„Der Tod kommt, wann er will“ oder nach Termin beim Tierarzt. Die Trauer bleibt trotzdem unkontrollierbar.
Schreiben soll helfen. Aber wo soll ich anfangen? Vor neun Jahren, als wir als Familie nach Niederösterreich fuhren und mit einem vierbeinigen Familienmitglied nach Hause kamen? Vor einem halben Jahr, als die Gelenkprobleme unserer Berner Sennenhündin von Tag zu Tag schlimmer wurden? Oder vor drei Monaten, als beim Abendessen zum ersten Mal das Wort „Einschläfern“ fiel?
Es war also vorhersehbar und doch überraschend, als mein Papa an einem Mittwochmorgen in mein Zimmer kam, mit nachdenklichem Blick, Dreitagebart und Sorgenfalten auf der Stirn. Ich hatte mir gerade die Haare gekämmt. „Ich hole Tonja heute um 10.00 Uhr ab und bringe sie zum Tierarzt.“ Der Schock saß tief, mir fehlten die Worte. Still schauten wir uns gefühlt minutenlang an, bis er ergänzte: „Sie wird ohne Schmerzen einschlafen können.“
„Das stimmt“, versichert mir Tierarzt Bernd Hradecky, als ich ein paar Tage später in seiner Praxis in Lienz nach Antworten auf Fragen suche, die mir erst Stunden nach dem Gespräch mit meinem Papa in den Sinn kamen. 1992 hat der Veterinär seine erste Praxis in Matrei eröffnet, acht Jahre später übersiedelte er in die Bezirkshauptstadt. „Die Tiere spüren höchstens den Piekser der Spritze.“
Tief dunkelbraune Augen schauten mich an, während ich gezwungen ruhig über das weiche, schwarz-braune Fell streichelte. Tonja lag noch zu Hause, es war 8.30 Uhr. „Weißt du, was passieren wird?“, dachte ich und hoffte, sie spürt meine innere Aufregung nicht. Der Abschied wurde nicht leichter, je länger ich zögerte. Ein letzter Kuss auf die Stirn und ein „hab dich lieb“ rutschte mir über die Lippen.
Ich wusste nicht, was passieren wird. Wie läuft ein Einschläferungs-Prozess ab? Wohin wird Tonja danach gebracht? Meine Neugier brachte mich um. Der Besuch bei Bernd Hradecky half. Daher sitze ich Tage später an einem schönen Herbstvormittag in seiner Tierarztpraxis. Er ist groß, ein Baum von einem Mann, mit einer ruhigen Stimme. Und mit der Erlaubnis, ein Tierleben zu beenden.
„Das ist eine hochemotionale Situation für die Besitzer, sich durchzuringen, dass es jetzt soweit ist, das Haustier zu erlösen“, erklärt Hradecky. Ist die Entscheidung gefallen, gibt es zwei Möglichkeiten. Die Besitzer:innen bringen das Haustier entweder in eine Praxis oder der Tierarzt kommt ins Haus. „Ich mache das nicht ungern bei den Besitzern zu Hause, weil es einfach eine feinere Umgebung ist und weil das eben so hoch emotional ist, soll das möglichst ruhig ablaufen. So ist es weniger stressig für das Tier und kann trotz der schwierigen Situation für alle doch ein bisschen ein angenehmes Hinübergleiten sein.“
„Die Tiere spüren höchstens den Piekser der Spritze.“
Bernd Hradecky, Tierarzt
An einem Mittwoch fuhr mein Papa mit Tonja im Kofferraum zum Tierarzt. Unsere neunjährige Berner Sennenhündin zeichnete sich schon immer durch ihr ruhiges Wesen aus und war, wie mir mein Papa später am Abend erzählte, auch an diesem Morgen nicht aus der Ruhe zu bringen. Mit der Spritze in der Hand, kam der Tierarzt nach draußen und injizierte Tonja das Betäubungsmittel in der ihr gewohnten Umgebung.
