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Egger-Lienz: Ein Kulturprojekt wirft seine Schatten voraus

Hundert Jahre Kriegergedächtniskapelle als Anlass für eine große Schau und manch launige Erzählung.

Die Berufsbezeichnung „Teufelemaler“ oder „Tuifelemaler“ bezieht sich ursprünglich auf Künstler, die ihr Brot mit der Herstellung von kleinformatigen Tafelbildern, „Täfelchen“ eben, verdienten. Der 1855 in Sand in Taufers geborene, 1940 in Gaimberg verstorbene Karl Untergasser hat sich diesen Beinamen auf eine ganz andere Weise erworben: mit einer Szene, in der zu nächtlicher Stunde eine Handvoll Teufel sich über den Auferstandenen von Albin Egger-Lienz lustig machen.

Egger-Lienz soll sich darüber sehr amüsiert haben, der Lienzer Dekan Gottfried Stemberger war hingegen verschnupft. Warum wohl? Dass Untergasser sich dem heimischen Klerus anbiedern wollte, der den Bildschmuck der Kriegergedächtniskapelle und insbesondere die Interpretation des Auferstandenen skandalisierte, ist eine Erzählung, die für die Hauptbeteiligten ein unbefriedigendes Ende vorsieht. Zieht man jedoch die umgekehrte Version in Erwägung, in der Untergasser nicht Eggers Gemälde, sondern dessen Kritiker verspottet, wird die Geschichte plausibel.

Untergasser ließ das 1925 gemalte Aquarell von seiner Farbenhändlerin Paula Pernusch verstecken, um es vor der Zerstörung durch den Lienzer Dekan Gottfried Stemberger zu schützen. Erst in den 1980er Jahren rückte das Bild wieder in den Fokus der Öffentlichkeit und wurde schließlich von Pernuschs Enkelin um 5.000 Euro an den Nußdorfer Kunstsachverständigen Erich Mair verkauft, der glaubhaft versichern konnte, es keiner weiteren kommerziellen Verwertung mehr zuzuführen, dafür jedoch allgemein zugänglich zu machen.

Die Kunst und die Kirche, zwei Weggefährten, die im September 2025 in der Dolomitenbank groß aufspielen wollen. Kunstkenner Erich Mair (links) und Dekan Franz Troyer wollten aber noch nicht alle ihre Geheimnisse lüften. Foto: Dolomitenstadt/Hassler

Wo, verriet Mair bei einem am Dienstag abgehaltenen Pressegespräch allerdings nicht, ging es dort doch hauptsächlich darum, mit geschickt platzierten Hinweisen und Andeutungen die heimischen Medien für ein Jahrhundertprojekt zu begeistern: Am 8. September kommenden Jahres wird auf den Tag genau zum hundertsten Jubiläum ihrer Einweihung der Kriegergedächtniskapelle mit einer Ausstellung in der Lienzer Dolomitenbank gedacht. Dass man den Innsbrucker Bischof Hermann Glettler, der selbst schon für den einen oder anderen kirchlichen „Kunstskandal“ verantwortlich gemacht wurde, für die Segnung gewinnen konnte, verleiht dem Vorhaben eine gewisse Pikanterie.

Begleitet wird die Schau durch einen 45-minütigen Dokumentarfilm, der in ORF III ausgestrahlt wird, und durch die Bewerbung in internationalen Kulturformaten. Den zehnseitigen Bericht „einer großen Zeitschrift des Axel Springer-Verlags“ hat Mair bereits vertraglich vereinbart.

30 noch nie gezeigte Gemälde aus Osttiroler Privatbesitz werden die letzten zehn Jahre in Eggers Schaffen beleuchten, ergänzt durch Bilder Franz v. Defreggers, Hugo Engls, Karl Untergassers und des Lienzer Bildhauers, Malers und Architekten Josef Manfreda, der sich als Erster mit Gedanken zu einem Kriegerdenkmal befasste. Noch vor dem Ende des Krieges wandte er sich an Franz v. Defregger, der ihm durch seinen Sohn jedoch ausrichten ließ, dass er sich mit einer Widmung lieber bis zum Projektabschluss zurückhalten wolle. Kurze Zeit später nominierte Manfreda in einem Schreiben an die Stadt u. a. auch Egger-Lienz, wohl um die kühne Idee durch einen für die Höhe der Zeit bürgenden Namen zu adeln.

Im August 1923 wurde er schließlich vom Lienzer Bürgermeister Johann Oberhueber um die Ausarbeitung von Plänen gebeten, nur um drei Monate später vom Landeskonservator Josef Garber zu erfahren, dass die Ausführung des Bezirkskriegerdenkmals durch Clemens Holzmeister und Egger-Lienz unwiderruflich beschlossene Sache sei. Manfredas noch 1959 geäußerte Kritik, dass „der Architekt nichts von den Gesetzen der Bildbetrachtung und der Maler nichts von den eigentlichen Aufgaben der Baukunst verstand“, ist weniger Ausdruck einer nicht verwundenen Kränkung als seiner eigenen Positionierung gegenüber der künstlerischen Moderne.

Mit dieser Darstellung des Auferstandenen machte sich Albin Egger-Lienz jedenfalls keine Freunde in Rom. Foto: Dolomitenstadt/Niederwieser

Am 6. Mai 1926 verhängte das Heilige Offizium in Rom, die Nachfolgeeinrichtung der Inquisition, das Interdikt über die Kapelle, das jede kirchliche Feierlichkeit, einschließlich der Beisetzung des im November desselben Jahres verstorbenen Egger-Lienz untersagte bzw. von der Entfernung des „Auferstandenen“ abhängig machte. Es erlosch erst 1983.

„Niemals“, so hieß es im Corpus Iuris Canonici von 1917 „darf der Ordinarius – der Diözesanbischof oder dessen Vertreter – in Kirchen oder anderen geheiligten Stätten Bilder einer falschen Lehre oder solche, die nicht der geschuldeten Schicklichkeit und Ehrwürdigkeit entsprechen, oder den Ungebildeten Gelegenheit zu gefährlichen Irrtümern bieten, anzubringen erlauben“. Mit der Segnung durch Bischof Sigismund Waitz war die Approbation jedoch schon geschehen, und es bleibt offen, welches Delikt im Sinne des Kirchenrechts die Beugestrafe tatsächlich rechtfertigte.

Man könne noch nicht alle Details preisgeben, beantwortete Erich Mair die Frage, ob man die Zeit bis zur Ausstellung auch nutzen will, um die seit Jahrzehnten wiederholten und manchmal abenteuerlich variierten Klischees neu zu prüfen. Man darf gespannt sein. Die ersten Köder sind ausgelegt, die Schnitzeljagd ist eröffnet!

Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

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vor einer Woche

Danke lieber Erich, dass du dich diesem interessanten Thema widmest. Als "Karl-Untergasser-Fan" bin ich schon sehr gespannt, was du alles zusammengetragen hast und was es alles zu diesem Thema zum Erfahren gibt. Bitte mach weiter so und lass nicht locker .....

 
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