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Wer hilft den Angehörigen von psychisch kranken Menschen?

Ein Gespräch mit Therapeutin Elisabeth Wagner und Selbsthilfe-Gruppenleiterin Sabine Buchberger.

Über psychische Erkrankungen wird nicht gerne gesprochen, vor allem dann nicht, wenn die eigene Familie betroffen ist. Dabei ist gerade für Angehörige das Darüber-Reden-Können ein wichtiger erster Schritt zur Begleitung psychisch erkrankter Menschen im engsten Umfeld.

Eine hochkarätige Expertin für dieses Thema ist Elisabeth Wagner, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin in Wien. Mit ihr und mit Sabine Buchberger, Leiterin der Selbsthilfegruppe HPE in Lienz, spricht Evelin Gander in diesem Podcast über die besonderen Belastungen und Fragen, mit denen Angehörige von psychisch Erkrankten konfrontiert sind.

In ihrem Buch „Psychische Störungen verstehen. Eine Orientierung für Angehörige“ schildert Elisabeth Wagner verständlich und fachlich kompetent, wie man mit psychischen Erkrankungen im eigenen Umfeld umgeht. Foto: Podcast-Screen

Elisabeth Wagner betreut seit Jahren Betroffene, aber auch deren soziales Umfeld. Um dieses zusätzlich zu unterstützen, hat die Ärztin das Buch „Psychische Störungen verstehen. Eine Orientierung für Angehörige“ verfasst. Sie stellt schädlichen Überzeugungen und fachlicher Uninformiertheit handfeste Fakten und solides Wissen gegenüber.

Sabine Buchberger leitet gemeinsam mit Bianca Monitzer die Selbsthilfegruppe HPE in Lienz. Das Kürzel HPE bedeutet Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter. Der gemeinnützige Verein hat es sich zur Mission gemacht, die Lebensqualität Angehöriger psychisch Erkrankter durch professionelle Beratung und Selbsthilfegruppen zu verbessern.

Die Leiter:innen der Selbsthilfegruppen sind meist selbst Betroffene. Bianca Monitzer weiß aus eigener Erfahrung, wie entlastend es sein kann, sich Menschen anzuvertrauen, die sich in ähnlichen Situationen befinden: „Im eigenen Umfeld gibt es oft wenig Verständnis für die persönliche Situation. Ich habe viel mit mir gehadert und hab mich gefragt, ob ich mich falsch verhalten habe. Und dann kommst du in eine Runde fremder Leute, die sagen‚ so hab ich mich auch gefühlt und die volles Verständnis zeigen, ohne Bewertung und Verurteilung.“

Sabine Buchberger, Bianca Monitzer und Evelin Gander beschäftigen sich mit einem wichtigen Thema und schildern, welche Selbsthilfe-Möglichkeiten die Angehörigen psychisch Erkrankter in Osttirol vorfinden. Foto: Dolomitenstadt/Pirkner

Einmal im Monat trifft sich die offene Gruppe zum Erfahrungsaustausch und unterstützt konkret bei der Suche nach Bewältigungsangeboten. Unter „Angehörigen“ versteht man Partner, Eltern, Freund:innen, auch einen Schulfreund oder Arbeitskollegen, der nicht mehr weiter weiß. „Den Koffer mit Lösungen gibt es nicht, das ist eine Wunschvorstellung,“ sagt Monitzer. Es gehe darum, Wege zu finden, um mit der herausfordernden Situation leben zu können.

Dem Gruppentreffen geht eine telefonische Anmeldung mit Erstgespräch voraus. Oft ist schon ein einziges Telefongespräch sehr hilfreich: „Wir verstehen uns auch als Brücke und vermitteln an die passenden Einrichtungen, weil die Angehörigen oft nicht wissen, wo sie Hilfe holen können,“ erklärt die Gruppenleiterin. Die HPE-Selbsthilfe holt auch Hilfe in die Gruppe und organisiert Vorträge vor Ort, zu Themen wie Erwachsenenvertretung für Eltern mit erwachsenen Kindern, Informationen über Rechtliches, Datenschutz und Hilfreiches zur Selbstfürsorge.

