Entzündliche Darmerkrankungen galten noch vor gut 20 Jahren als typische psychosomatische Erkrankungen. Heute weiß man, dass dies nicht der Fall ist. Es kann jeden treffen, auch Kinder und Jugendliche. In Österreich sind laut ÖMCCV (österreichische Morbus Crohn/Colitis Ulcerosa Vereinigung) 60.000 bis 80.000 Menschen betroffen. Es wird angenommen, dass die Dunkelziffer viel höher liegt, da die Erkrankung vielen Betroffenen unbekannt ist und es oft zu Fehldiagnosen durch Verwechslung mit anderen Krankheiten kommt.
Die Ursache der Erkrankung scheint ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu sein. Heute kennt man eine Reihe genetischer Faktoren, die das Risiko zur Erkrankung des Verdauungstraktes erhöhen. Annette Huber litt jahrelang unter den Symptomen bevor sie die Diagnose erhielt: „Dank der entsprechenden Untersuchungen habe ich dann endlich vor 18 Jahren eine klare Diagnose erhalten und damit wieder Lebensqualität.“
Heute ist die Krankheit weitaus besser bekannt, und die Diagnosestellung erfolgt meist rascher. Dennoch bleibt der Weg zur Diagnose für viele Menschen oft lang und mühsam. Die Erkrankung tritt schubweise auf und wird zu Beginn häufig von Symptomen begleitet, die nicht unmittelbar mit dem Verdauungstrakt in Verbindung gebracht werden, wie beispielsweise Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Gelenksschmerzen und Fieber. Zum anderen spricht wohl niemand gern über seine Probleme mit den Verdauungsorganen – manche leider nicht einmal mit einem Arzt. Doch die Fähigkeit, Symptome zu erkennen und klar darüber zu sprechen, ist entscheidend für eine zügige Diagnose.
So kann mit einem Therapieverfahren begonnen werden, und die möglichen Folgen der Erkrankung – die dramatische Verschlechterung der Symptome bis hin zu Darmkrebs oder Darmverschluss – können verhindert werden.
Es gibt eine Vielzahl von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen - kurz CED. Dazu gehören Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Sie betreffen beide den Verdauungstrakt, können in Schüben auftreten und ähneln sich auch in den Symptomen wie Bauchschmerzen und Durchfällen. Weiters können Betroffene an Übelkeit, Gewichtsabnahme, allgemeiner Abgeschlagenheit und vielem mehr leiden. Die Symptome können individuell sehr unterschiedlich sein und sogar in anderen Organen zu Komplikationen führen. Einige davon sind direkte Folgen der Erkrankung, andere sind Nebenwirkungen bestimmter Medikamente oder Folgen einer verminderten Nährstoffversorgung durch die geschädigte Darmschleimhaut.
„Deshalb ist auch die Therapie begleitet durch einen guten Apotheker so wichtig, der mir hilft, die entsprechenden Medikamente zu finden oder auch Nahrungsergänzungen, weil natürlich der ganze Stoffwechsel auch verändert ist bei so einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung,“ weiß Annette Huber aus eigener Erfahrung.
Es existiert eine direkte und ständige Kommunikation zwischen dem Darm und dem Gehirn, die sogenannte „Darm-Hirn-Achse“. Ein gestörtes Mikrobiom – früher Darmflora genannt – kann schwerwiegende Auswirkungen auf unseren gesamten Organismus und sogar auf unsere psychische Gesundheit haben. Die Apothekerin Mag. Susanna Wirnsperger erklärt im Podcast ausführlicher die Zusammenhänge: „Jeder Mensch sollte darauf achten, sein Mikrobiom gesund zu halten, weil wir noch gar nicht begreifen, in wie viele Themen im menschlichen Körper das wirklich eingreift und mit einwirkt. Und das kann man am allerbesten über die Ernährung.“
Die Zahl der Krankheitsfälle ist in den letzten Jahrzehnten vor allem in den Industrienationen gestiegen. Die hohen Hygienestandards sowie ein verändertes Ernährungsverhalten werden damit in Verbindung gebracht.
Noch ist CED nicht heilbar, aber es gibt Unterstützung, die ein gutes Leben mit dieser Diagnose möglich machen kann. Annette hat diese Unterstützung vor allem bei der ÖMCCV gefunden. Die Vereinigung wurde von Betroffenen für Betroffene gegründet, um Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und somit den Einzelnen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.
Auf deren Webseite und der dazugehörigen Infoplattform CED-Kompass und der Podcastserie DarmTalk, gibt es umfangreiche Informationen und Hilfestellungen zu verschiedensten Themen.
Neben kompetenter ärztlicher Unterstützung hilft Betroffenen das Gespräch mit anderen Erkrankten, um die Krankheit zu akzeptieren, aber auch um familiäre und soziale Probleme zu bewältigen. In unserer Region gibt es keine Gruppe von Betroffenen, die sich regelmäßig zum Austausch trifft– zu intim ist die Thematik. Annette Huber von der Selbsthilfe Osttirol ist aber die direkte Ansprechpartnerin der ÖMCCV vor Ort und steht für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Über seine Krankheit und seine individuellen Bedürfnisse offen zu reden ist entscheidend, um zu einer passenden Unterstützung zu gelangen. Und nicht zuletzt können dadurch Ängste abgebaut werden, die einer möglichen gesellschaftlichen Isolation vorbeugen.
Annette Huber: Tel: 0664/1215796 Mail: annette.huber@outlook.com
- Ansprechpartnerin für Osttirol der ÖMCCV - Tirol
- Wissensaustausch mit Betroffenen, Vortragsabende mit Ärzten, Therapeuten und Ernärungsmedizinern
ÖMCCV -Österr. Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung
CED -Kompass
DarmPlus für Betroffene, DiätologInnen, MedizinerInnen und Pflegepersonen
In der Serie „Reden hilft“ stellen Evelin Gander und Sabine Buchberger die unterschiedlichen Angebote und Gruppierungen der Selbsthilfe Osttirol vor, die mit mehr als 40 aktiven Gruppen ein breites Auffangnetz für all jene anbietet, die sich mit einem Problem, einer Krankheit oder einem sozialen Anliegen alleine oder auch allein gelassen fühlen.
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