Das Auswandern, ob gewollt oder ungewollt, hat in Osttirol eine jahrhundertelange Tradition und führte schon immer aus dem überschaubaren dörflichen Leben in die Unübersichtlichkeit großer Städte, was gravierende Veränderungen im Sozialleben mit sich bringt. In der Millionenstadt trifft man alte Bekannte oder Gleichgesinnte nicht zufällig, man muss sie suchen und sich verabreden, was einem großstädtischen Verein seit 40 Jahren ganz ausgezeichnet gelingt: dem „Club Osttirol“ in Wien.
Ihr Jubiläum feierten die Protagonist:innen des Clubs mit 180 Osttirol-affinen Gästen in einem spektakulären Rahmen, dem historischen Hörsaal des Josefinums. Hochkarätig war neben der Gästeschar auch das Programm, musikalisch wie inhaltlich angesiedelt zwischen Volkskunde und Klassik, unterhaltsam und lehrreich wie das Klubleben selbst, das seit Jahrzehnten nicht nur Vernetzung und Unterhaltung, sondern viel Kultur und Wissensvermittlung anbietet.
300 Veranstaltungen waren es allein seit der Jahrtausendwende, erzählte Heinz Kröll, langjähriger Obmann des Vereins. Unter den Zuhörern fanden sich mit Norbert Totschnig ein amtierender Minister, das angereiste Bürgermeistertrio Vitus Monitzer (St. Veit), Erika Rogl (Kals) und Markus Stotter (Oberlienz) sowie die Spitzen anderer Tiroler Clubs in Wien.
„Der Club Osttirol ist kein Heimwehverein!!!“, schreibt dessen langjähriger Organisator und Botschafter Peter Unterweger mit drei Rufezeichen in die Presseaussendung zur Veranstaltung und verweist damit schon auf den feinen Unterschied zwischen der Sehnsucht nach Rückreise und dem Heimatbewusstsein als – mehr oder weniger kritische – Reflexion der eigenen Wurzeln.
Diese Wurzeln wurden natürlich auch am Jubiläumsabend zur gemeinsamen Klammer, unter der sich eine geballte Ladung Kulturschaffender zusammenfand. Das Ensemble des Sinfonieorchesters Lienz unter der Leitung von Gerald Mair sorgte für den musikalischen Rahmen der Feier, Robert und Agnes Wolf traten ebenso auf, wie Singersongwriter Vinzent Nussbaumer. Osttirols Literaturszene war durch Wanda Furtschegger vertreten und die künstlerische Avantgarde durch Julius Deutschbauer. Anthropologisch leistete einmal mehr Stefan Verra erhellende Aufklärungsarbeit, indem er dem Publikum einen Spiegel vorhielt und die entscheidende Frage für die spontane Identifizierung gemeinsamer Herkunft stellte: „Spricht dein Körper osttirolerisch?“
Souverän moderiert wurde der festliche Abend vom Obfrauentrio des Vereins, Lisa Unterweger, Heidi Reischitz und Fabienne Steiner. Das vereinseigene Musiktrio begleitete den kulinarischen Festausklang mit Volksmusik.
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