich Spiele Leben“ und „Montevideo“ unsterblich zu machen. Wie sein Namensvetter Hans Hölzel aka Falco spielte er Bassgitarre, zeitweise spielten sie sogar gleichzeitig in Wickerl Adams Hallucination Company. Aber der großen Karriere, die sicherlich möglich gewesen wäre, stand sich Lang selbst im Weg. Seine Drogensucht beeinträchtigte ihn über weite Strecken seines musikalischen Schaffens. Erst um die Jahrtausendwende schaffte er es endgültig, clean zu werden. Mit Thomas Rabitsch, der schon „Keine Angst“ produzierte, und Wolfgang Schlögl (Sofa Surfers) gründete Lang 2004 das Projekt The Slow Club und feierte wieder Bühnenerfolge. Etwa zur selben Zeit entstanden die Demos, die Rabitsch wortwörtlich in die Hände gedrückt bekam.

Hansi Lang und Thomas Rabitsch Anfang der 2000er. Foto: Ingo Pertramer

Aber sie blieben für etliche Jahre im Sackerl. Nach Langs Tod konnte Rabitsch zunächst nicht weitermachen – auch weil er nicht wusste, was aus dem Material werden sollte. Erst während der Corona-Pandemie entdeckte er die Aufnahmen wieder und begann, sie zu bearbeiten. „Er hat meistens gekaufte Drum-Loops verwendet, damit er einen Beat hat. Aber er hat darüber gesungen! Es waren eigentlich fertige Songs und Geschichten mit Strophe, Refrain, Bridge und Übergängen. Nur der Teppich darunter war ein Midi-Layout aus den frühen Nuller-Jahren“, erklärt Rabitsch im Wiener Gemeindebau Podcast. „Solche Skizzen sind üblich, bevor es ausproduziert wird. Das ist aber nie passiert.“

Bis jetzt. Denn Rabitsch hat in den vergangenen Monaten akribisch daran gearbeitet, den 15 Songs umfassenden Schatz aus dem Verborgenen zu wecken. Den diffusen Klangteppich von der Stimme zu trennen, war die größte Herausforderung und wäre vor ein paar Jahren noch nicht möglich gewesen. Erst die rasante Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz brachte den nötigen Durchbruch.

„Mit Hilfe von KI ist es uns gelungen, Hansis Stimme aus dem ursprünglichen Klanggerüst zu lösen und neu erstrahlen zu lassen - so, als stünde er wieder lebendig im Studio. Gemeinsam mit einem großartigen Team von Musikern, Sängern und Technikern haben wir die Musik zu seinem Gesang neu produziert. Das Ergebnis ist ein Album in Wiener Mundart - eine bislang wenig bekannte Facette von Hansi, die er souverän beherrschte und die ihm wichtig war. Die Lieder erzählen Geschichten von Sehnsucht und Liebe. Sie lassen uns den Menschen hinter der Kunst spüren“, beschreibt Thomas Rabitsch Entstehung und Qualität des posthumen Albums.

Tatsächlich klingt „Sing, Hansi!“ enorm frisch, und hätten es die Verantwortlichen nicht verraten, würde man keineswegs künstliche Intelligenz als Triebfeder hinter dem neuen Album vermuten. Nur wenn man genau hinhört, sind manche dialektalen Besonderheiten ein bisschen zu steril. Ist der Einsatz dieser Technologie ethisch in Ordnung? Das wird Gegenstand von breiteren Diskussionen sein. Jedenfalls arbeiteten Ernst Molden, Harri Stojka oder Marco Wanda am Instrumental mit, das ausschließlich von Live-Musikern eingespielt wurde.

Trotzdem: Wer Hansi Lang zeitlebens mochte, wird hier zumindest schmunzeln müssen, den Wiener Sänger mit neuen Liedern zu hören. Außerdem finden im Wiener Rabenhoftheater Tribut-Shows zu Hansis Ehren statt, unter anderem mit Tini Kainrath, Roman Gregory, Johannes Krisch oder Edita Malovčić und natürlich auch Thomas Rabitsch.


