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Aktivistinnen des Vereins gegen Tierfabriken machen spürbar und sichtbar was es heißt, auf einem Vollspaltenboden zu leben. Foto: VGT

Aktivistinnen des Vereins gegen Tierfabriken machen spürbar und sichtbar was es heißt, auf einem Vollspaltenboden zu leben. Foto: VGT

Wann bekommen Schweine endlich Stroh, Herr Minister?

Aktivisten des Vereins gegen Tierfabriken übernachteten auf einem Vollspaltenboden in Innsbruck.

Nach der Besetzung der Tiroler ÖVP Zentrale Anfang Juni, drängten AktivistInnen des VGT am Dienstag und Mittwoch in Innsbruck erneut auf die Umsetzung des Verbots von Vollspaltenböden in der Schweinezucht. Während man sich im Juni noch innerhalb der ÖVP-Parteizentrale mit Fahrradschlössern aneinander gekettet hatte und ein Gespräch mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig forderte, griff man diesmal zu einer anderen Maßnahme.

Um das Tierleid den Menschen nahezubringen, hatten die AktivistInnen vor dem touristisch hochfrequentierten Innsbrucker Rathaus einen Vollspaltenboden platziert. Auf diesem harrten sie für 24 Stunden aus. Interessierte Passanten, denen die Argumente für eine artgerechte Tierhaltung nicht ausreichten, durften sich dabei ebenso im Sitzen auf dem Betonboden versuchen. "Ich glaube, wenn man sieht, wie Menschen auf dem Vollspaltenboden sitzen, wird einem besser veranschaulicht, wie schlimm es für Schweine ist, darauf zu leben", erklärt Nicole Staudenherz vom Verein gegen Tierfabriken.

Anfang des Jahres hatte der Verfassungsgerichtshof das Tierschutzgesetz der Bundesregierung aus dem Jahr 2022 aufgehoben. Dieses sieht die Abschaffung von Vollspaltenböden mit 2023 vor. Für bestehende Betriebe gilt jedoch eine Übergangsfrist bis 2040. Eine 17-jährige Übergangsfrist sah das Verfassungsgericht als nicht gerechtfertigt an, da dies nur den Investitionsschutz für Betriebe sicherstelle, aber nicht den Tierschutz.

Wie bei vielen anderen Themen herrscht in der Koalition seit Jänner Stillstand. Der für Tierwohl zuständige Minister, Johannes Rauch von den Grünen, legte bereits einen Entwurf vor, der das Ende der Übergangsfrist mit 2030 festmacht. ÖVP-Landwirtschaftssprecher Georg Strasser präsentierte hingegen einen Entwurf, der ein Ende der Vollspaltenböden frühestens im Jahr 2036 vorsieht. Für Betriebe, die nach 2013 gegründet wurden, solle hingegen das Ende der Vollspaltenböden wie vorgesehen mit 2040 gelten. Der Tristacher Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig schweigt.

Georg Prinz ist selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen und überzeugt: „Die ÖVP ist leider die Partei, der der Tierschutz am wenigsten wichtig ist.“ Foto: Dolomitenstadt/Steger

Einer, der dieses Schweigen hautnah mit vier weiteren Aktivistinnen miterleben konnte, ist Georg Prinz. Er zählt zu den fünf Personen, die die ÖVP-Zentrale besetzten und ein Telefonat mit dem Minister vergeblich forderten. Er erzählt, dass der VGT anlässlich der Nationalratswahl alle Parteien um ihre Haltung zum Tierschutz befragt habe. Lediglich von der ÖVP sei keine Antwort gekommen.

„Die ÖVP ist leider die Partei, der der Tierschutz am wenigsten wichtig ist“, so Prinz, der im Gespräch mit Dolomitenstadt berichtet, dass er selbst fünf Jahre Bauernbund- und ÖVP-Mitglied gewesen sei. Der gebürtige Niederösterreicher ist auf einem Bauernhof aufgewachsen. Schon in jungen Jahren sei ihm aufgefallen, dass die Tierzucht in Österreich nicht dem Standard auf dem eigenen Hof entspricht. Damals habe er sich entschieden, vegan zu leben und sich später dem Tierschutz gewidmet. Dem Vorschlag von Minister Rauch für ein Ende von Vollspaltenböden mit 2030 kann er viel abgewinnen. "Die ÖVP zeigt hingegen keine Veränderung und will erst mit 2036 beziehungsweise 2039 ein Ende dieser Schweinehaltung. Daher sehen wir uns auch verpflichtet, den Blockierer zu benennen", erklärt Prinz mit Verweis auf die Plakate, die im Rahmen der Protestveranstaltung zu sehen waren.

