Hans Pontiller wurde dem heimischen Publikum in einer umfangreichen Retrospektive zum letzten Mal 1997 in der Städtischen Galerie Lienz vorgestellt. Dass das Datum mit dem 40-jährigen Bestandsjubiläum eines ortsansässigen Autohauses koinzidierte, war alles andere als ein Zufall: Der 1887 in Jenbach geborene Bildhauer stammte aus derselben Dölsacher Familie, die hier seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar ist.
Im vergangenen Jahr erschien eine umfangreiche Monografie, deren Autorschaft quasi das Who is who der Tiroler Kunstgeschichtsschreibung der Moderne – u. a. Gert Ammann, Matthias Böckl, Günther Dankl und die gebürtige Matreierin Ursula Marinelli – versammelt. Am Sonntag, 22. September, wurde das Buch im Rahmen einer Matinee auf Schloss Bruck vorgestellt.
„Die meisten Menschen kennen nicht den Unterschied zwischen Skulptur und Plastik.“ In den Worten Roland Pollos, der das von seinem Schwiegervater, dem Innsbrucker Architekten Peter Pontiller begonnene Projekt redigiert hat, findet der didaktische Anspruch, der das Buch mit dem technisch vielseitigen Bildhauer und Lehrer verbindet, seinen leidenschaftlichen Ausdruck.
Nachdem er im Jahr zuvor eine Berufung nach Berlin ausgeschlagen hatte, unterrichtete Hans Pontiller von 1929 bis 1952 an der Bundesgewerbeschule in Innsbruck. Der Mehrwert, den er dort über den Umgang mit Schnitzeisen und Meißel hinaus weitergab, war nach Otto v. Lutterotti, der schon 1971, ein Jahr nach dem Ableben Pontillers eine Monografie publizierte, eine „individuelle Erziehung und die Hinführung zur beseelten Form“. Oswald Oberhuber und Rudi Wach, aber auch der in Osttirol durch zahlreiche Steinskulpturen im öffentlichen Raum vertretene Gottfried Fuetsch gingen durch die Schule Pontillers. Doch wo lernte er selbst?
Während seiner Lehrzeit bei einem Kunsttischler in Schwaz begegnete Pontiller dem Stubaier Bildhauer Ludwig Penz, der für ihn nicht nur im Hinblick auf die Gestaltung der Monumentalfigur prägend sein sollte. Penz animierte den Sechzehnjährigen auch zum Zeichnen nach den Wandbildern des Schwazer Franziskanerklosters, wo dieser einen für seine frühen Jahre charakteristischen altdeutschen Stil einüben konnte. 1910 schrieb sich Pontiller an der Kunstgewerbeschule, der heutigen „Angewandten“, und ab 1915 an der Akademie der bildenden Künste in Wien ein, wo er vier Jahre später auch diplomierte.
Pontillers Schaffen erstreckt sich von der ersten Republik und dem Ständestaat über das zerstörerische Intermezzo des Nationalsozialismus bis in die beiden Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, welche die Allianzen von Kunst und politischer Macht ein für alle Mal abzustreifen bemüht waren. Die Wandlungsfähigkeit, die Pontillers Spätwerk namentlich in seinen Bildnisbüsten beweist, sind der Vielfalt des Materials – Stein, Bronze, Holz, Terracotta – vor allem aber der Gestaltungsaufgabe, dem Charakter der Portraitierten, geschuldet und weniger der Weiterentwicklung des eigenen Stils.
Kontinuität und Konstanz fand Pontiller, der nie aufgehört hat, sich mit aktuellen Strömungen, mit Marino Marinis Reiterstatuen oder Giacomo Manzùs Tänzerinnen auseinanderzusetzen, im Festhalten an der Figur, die im sakralen Kontext ihre stärksten Manifestationen erlebt. In den 1950er Jahren tritt durch die Vorstellung einer würdevollen, nichtsdestotrotz jedoch expressiven Patina eine Farbigkeit hinzu, die das mystische Moment mittelalterlicher Kunst einzufangen versucht, indem es die Körperplastik zugunsten des rein malerisch Abstrakten entwertet.
Für Ursula Marinelli, die sich in ihrem Beitrag mit dem Thema beschäftigt, besetzt das farbig gefasste Holz, das weniger Fehler verzeiht als Ton oder Gips, mehr jedoch als der Stein, eine Mittlerposition zwischen Skulptur und Plastik. Nach der Lektüre des Buches wird man den Unterschied noch im Schlaf hersagen können!
4 Postings
Danke. Mich hat bei Pontiller einiges eher an Wilhelm Lehmbruck als an Schlossbruck erinnert. Die Fachwelt hat da vielleicht ihre eigenen Kriterien.
Nein, im Ernst: Bei der Figur, die auf dem Portraitfoto zu sehen ist, lassen sich in den sehr schlanken Proportionen und der Körperdrehung Anklänge an Lehmbruck erkennen. In den übrigen Werken jedoch kaum.
Lehmbruck ?
Schlossbruck !
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