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Südtiroler Siedlung Lienz: Mehr Qualität ohne Abriss? 

Studierende der TU-Wien skizzieren Ideen für „Lienz Süd“ – und wir starten die neue Serie „Stadtgespräch“.

Nicht erst seit dem Vorstoß der Lienzer „Plattform Architektur“ und dem Vortrag von Stefan Breuer ist die Zukunft der Lienzer Südtiroler Siedlung wieder ein heißes Thema in Lienz. Hinter den Kulissen begann schon im Vorjahr ein intensives Ausloten und kreatives Planen auf akademischer Ebene. 

Eine Gruppe von Studierenden der Fakultät für Architektur und Raumplanung der TU Wien beschäftigte sich ein Wintersemester lang nicht nur mit dem in die Jahre geratenen Wohnensemble, sondern auch mit seiner stadträumlichen Umgebung. Das Interesse für die Südtiroler Siedlung und auch die angrenzende Friedensiedlung kam dabei nicht von ungefähr, wie wir im Gespräch mit Annalisa Mauri erfahren. Sie leitete gemeinsam mit Petra Hirschler die Lehrveranstaltung und schildert im Interview Motive, Forschungshintergrund und Perspektiven dieses studentischen Projekts, das im Februar dieses Jahres abgeschlossen wurde. 

Bei den Architekturtagen im Mai waren die Ergebnisse der Lehrveranstaltung dann zwar auf Schautafeln vor der Pfarrkirche zur Heiligen Familie zu sehen, doch weder die Stadtpolitik noch die Neue Heimat als Eigentümer der Südtiroler Siedlung nahmen bisher davon Notiz, geschweige denn dazu Stellung. Deshalb möchte Dolomitenstadt den studentischen Ideen für einen lebenswerten Stadtteil „Lienz Süd“ eine Bühne geben und zugleich eine Diskussion anregen, ob – wie von der neuen Heimat erst kürzlich in einer Tageszeitung bestätigt – ein Abriss der Südtiroler Siedlung unvermeidlich ist, oder auch andere Wege zu mehr stadträumlicher Qualität und einem sorgsam und nachhaltig entwickelten, gleichzeitig aber auch leistbaren Wohnraum im Lienzer Süden führen können. 

Die aufgeflammte Diskussion über die Südtiroler Siedlung eignet sich gut, um eine neue Dolomitenstadt-Serie aus der Taufe zu heben. Ihr Titel: „Stadtgespräch“. Wir möchten den öffentlichen Diskurs über brennende Themen in Lienz sowohl anregen als auch möglichst versachlichen. Alle Leserinnen und Leser sind eingeladen, mitzudiskutieren und sich einzubringen. Zum Einstieg in eine Reihe von Artikeln über den Lienzer Süden kommt TU-Expertin Annalisa Mauri zu Wort, die uns erzählt, was 19 Studierende aus Wien dazu motivierte, ausgerechnet die Kleinstadt Lienz unter die Lupe zu nehmen.

Im November 2023 erkundeten Studierende der TU Wien, angeführt von Annalisa Mauri (rechts) und Petra Hirschler (links) die Lienzer Südtiroler Siedlung. Foto: TU Wien

Wie entstand dieses Student:innenprojekt? Wer hat es initiiert? Gab es einen Auftrag dazu oder hat die Uni dieses Thema aus eigenem Antrieb aufgegriffen?

Das Projekt entstand als Testballon für das Forschungsprojekt ISEK 4, Petra Hirschler und ich (als Teil des ursprünglichen Forschungsteams) wollten einerseits die gewonnenen Forschungserkenntnisse den Studierenden mitteilen, andererseits mit ihnen deren Machbarkeit/Sinnhaftigkeit auf städtischer Ebene verifizieren. 

Wie bereiten sich Student:innen auf eine Exkursion wie diese vor?

Wir haben mit den Studierenden eine sogenannte Themenannährung in Wien bereits Anfang Oktober durchgeführt. Da ging es einerseits um das Einlesen in die Thematik (ISEK4 Publikation), andererseits um eine Recherche, wie kann ein nachhaltiger Umgang mit wertvollem Bestand funktionieren? Wo findet man Best Practice Beispiele dafür?

Wie war der Ablauf? Erzählen Sie uns ein wenig darüber, wie das Projekt vor Ort umgesetzt wurde.