Norbert Totschnig der am Dienstag zu Wahlkampfzwecken in Innsbruck weilte, kenne, wie sein Ministerium auf Anfrage von Dolomitenstadt mitteilt, die Anliegen der Tierschützer. Österreich sei jedoch Vorreiter beim Tierwohl. Um das Tierwohl weiter konsequent umsetzen zu können, brauche es eine machbare Lösung bei den Übergangsfristen. Ohne diese laufe man Gefahr, dass zum Start der nächsten Grillsaison zwei Drittel des Schweinefleisches importiert werden müssten.

Wie schon beim ÖVP-Nein zum Renaturierungsgesetz argumentiert das Landwirtschaftsministerium mit der Lebensmittelsicherheit und richtet auch gleich eine Botschaft an den grünen Bundesminister: „Wir haben bereits wissenschaftlich fundierte Vorschläge für eine Lösung an den Tierschutzminister Johannes Rauch übermittelt. Es ist verantwortungslos von einem Tierschutzminister, aus wahlkampftaktischen Gründen die heimische Lebensmittelversorgung zu gefährden", so das VP-Ministerium. Die von der Redaktion an das Ministerium weitergeleitete Frage der Tierschutzaktivisten, wann die Schweine endlich ihr Stroh bekämen, blieb unbeantwortet. Man verwies jedoch auf den bestehenden Vorschlag, die Übergangsfrist für das Aus der Vollspaltenböden 2036 zu beenden.

Für die Tierschutzaktivisten endete das Experiment Vollspaltenboden nach exakt 24 Stunden. Zu ihnen hatte sich auch ein Passant gesellt, der selbst mehr als 20 Stunden auf der sichtlich unbequemen Betonmatratze verweilte. Im Anschluss berichteten die Tierschutzaktivisten von blauen Flecken an der Hüfte und schmerzenden Beinen. „Wir können jetzt aufstehen und gehen, die Schweine aber nicht“, lautete die Botschaft.

Michael Steger hat Politikwissenschaft studiert und arbeitet als freier Journalist in Innsbruck. Der versierte Reporter berichtet für Dolomitenstadt über aktuelle Themen rund um die Stadt- und Landespolitik.

3 Postings

so ist es vielleicht
vor 3 Monaten

Ach, dieser LW-Minister ist ja nur eine Marionette der ÖVP, mit der selben Ideologie im Kopf, deshalb habens ihn ja da hin gesetzt, "unseren Osttiroler".

Es müssen die "armen" Landwirte wirtschaftlich geschützt werden, was interessiert da die ÖVP, wie es den Tieren geht, die sind ja keine Wähler.

Wenn man die Fördergelder so steuern würde, dass damit die Umbauten für Ställe leichter finanziert werden können, würden wohl viele Landwirte umstellen. Aber solange eine ÖVP regiert, wird sich in Sachen Tier- und Umweltschutz wenig tun, zuerst muss das wirtschaftliche Geldbörserl satt gefüllt werden, bevor man Abstriche macht. Das beste Bsp. ist in Osttirol wohl die RGO, die nur auf satten Reingewinn ausgelegt scheint. Nur noch beschämend, diese Partei mit ihren Vertretern!

Ein Dr. Franz Fischler war noch ein wählbarer ÖVP'ler mit Handschlagqualität und Verstand, dem ich heute noch gerne zuhöre, wenn er was zu sagen hat. Die meisten heutigen Vertreter in der ÖVP sind doch nur noch Mitläufer und Populisten, ohne echter eigener Meinung und ohne Rückgrat und noch weniger Hausverstand! Schade!

 
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Medan
vor 3 Monaten

Die einen sprechen von der Gefährdung der heimischen Lebensmittelversorgung, die anderen von Überproduktion. Wie schaut die Wirklichkeit aus? Oder betrifft es einfach Bereiche, die miteinander nichts zu tun haben?

 
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    F_Z
    vor 3 Monaten

    Das ist nicht so einfach zu beantworten... Wenn die Österreicher ihren Fleischkonsum auf ein medizinisch empfohlenes Niveau senken würden, also gesünder leben würden, dann könnte man ca. 25% der landwirtschaftlichen Fläche in Österreich außer Nutzung stellen, und immer noch gleichviel Nahrung (also den selben Nährwert) produzieren wie jetzt. Natürlich könnte man die freiwerdende Fläche auch anders nutzen und z.B. Pflanzen für Biosprit anbauen - aber das ist eine andere Geschichte. Zurück zur Lebensmittelversorgung: Wenn wir das so wie jetzt machen, müssen wir (Österreich) jedes Jahr 100.000de Tonnen Soja importieren, um unsere Tiere damit zu füttern deren Fleisch wir dann essen.

    Die Zahlen hab ich jetzt nicht aus meinem Kopf, und ich werde auch langsam alt, aber ich kann dir gerne aktuelle Zahlen raussuchen.

    Und das ca. 1/3 der produzierten Lebensmittel im Müll landen ist da noch nicht berücksichtigt.

     
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