„Eine unserer ganz großen Aufgaben ist, zu vermitteln, dass Angehörige nicht egoistisch handeln, wenn sie für sich selbst Hilfe holen. “

Bianca Monitzer, Leiterin der Selbsthilfegruppe HPE

„Eine unserer ganz großen Aufgaben ist, zu vermitteln, dass Angehörige nicht egoistisch handeln, wenn sie für sich selbst Hilfe holen. Wenn man sich bis zur Selbsterschöpfung aufopfert, ist der erkrankten Person am wenigsten geholfen,“ betont Monitzer. Angehörige sind keine psychosozialen Profis und riskieren durch die intensive Dauerbelastung selbst körperlich und psychisch zu erkranken.

Mehr als ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Westeuropa ist von einer psychischen Erkrankung betroffen. Das heißt, dass jeder von uns mindestens eine psychisch erkrankte Person kennt. – So beginnt das Buch von Elisabeth Wagner und dieser Podcast. In der Folge behandeln wir Fragen, die also viele von uns betreffen, und korrigieren so manche schädliche Überzeugung, die sich eingeschlichen hat.


Weitere Informationen und Unterstützung finden Sie hier: 

HPE Webseite.
Die Beratung bei HPE ist kostenfrei und kann auf Wunsch auch anonym erfolgen, vor Ort, telefonisch, per Video oder auch online.
Sabine Buchberger: Telefon 0660 / 2111941
Bianca Monitzer: Telefon 0660 / 9910 800

Treffen der HPE-Selbsthilfegruppe: jeden 3. Donnerstag im Monat (Sommerpause Juli und August)
Anmeldung erforderlich. Ort wird bei Anmeldung bekanntgegeben.

visible.co.at: Website für Kinder und Jugendliche psychisch erkrankter Eltern.
Psychosozialer Krisendienst des Landes Tirol: 0800 400 120, täglich 08 - 20 Uhr

Literatur:
Elisabeth Wagner, Psychische Störungen verstehen. Orientierungshilfe für Angehörige. Verlag Springer. ISBN 978-3-662-63155-3


In der Serie „Reden hilft“ stellen Evelin Gander und Sabine Buchberger die unterschiedlichen Angebote und Gruppierungen der Selbsthilfe Osttirol vor, die mit mehr als 40 aktiven Gruppen ein breites Auffangnetz für all jene anbietet, die sich mit einem Problem, einer Krankheit oder einem sozialen Anliegen alleine oder auch allein gelassen fühlen.

Evelin Gander ist nicht nur Stadtführerin und Biobäuerin, sondern auch Ideenlieferantin und Geschichtenerzählerin mit viel Einfühlungsvermögen. Thema ihrer Reportagen und Podcasts ist das Leben in all seinen Facetten.

4 Postings

chilli
vor 5 Monaten

Ja da hast du recht! Es gibt aber als Option: Dr.Bühler Ingolf / Mittersill/ FA f.Psychiatrie und Dr.Peter Unterkreuter/Greifenburg /FA f.Psychiatrie. Und wie Fr.Dr.Wagner im Podcast anmerkt, nicht jede psychische Belastung bedarf einer fachärztlichen Behandlung. Als Anlaufstellen gibt es das PSZ /Maximilianstrasse 20/ Tel.050500 200, Psychotherapie Osttirol, Psychotherapie Tirol/ Alleestrasse/ Dr.Wagner Gerhard, über ÖGK, Selbsthilfe Osttirol Tel. 606290, NADA Akupunktur Tel 0660 65 68 576, Pro Mente Tirol, usw. Sabine B.

 
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    Tintifax
    vor 5 Monaten

    Psychisch erkrankten Personen fehlen häufig die Mittel und Möglichkeiten, um weite Strecken zu "überwinden" oder Wahärzte zu bezahlen. Außerdem von einem Diabetiker oder Herzkranken erwartet das ja auch keiner (Da wird im Notfall sogar der Hubschrauber nach Klagenfurt gezahlt)!!

     
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      jacqueline
      vor 4 Monaten

      Der Hubschrauber nach Klagenfurt?😅 Dir ist aber schon der Unterschied zwischen akut lebensbedrohlich oder eben nicht klar , oder? weisstdu eigentlich was ein Hubschraubereinsatz kostet ? Und wie ein solcher zu organisieren ist? Und wer dafür die Indikation stellt? Und bei welcher psychischen Erkrankung sollte denn ein Hubschraubereinsatz gerechtfertigt sein?

       
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Tintifax
vor 5 Monaten

Und wer hilft den psychisch Erkrankten?? 1 Kassen-Psychiater für den ganzen Bezirk Lienz!!! Eine überlastete psychiatrische Abteilung im Krankenhaus.

 
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