Bei Exkursionen vor Ort versuchen wir immer so viele Stakeholder wie möglich zu interviewen, diesmal in Lienz Süd waren es die Gemeinderäte, die Lienzer Bürgermeisterin Elisabeth Blanik, Architekt Georg Steinklammer und Stefan Breuer von der Initiativgruppe Kanaltaler Siedlung Villach. Die Studierenden werden auch aufgefordert mit Bewohner:innen des Quartiers zu reden und ihnen zu erklären, warum sie sich gerade als Student:innen mit ihrem Stadtteil beschäftigen, bzw. im Dialog herauszufinden welche Themen die Stadtbewohner:innen gerade beschäftigen. So war es auch in Lienz.

Wie groß war die Gruppe, die anreiste, bzw. wie viele Student:innen arbeiteten jeweils einen Projektvorschlag aus?

Wir haben 19 Student:innen beider Studienrichtungen (Architektur und Raumplanung) für die gekoppelte Lehrveranstaltung aufgenommen. Die Projektvorschläge wurden in Kleingruppen (zwischen 2 und 5 Teilnehmer:innen) erarbeitet.

In Kleingruppen entwickelten die Studentinnen und Studenten im Saal der Lienzer Wirtschaftskammer ihre Vorschläge für die Südtiroler Siedlung. Foto: Mauri

Die Vorschläge sind nicht nur sachlich spannend, sondern auch sehr schön aufbereitet. Ist diese Art des Storytellings, der visuellen und sprachlichen Darstellung eines Projekts, bzw. Teil des Studiums? 

Unser ursprüngliches Forschungsprojekt ISEK4 (siehe oben) wurde mittels Storytellings für sämtliche Leser:innen zugänglich gemacht. Dies hat die studentische Arbeitsweise in dieser Gruppe stark geprägt.

Nun liegen eine Reihe sehr inspirierender Gestaltungsideen für den Süden von Lienz – speziell die Südtiroler Siedlung und die Friedensiedlung – auf dem Tisch. Es sind studentische Arbeiten, also Vorschläge von jungen Menschen in Ausbildung. Wie relevant für die praktische Stadtentwicklung, für Lokalpolitiker, Wohnbauträger oder auch Regionsmanager:innen sind solche Inputs? 

Was aus den Arbeiten der Studierenden „gemacht wird“ entscheiden nicht wir Lehrenden, wir können aus langer Erfahrung in der Didaktik berichten, solche Ergebnisse können dazu beitragen, die Augen der Akteur:innen vor Ort zu öffnen und neue, spannende und unerwartete Impulse in Gang zu setzen.

Wird das Projekt fortgeführt oder ist es nun abgeschlossen? 

Die gekoppelte Lehrveranstaltung ist bereits seit Februar 2024 abgeschlossen. Wir als Lehrende würden uns auf eine Fortsetzung freuen. Für uns und unsere Studierenden wäre spannend zu überlegen, wie man die Bevölkerung im Lienzer Süden in den Prozess einbinden könnte. In Sachen Stadtentwicklung spielt die Prozessebene eine wesentliche Rolle. Immerhin sind die Stadtteil-Bewohner:innen die vor Ort Expert:innen. Ihre Bedürfnisse fachgerecht in die Planung einzubinden, wäre nicht nur nötig, sondern absolut sinnvoll.


In der nächsten Folge von „Stadtgespräch“ präsentieren wir das erste Student:innenprojekt, das einen umfassenden Einstieg in das Thema bietet. Es trägt den Titel: „VISIONEN FÜR LIENZ – Innerstädtisches Entwicklungskonzept für die Südtiroler Siedlung und Friedensiedlung in Lienz Süd.“

Welche „Visionen für Lienz“ Studierende der TU Wien entwickelt haben, zeigen wir in den kommenden Wochen. Grafik: TU Wien. Luftbild: Retter
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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7 Postings

peter raneburger
vor 5 Tagen

leider werden solche lobenswerten initiativen von der obrigkeit meist als „angriff“ missverstanden; diskurs ist kein mittel der macht; denker sind in der politik nicht erwünscht; unabhängige meinungen (tu wien) bringen weitblick und neue sichtweisen – normalerweise ein segen für jene, deren sicht verstellt ist

 
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c.haplin
vor einer Woche

Also ich habe es so verstanden: Die Architekten wollen sanieren und adaptieren, die NHT will Neubauten und die Bürgermeisterin will verhindern, dass die Mieter mehr bezahlen müssen. Ist das so korrekt?