Melissa Naschenweng - Alpenbarbie

„Holara, die Alpenbarbie / Holara, die-oh / Sie ist die oh-oh-oh-oh-Alpenbarbie / Is blond aber net bled / Fahrt Traktor statt Ferrari“. Man muss nur gute sechzig Sekunden in den titelgebenden Song und Opener von Melissa Naschenwengs siebtem Studioalbum „Alpenbarbie“ hineinhören, um den thematischen Schwerpunkt dieses Schlagerfeuerwerks zu begreifen. Melissa Naschenweng, die Kärntner Bergbauern-Liebhaberin, hat sich offiziell zur Alpenbarbie umgetauft, um ihrem großen Ziel noch ein Stück näher zu kommen: Den Schlagerhimmel Deutschlands zu erobern.

Dafür verstellt sie sich nicht, wird aber auch nicht müde zu betonen, dass sie einfach komplett anders als alle anderen Frauen überhaupt ist. Sie trinkt lieber Halbe statt Campari, nimmt ihren ehemaligen Schwarm Paul auch mal mit dem Anhänger mit, weil der Traktor keinen Beifahrersitz hat, oder würde gern mit dem Michl mit der Sichl zusammen mahn – und sicherlich auch noch mehr machen. Mit Melissa lässt es sich träumen – was für erfolgreichen Schlager bekanntlich unerlässlich ist.

Natürlich ist „Alpenbarbie“ ein mitunter extrem absurdes Album, vor allem dank Perlen wie „Schicki Micki“. Hier traut sich Melissa vom Berg nach Wien und taucht auch gleich in die High Society ein. Dieser Song ist ein einziges Sammelsurium an Kuriositäten: Jodler, Macarena-Sample in der Strophe, fette Synthesizer im Prechorus, wild generischer, aber fantastisch mitsingbarer Pop im Refrain. Kurz: Ein echtes Party-Schlager-Brett, das seinen Zweck auf jeder Après-Ski-Hütte erfüllen wird.

Und daran muss man das Album auch messen: 15 Songs, die absolut kein Klischee auslassen, sich musikalisch natürlich keineswegs in der Nähe von irgendeiner Spannung bewegen – aber auch nichts anderes vorgeben. „Alpenbarbie“ ist Party-Schlager der besseren Sorte, weil die Produktion einwandfrei ausfällt, die Texte zwar voller Stereotype, aber frei von vulgären Mallorca-Ausfällen sind und Melissa ihre Rolle als Madl aus die Berg perfektioniert hat. Natürlich ist das kein musikalischer Meilenstein, aber es versucht das auch gar nicht zu sein. Es liefert, was es verspricht: gute Laune, Party-Stimmung und jede Menge Klischees – charmant verpackt. Brachte ihr mit Platz acht in den deutschen Charts übrigens auch den gewünschten Erfolg.


Bad Bunny - DeBÍ TiRAR MáS FOToS

Harter Cut vom Kärntner Bergland nach Puerto Rico. Dort ist Bad Bunny, der derzeit meistgehörte Künstler des Planeten, zu Hause, und er hat sein sechstes Album „DeBÍ TiRAR MáS FOToS“ auch gleich dafür genutzt, um seiner Heimat eine große Liebeserklärung zu widmen.

Anders als seine vorherigen Werke zeigt dieses Album eine vielseitige, authentische und politisch aufgeladene Seite des Künstlers. Musikalisch kombiniert Bad Bunny traditionelle puerto-ricanische Stile wie Plena, Salsa und Jibaro mit modernen Genres wie Reggaeton, House und Rap, wobei die Produktion von Tainy oder La Paciencia für einen makellosen Klang sorgt.

Inhaltlich setzt sich Bad Bunny intensiv mit der Identität und den Herausforderungen Puerto Ricos auseinander. Songs wie „Lo Que le Pasó a Hawaii“ thematisieren die Modernisierung und Kolonialisierung der Insel, während „NUEVAYoL“ die kulturellen Spannungen zwischen Puerto Ricanern in New York und ihrer Heimat reflektiert. Trotz dieser Schwere verliert das Album nicht den Zugang zu eingängigen Melodien und emotionaler Tiefe.

