Aus zweierlei Gründen glaubt der Hydrologe Günter Blöschl trotz voraussichtlich sehr hoher Niederschlagsmengen in den kommenden Tagen nicht an eine Wiederholung der extremen Donau-Pegelstände der Jahre 2002 und 2013: Einerseits können die Böden nach dem relativ trockenen August viel Wasser aufnehmen, andererseits verheißt diesmal der massive Temperatursturz auch viel Niederschlag in Form von Schnee. Regional kann es dennoch zu Hochwässern kommen, die „auch groß sein können“.
Die aktuelle Wetterlage sei auf jeden Fall „speziell“, so der Vorstand des Instituts für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der Technischen Universität (TU) Wien gegenüber der APA. Man hat es wie auch 2002 und 2013 mit einer Vb-Wetterlage (gesprochen: 5b) bzw. Vb-Zugbahn zu tun. Das bedeutet, dass warme Luft aus dem Mittelmeerraum sich entgegen dem Uhrzeigersinn in Richtung Mitteleuropa bewegt, wo sie auf kalte Luftmassen trifft. Das erzeugt in der Folge die großen Regenfälle.
Aktuell verschärft sich das bekannte Phänomen, das Blöschl u.a. 2019 im Fachblatt „Journal of Geophysical Research“ über Jahrzehnte hinweg analysiert hat, durch das besonders warme Mittelmeer. Zudem bewegt sich das Tiefdrucksystem sehr langsam: „Das heißt, dass es im selben Gebiet dann lange Zeit regnet. Das macht hydrologisch einen großen Unterschied aus. Man hat mehr Wasser für das Hochwasser.“
Es gibt aber aus wissenschaftlicher Sicht momentan zwei Gründe, „warum die Hochwässer vielleicht doch nicht so dramatisch ausfallen“, erklärte Blöschl. Im August fielen österreichweit nur rund 70 Prozent des Regens, der aufgrund der langjährigen Durchschnittswerte zu erwarten war. Die trockenen Böden mit ihren zusätzlichen Kapazitäten zur Wasseraufnahme könnten nun „abdämpfend“ wirken.
Wenn jetzt die Schneefallgrenze zusätzlich auf um die 1.000 Meter massiv absinkt und viel Niederschlag als Schnee fällt, nimmt das ebenfalls Druck aus der Gesamtsituation. Denn ein sukzessives Abschmelzen des Schnees über längere Zeit hinweg sorgt in der Regel für niedrigere Spitzenpegelstände. Der Abfluss verteilt sich besser.
„Das heißt: Für die Donau erwarte ich hohe Wasserstände, aber keinesfalls ein Extremhochwasser“, betonte Blöschl. Im Süden des Landes sei - großflächiger betrachtet - ebenso eher „ein kleines Hochwasser“ zu erwarten. Blicke man auf kleine Gebiete und Zubringer der großen Flüsse, sehe die Situation anders aus, so der Hydrologe: Denn in großflächige Regen-Systeme können Zellen eingebettet sein, die lokal für nochmals größere Niederschlagsmengen sorgen.
Das kann also regional zu durchaus starken Überschwemmungen und Hangrutschungen „eher an mittleren und kleinen Flüssen“ führen. Problematisch könnte es etwa im Mariazellerland und entlang der Traisen oder der Erlauf werden, erklärte der Hydrologe - auch weil die Niederschlagsprognosen nun schon seit mehreren Tagen recht konsistent auf diese Regionen als Hotspots hinweisen.
Insgesamt sieht Blöschl Österreich gut auf Hochwässer vorbereitet. Aus den großen Ereignissen der vergangenen Jahrzehnte seien auch behördenseitig die richtigen Schlüsse gezogen worden. Die Prognosemodelle hätten sich ebenso deutlich verbessert. Noch Nachholbedarf sieht der Hydrologe aber im Bereich der Privathaushalte, wo die Möglichkeit von Überflutungen mancherorts noch zu wenig mitgedacht würde. Ebenso problematisch sei, dass immer noch auch in hochwassergefährdeten Gebieten gebaut werde.
„Die ‚Awareness‘ ist noch nicht so gut, wie sie sein könnte. Es gibt aber auch bei den Privaten eine positive Entwicklung“, sagte Blöschl, der ins Treffen führte, dass die Ereignisse im deutschen Ahrtal im Jahr 2021 mit knapp 200 Toten sehr wohl wahrgenommen wurden. Ebenso gab es nach diversen lokalen Überflutungen in den vergangenen Jahren hierzulande immer wieder Schadensfälle, die Menschen zum Nachdenken anregten.
2 Postings
... der hat sich verspekuliert ...
Ein Experte ist ein Mensch, der hinterher genau erklären kann, warum seine Prognose nicht gestimmt hat.
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