 
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    r.ingruber
    vor einer Woche

    Das Format bevorzugt den offenen Diskurs. Nach eindeutigen Positionen fragt man hier besser nicht. Außerdem, wer sollte Antwort geben? Die Architekten von der Plattform wollen nichts und wissen wenig. Die NHT sagt einmal dieses und dann jenes und dann wiederum etwas dazwischen oder gar nichts. Und die Frau Bürgermeisterin will verhindern, dass darüber diskutiert wird.

    Ich weiß das alles selbstverständlich auch nicht, habe aber die entsprechenden Artikel aufmerksam gelesen und einen sogar aufmerksam geschrieben.

     
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DaOsttiroler
vor einer Woche

Dieser "informative Abend" war derart irreführend dass die Verwaltung (NHT) sogar eine Information an den Eingängen der Südtiroler Siedlung angebracht hat dass dieser Abend "Weder von der NHT organisiert noch damit abgesprochen wurde."

Also scheint es als ob da jemand sich am offiziellen Weg vorbeischleichen will um Aufträge abzukassieren? So hab ich es halt mal aufgefasst.

Und jetzt denken wir mal an die Bewohner (u.A Ich) die hier wohnen. nur die wenigsten haben wirklich Interesse hier vertrieben zu werden um danach wieder in die erneuerte Siedlung zu kommen die man sich dann eventuell gar nicht mehr leisten kann, weil ja erneuert und aufpoliert. Es ist halt eine Siedlung für jene die auf Stadt geförderte Wohnungen angewiesen sind, wir Arbeiter die sich trotz Vollzeit Arbeit kaum mehr als eine der Stadt geförderten Wohnungen leisten können, WENN man überhaupt eine bekommt. Wie sich die Werten Damen und Herren das vorstellen dass das funktionieren soll ohne die Existenz von Hunderten Haushalten zu gefährden weiß ich leider auch nicht.

 
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    Hasenfuss
    vor einer Woche

    Ich habe sehr viel Verständnis für Viele, aber wir sind auch normale Arbeiter (mein Mann und ich), und wohnen in keiner Gemeindewohnung sondern haben eine Wohnung /OSG gekauft und müssen auch sinnvoll kalkulieren. Und ich kenne einige Bewohner der Südtiroler Siedlung die sehr gut verdienen und wahrscheinlich einen Bruchteil von dem zahlen was andere (die keine Gemeindewohnung haben) zahlen. Ich glaube, dass viele nur Angst haben, das gleiche zahlen zu müssen wie wir anderen Normalos. also, wie gesagt, mein Verständnis hält sich in Grenzen.

     
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wolf_C
vor einer Woche

GottseiDank, und nachdem Wien die einzige(Graz halt auch ein wenig)fortschrittliche Stadt in Sachen Verkehr ist, wird das Ergebnis das Positive sein ... und die vergangenheitliche Projektion der Bautätigkeiten(schlechte Beispiele gibt es im Lienzer Ramschniveaumarkt in Kubikmeterware)auf Spekulation, Investoren und Fondsmanagerinteressen hoffentlich sich in die ewigen Jagdgründe begeben haben!

 
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r.ingruber
vor einer Woche

Sehr, sehr danke für diesen Beitrag. Es ist schon befremdlich, wenn jungen Expertinnen von denen, die es am meisten angeht, so wenig Beachtung eingeräumt wird. Und es ist schlimm, wenn selbst entlang der im Grunde lobenswerten Initiative unserer Architekten – wie der erhellende Abend mit Stefan Breuer – den Mieterinnen und Mietern eine komplett falsche Story erzählt wird. Ich habe von Mieterinnen gehört, die Breuers höchst informativen Vortrag für eine Versammlung oder Sitzung gehalten haben, von der wenig erfreuten Kundgabe einer Frau Bürgermeisterin und, als Krönung, vom Vorschlag eines ehemaligen Gemeinderats, solche Veranstaltungen in Zukunft besser mit der Politik abzustimmen.

Also, Herr Dr. Pirkner: Bevor Sie Ihre Stadtgespräche tatsächlich starten, sprechen Sie vorsichtshalber bei der Stadt vor!

 
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