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Setzen wir im Leben die richtigen Prioritäten?

Ein preisgekröntes Projekt von drei Designstudenten hilft bei der Suche nach der Antwort.

Die Visualisierung von Daten ist in einer digital geprägten Kommunikationsgesellschaft ein spannendes Thema, das noch einen zusätzlichen Reiz erhält, wenn man selbst vom visuellen Ergebnis betroffen ist. Bestes Beispiel sind die ungezählten Apps zum Selbsttracking, von Schlaf bis Fitness und von Bildschirmnutzung bis zur Pulsfrequenz.

Drei Absolventen der Fachhochschule für Kommunikationsdesign in Salzburg, darunter mit Bastian Gasser ein Sillianer, wählten für eine außergewöhnliche Semesterarbeit nicht nur visuell sondern auch konzeptiv einen weniger egozentrischen als politischen Zugang zum Thema persönliche Datenvisualisierung: „In unserer heutigen Gesellschaft streben wir ständig danach, einem bestimmten Idealbild zu entsprechen. Es gilt als erstrebenswert, viel zu arbeiten – denn wer viel arbeitet, wird belohnt. Als Folge davon steht dauerhafter Stress auf der Tagesordnung“, so beschreibt Bastian Gasser den Grundgedanken hinter dem Projekt PRIO, einem Kürzel für Priorität. 

Er und seine Kollegen Florian Weger und Timo Asch gründeten für das Projekt das „Kollektiv Schlaflos“ und entwickelten eine interaktive Oberfläche, die nicht nur an der Fachhochschule für Anerkennung sorgen sollte.

Florian Weger, Timo Asch und Bastian Gasser gewannen als studentisches „Kollektiv Schlaflos“ mehrere Kreativpreise. Foto: Schlaflos

Gasser: „Mithilfe des Projekts PRIO wollten wir die negativen Auswirkungen von Stress im Alltag sichtbar machen. Das Projekt stellt die Realität in Frage, verdeutlicht falsche Ideale und ermutigt dazu, bewusst Prioritäten zu setzen.“ Umgesetzt wird dieser Anspruch mit einer Online-Anwendung, die nicht nur aufschlussreich, sondern auch hübsch vermittelt, wie wir unsere Lebenszeit – zumindest in großen Schubladen gedacht – verbringen.  

Die Umrechnung von prozentuellem Zeitverbrauch in farbige, miteinander korrelierende Flächen verstärkt den Aha-Effekt und könnte, zum Beispiel als gerahmter Ausdruck an der Wand, sogar zum kreativ mahnenden Zeigefinger werden: Nimm dir mehr Zeit für dich! 

Am Ende einer kurzen Online-Befragung hat man es vor sich, das aufschlussreiche Diagramm der eigenen Lebenszeit-Aufteilung. Foto: Schlaflos

Das farbenfrohe Fragenraster als programmiertechnische Designspielerei zu begreifen, wäre aber zu kurz gegriffen und wohl noch nicht ausreichend gewesen für mehrere Kreativpreise, die das Projekt einheimste, darunter Gold beim Young Ones ADC in New York. Die jungen Designer dachten über Smartphone und Laptop hinaus und entwickelten auch eine visuell spannende Kampagne zur Bewerbung der Work-Life-Thematik im öffentlichen Raum. 

Gasser und seine Kollegen verstehen PRIO als kreativ umgesetzte Kritik am Neoliberalismus und der Unterwerfung des Einzelnen unter die kapitalistische Produktions- und Arbeitslogik: „Durch die Datenvisualisierung werden die Betrachter:innen mit der Gestaltung ihrer Lebenszeit konfrontiert. Man sieht, wie man sein eigenes Leben in Form von vier Blöcken im Verhältnis zueinander verbringt und wie wenig Zeit man eigentlich für sich selbst hat. Das ist beklemmend und wirft Fragen auf. Wo ist mein Leben? Und schlussendlich: Wem gehöre ich?“

Der Sillianer Jungdesigner könnte freilich schon bald zu einer Neuberwertung der eigenen Lebenszeit gezwungen sein. Er hat mittlerweile sein Studium hinter sich und eine eigene Firma gegründet, das Designstudio „Kurzform“, das auch Osttiroler Kunden betreut. Leicht möglich, dass sich Bastians Work-Life-Balance bald stark in Richtung „Work“ verschiebt.

Wenn Sie, geschätzte Leser:innen, gern Ihr Lebenszeitraster sehen würden, dann klicken Sie hier!

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

Ein Posting

wolf_C
vor einem Monat

... tja, solange es unbezahlte Arbeit gibt ...

 
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