Highlights wie der Salsa-Epos „BAILE INoLVIDABLE“ oder das poetische „Bokete“ verbinden musikalische Raffinesse mit starkem Storytelling. Gleichzeitig liefert Bad Bunny mit Tracks wie „VOY A LLeVARTE PA PR“ und „Perfumito Nuevo“ echte Reggaeton-Banger, die sowohl Partylaune als auch Heimatstolz feiern. Besonders der titelgebende Song „DeBÍ TiRAR MáS FOToS“ überzeugt durch seine emotionale Wucht und entwickelte sich bereits zu einem der stärksten Tracks des Albums, der auch schon zum viralen Hit mutierte.

„DeBÍ TiRAR MáS FOToS“ ist ein musikalisches Denkmal für Puerto Rico und Bad Bunny selbst, das seine Innovationskraft, künstlerische Vielseitigkeit und seine Fähigkeit, Risiken einzugehen, eindrucksvoll unter Beweis stellt. Dieses Album wird zweifellos auf den Bestenlisten des Jahres auftauchen. Bad Bunny zeigt, dass er sowohl Superstar als auch eine der wichtigsten Stimmen seiner Generation ist – für Puerto Rico und darüber hinaus.


Mac Miller - Balloonerism

Es ist und bleibt eine Tragödie, dass Mac Miller nicht mehr unter uns weilt. 2018 starb der hochtalentierte Musiker an einer Überdosis und riss ein nicht zu stopfendes Loch in die Musikszene einer neuen Generation. Wie umtriebig Mac bis zu seinem Tod war, zeigt sich jetzt: „Balloonerism“, das zweite posthume Album von Mac Miller, ist ein beeindruckendes Zeugnis seiner musikalischen Vision und Kreativität. Die Songs, vor über zehn Jahren im Homestudio entstanden, zeigen einen experimentellen und introspektiven Mac Miller, der sich weg vom Mainstream in düstere, jazzige und trippige Klangwelten wagte.

Im Gegensatz zum ersten, nach seinem Tod veröffentlichten Album „Circles“ (2020) ist diese Platte kompromissloser und musikalisch experimenteller. Mit Unterstützung von Thundercat wurde das ursprüngliche Material veredelt, wobei Tracks wie „Funny Papers“ und „Tomorrow Will Never Know“ Macs Reflexionstiefe und emotionale Vielseitigkeit eindrucksvoll unterstreichen. Themen wie Eskapismus, mentale Gesundheit und Spiritualität ziehen sich durch das Album, oft humorvoll verpackt, doch stets tiefgründig.

„Balloonerism“ ist eine melancholische, aber hoffnungsvolle Hommage an ein außergewöhnliches Talent und ein bitterer Reminder, wie viel Mac Miller der Musikwelt noch hätte geben können.


Filiah - Atlas

Kein Album sondern ein Song ist in den ersten Wochen des Jahres auch schon besonders aufgefallen: „Atlas“ der niederösterreichischen Indie-Folk-Sängerin Filiah. Der Song markiert einen Neustart für die Musikerin, die nach einer kreativen und emotionalen Krise, ausgelöst durch die Herausforderungen des Selbstmanagements nach ihrem Debütalbum „For Someone“ (2022), eine Schreibblockade überwinden musste.

Der Wendepunkt kam bei einem Songwriting-Retreat in Kroatien, organisiert vom Künstlerkollektiv welovemelodies. Umgeben von anderen Künstler:innen fand Filiah ihre Stimme wieder. „Atlas“ verbindet Verletzlichkeit und Stärke und verarbeitet die Themen Selbstzweifel und die Sehnsucht, verstanden zu werden. Mit ihrem kraftvollen Gesang und einem Folk-Arrangement mit Pop-Elementen thematisiert sie die Überwindung der eigenen Hindernisse und verwandelt sie in einen poetischen, einnehmenden Track. Schwere Empfehlung.

Martin Senfter ist Dolomitenstadt-Autor und Musikexperte. Im Podcast „Dolo Music“ stellt er seine Lieblingstracks und deren Schöpfer:innen vor. Stories mit Tiefgang sind seine journalistische Stärke, ebenso wie einfühlsame Porträts spannender Zeitgenoss:innen.

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