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Anton Fercher, Zuviel James Bond geschaut?

Anton Fercher, Zuviel James Bond geschaut?

Malerei als Vorstellung und Übertragung

Anton Fercher trennt den Inhalt von der Szene und abstrahiert so seine Empfindungen.

„Der Fercher, wer sonst?“ war die knappe Antwort eines Professors am Lienzer Gymnasium, der vor versammelter Klasse einen Packpapierbogen mit dem eigenen Konterfei entrollt hatte. Eine Schülerin aus der – räumlich wie schulnotenmäßig – vordersten Reihe hatte es gewagt, nach dem Autor der Kohlezeichnung zu fragen. Das war 1976, im Maturajahr Anton Ferchers. Es ist anzunehmen, dass er solche Porträts nicht nur der Kommission präsentierte, die seine Reife beglaubigte, sondern auch jener, die ihn später an der Akademie der bildenden Künste aufnahm. Dort hat er u. a. mit Othmar Eder und Michael Hedwig bei Anton Lehmden studiert.

Das Malen vor dem Motiv – einem Menschen, einem Gesicht, einer Landschaft – lässt sich, stark verkürzt, folgendermaßen beschreiben: Der Maler schaut hin, überträgt das Geschaute, schaut erneut hin. Auch wenn der Laie das Malen auf den mittleren dieser drei Schritte zu reduzieren versucht ist, stellt sich die Frage: Was wird denn eigentlich übertragen? Doch nicht der Gegenstand selbst, mit der ganzen Fülle seiner physikalischen Eigenschaften wie Größe, Entfernung, Farbe, Beleuchtung, von Geruch und Geräusch ganz zu schweigen?

Anton Fercher studierte mit Othmar Eder und Michael Hedwig bei Anton Lehmden. Seine Arbeiten sind derzeit in der Dolomitenbank ausgestellt. Foto: Dolomitenbank

Die Moderne hat das glasklar erkannt und die Vervielfältigung ihrer Mittel und Möglichkeiten mit weiteren Reduktionen bezahlt. So erspart sich der Fotograf den Aufwand des Malers, indem er zur Übertragung einfach den Auslöser drückt. Ein Maler, der statt eines räumlichen Gegenstandes ein Foto zur Vorlage wählt, erspart sich die Reduktion von drei auf zwei Dimensionen. Und nicht zuletzt hat die Unterscheidung zwischen Kunst und Handwerk zwei ursprünglich synonyme Begriffe ideell und materiell pervertiert: Künstler ist, wer auf das Handwerk verzichtet und dabei auf den Gewerbeschein pfeift.

Schon ein oberflächlicher Blick in die mit dem schlichten Titel „Malerei“ überschriebene Ausstellung in der Dolomitenbank in Lienz verrät die doppelte Strategie, mit der Anton Fercher zu den Wurzeln dieser Spaltung vordringt: in den Landschaftsgemälden auf Leinwand und in den Stadtkulissen und Hinterhofszenen, die er nicht nur mit Pinsel und Farbe, sondern auch mit der Dekupiersäge formt.

Stockmühlen von Apriach, Anton Fercher
Im Südburgenland stehen geblieben? Anton Fercher

Dabei bedient er sich einerseits einer Technik, die auf Fotografien beruht und starke Bezüge zur Plakatmalerei aufweist, in welcher der Kunsthistoriker Ernst Gombrich die legitime Erbin der naturalistischen Malerei des 19. Jahrhunderts erkannte. Im Plakat werden typische Situationen, Gesten, Gesichtsausdrücke stellvertretend für einen bestimmten Inhalt herausgehoben und von der Umgebung, der „Szene“, scharf abgegrenzt. Genau das tut auch Anton Fercher, der diesen Vorgang so weit treibt, dass er die Motive im eigentlichen Sinne manchmal auch physisch ausschneidet.

Wenn Fercher aber in seinen Landschaftsbildern etwa die Stockmühlen von Apriach bei Heiligenblut in ihr steiles Gelände schmiegt und dieses in derselben Art wie die südburgenländischen Hügel mit knappen topografischen Kürzeln auszeichnet, dann folgt er einer in mancherlei Hinsicht an Paul Klee erinnernden Abstraktion, die keine unmittelbare Ansicht verdoppelt, sondern die innere Empfindung kartiert.

Der Maler stellt sein Motiv nicht vor sich hin, er stellt es sich schlicht zunächst einmal vor. Mit anderen Worten: Nicht das Motiv wird gesehen, die Vorstellung davon wird sichtbar gemacht. Vorstellung und Übertragung sind die zwei Seiten ein und derselben Medaille, die im Akt des Malens permanent um die eigene Achse rotiert, mit einer Geschwindigkeit, die in der persönlichen Handschrift des Künstlers zu Buche schlägt. Das ist auch der Grund, warum in derselben Schule und zur gleichen Zeit ausgebildete Künstler sich unterscheiden: Othmar Eder, Michael Hedwig und – Anton Fercher, wer sonst?


„Malerei“ – Ausstellung von Anton Fercher in der DolomitenBank-Galerie
Zu sehen bis 24. Jänner während der Schalteröffnungszeiten. 

Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

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