„Die Tiere bekommen erst eine Vollnarkose, wie vor einer Operation. Dann kriegen sie nichts mehr mit.“ Je nachdem wie aufgeregt oder gestresst das Tier ist, kann dieser Einschlafprozess kürzer oder länger dauern. Im Schlaf bekommt das Tier die tödliche Überdosis eines Narkosemittels, das zum Herz- und Atemstillstand führt. Tierarzt Hradecky zeigt mir eine solche Spritze. Er erklärt: „Man muss sehr vorsichtig sein, dass man das Mittel nicht selbst zum Beispiel auf eine Wunde bekommt. Es ist sehr stark!“
Rund zehn Minuten, nachdem Tonja die erste Spritze verabreicht bekommen hatte und eingeschlafen war, tat sie ihren letzten Atemzug. Gemeinsam mit dem Tierarzt hob Papa unsere Hündin aus dem Kofferraum in eine Art Box, er nannte es „Schaffl“. Dann waren noch 250 Euro zu bezahlen. Je nach Tier und weiterem Verfahren variiert der Preis.
Unsere Hündin wurde vom Tierarzt zur Tierkörperverwertung nach Dölsach gebracht und dort verbrannt. Für die Entsorgung von Rindern und Pferden kostet diese Variante in Osttirol nichts. „Auch Hoftiere werden eingeschläfert und zwar immer häufiger, aus Tierschutzgründen“, weiß Hradecky. Aufgrund der Kosten für Betäubungsmittel und Dienstleistung kann der Preis jedoch zwischen 120 Euro für Katzen und 400 Euro für Pferde liegen. Dabei spielt es auch eine Rolle, ob der Eingriff tagsüber oder im Notfall nachts erfolgt.
Die zweite und immer beliebtere Variante ist die Feuerbestattung. Für Haustiere gibt es eigene Tierbestatter. In Lienz geht Claudia Wallensteiner dieser Tätigkeit nach und spürt den Aufwärtstrend: „Ich habe heuer schon ein Plus an Kunden von rund 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.“
Seit Anfang dieses Jahres begrüßen die drei Rentnerkatzen Felix, Hope und Putzi die Kund:innen in Wallensteiners Bestattungsunternehmen in der Kärntner Straße. Sie sind es, die Wallensteiner Trost spenden, nach einem langen Tag der Trauerberatung und Trauerhilfe. Ihr Angebot umfasst die Abholung von zu Hause oder vom Tierarzt, den Transport zum Krematorium in der Steiermark und die anschließende Verarbeitung der Asche: mit Schmuckstücken, Schlüsselanhängern, Abdrücken auf Schieferplatten oder einer handbemalten Urne für zu Hause können die verstorbenen Lieblinge in Erinnerung behalten werden.
Ein anderes Wort für die Tötung eines kranken oder verletzten Tieres durch eine dazu befugte Person ist Euthanasie. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „gut sterben“. Es ist gut, wenn Tiere nicht leiden müssen. Es ist gut, dass man sich vorbereiten kann. Es ist gut, dass es Angebote gibt, um die Lieblinge in Erinnerung zu behalten. Die Trauer bleibt trotzdem unkontrollierbar.
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Familie (von lateinisch familia „Gesinde“, „Gesamtheit der Dienerschaft“, einer Kollektivbildung von famulus „Diener“) bezeichnet soziologisch eine durch Partnerschaft, Heirat, Lebenspartnerschaft, Adoption oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft, meist aus Eltern oder Erziehungsberechtigten sowie Kindern bestehend, gelegentlich durch weitere, mitunter auch im selben Haushalt lebende Verwandte oder Lebensgefährten erweitert. Die Familie beruht im Wesentlichen auf Verwandtschaftsbeziehungen. Ein "vierbeiniges Familienmitglied" sollte uns zu denken geben. Auch wenn ich die emotionale Bindung durchaus verstehe.
man muß familie nicht zwingend nach vorgaben definieren. es soll jeder - vor allem tierliebhaber - so benennen, wie es ihm/ihr das gefühl vorgibt. was soll das bitte??
Mein Beileid, so traurig...
Bei diesem Bericht kamen mir die Tränen, auch unsere 1. Hündin musste vor Jahren erlöst werden und die nächste Tragödie wird in Jahren wieder auf uns zukommen.
Ist halt wie bei uns Menschen, zum Leben gehört auch der Abschied und die Trauer.
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