Außerhalb des Superheldengenres ist Donald Duck die am meisten gedruckte Figur in der Comicgeschichte. Seit die Ente 1934 im Disney-Zeichentrickfilm „The Wise Little Hen“ erstmals auftauchte, wurde aus der damaligen Nebenfigur rasch ein Star. „Donald ist alles, er ist jeder. Er macht die gleichen Fehler, die wir alle machen“, sagte Carl Barks, der vermutlich beste Schöpfer von Donald-Comics. Der Taschen Verlag widmet dem cholerischen Erpel nun eine „Ultimative Chronik“.
Der deutsche Verleger Benedikt Taschen ist erklärter Donald-Fan. Mit seiner Comicsammlung fing vor fast 45 Jahren die Geschichte des von ihm begründeten Verlages an. Was lag also näher, als seiner Lieblingsfigur eine fünf Kilo schwere, umfangreiche, illustrierte Publikation im Großformat zu widmen. Für das Projekt holte man Filmgeschichte-Dozenten Daniel Kothenschulte, den Animations- und Comic-Historiker David Gerstein und den Disney-Experten J.B. Kaufman als Herausgeber und Autoren an Bord, als „Produzent und Regisseur“ fungierte Benedikt Taschen selbst.
Das Team erhielt Zugang zu Archiven von Disney und privaten Sammlungen, konnte auf seltene Konzeptzeichnungen, Storyskizzen, Hintergrundbilder, Animations- und Comiczeichnungen sowie historische Fotos zurückgreifen. Es wurden sieben Millionen Bilder gesichtet, unter den für das Buch ausgewählten befinden sich 300 bisher unveröffentlichte Images. „Die ultimative Chronik“ beginnt naturgemäß bei „Die kluge kleine Henne“ und den folgenden Trickfilmen anhand von Skizzen, Standbildern, Filmplakaten, Comicadaptionen und begleitenden Texten, Donald - noch mit langem Schnabel - zieht zunehmend das Scheinwerferlicht auf sich.
Der Zeitpunkt von Donalds Geburt ist kein Zufall. Sechs Jahre nach dem Debüt von Micky Maus hatten die Animatoren ihre Kunst auf eine neue Ebene gehoben. „1934 versprühten ihre Zeichentrickfiguren nicht nur Witz und Charme, sondern legten auch hin und wieder ihr Seelenleben offen“, heißt es im Buch. Donald hatte von Anfang an das Potenzial, universelles menschliches Verhalten durch eine Tierfigur auszudrücken. Die Chronik dokumentiert die Veränderung von Donalds Figur über die Jahre, der anfangs sehr lange Schnabel war recht schnell verschwunden.
Ebenfalls 1934 beginnt der Siegeszug des Erpels in Comics - mit einer Adaptation von „The Wise Little Hen“, gezeichnet von Al Taliaferro, der dann lange Zeit Zeitungsstrips mit Donald erschuf (die Auswahl für das Buch ist repräsentativ). Die Chronik bietet ein farbenfrohes Potpourri aus Comics, Titelblättern, Entwürfen und Merchandise-Produkten zu diesem Thema. Eine umfassende Würdigung erfährt Carl „The Duck Man“ Barks, dessen vorher nie veröffentlichte Storyboard-Zeichnungen neben Charakterstudien, Gemälden und natürlich Comics abgebildet sind. Die Autoren beschreiben knapp und unterhaltsam, wie Barks (und Kollegen) die Geschichten anlegten und weiterentwickelten.
Die US-Disney-Magazine mit Titelblättern von Barks (eine Auswahl glänzt hier im XXL-Format) erreichten im September 1953 einen Auflagenhöhepunkt von rund 3,04 Millionen Stück, liest man unter einer collageartigen Übersicht, die Disney-Hefte aus aller Welt zeigt. Ein ganzes Kapitel beschäftigt sich mit Cartoons, die verworfen wurden. Und am Ende blickt man in die Zukunft der Figur, der dann auch der letzte Satz im Band gehört: „Vielleicht bin ich nur eine Ente“, beschwert sich Donald in „Early to Bed“ (1941), „aber ich bin menschlich.“ Das „Mickey Mouse Magazine“ titelte 1936 (im Band zu sehen): „Donald Duck for President“ - es gibt schlechtere Wahlen …
Von Wolfgang Hauptmann/APA
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