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Illustration: Lea-Sophie Franz

Illustration: Lea-Sophie Franz

Dating – Partnersuche als digitaler Jagdtrieb

Wir jagen ein Match nach dem anderen und scheinen uns nie zufriedenzugeben.

Links, Links, Links, Rechts, Links, Links, Lin - FUCK! In welcher Geschwindigkeit ich die potentiellen (Sexual-)Partner:innen selektiere, fällt mir erst auf, als ich aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit und zu hoher Geschwindigkeit die Liebe meines Lebens verpasse. Na ja… kommt ja die nächste! Ich arbeite mich durch die Profile, wie eine Postbeamtin durch den abzustempelnden Briefstapel. Die weißen Zähne der mir entgegenlachenden Münder erleuchten mein Gesicht in der Dunkelheit meines Zimmers. Mein Rhythmus wird ab und an durch die freudige Botschaft "It's a Match!" unterbrochen.

Ich ärgere mich über die erzwungene Pause, drück auf das Kreuzchen in der oberen Ecke und schon fliegt mein Finger wieder von links nach rechts über den Bildschirm wie der Kopf eines Hundes, der sich nicht zwischen zwei vor ihm stehenden Menschen entscheiden kann. Die Sinnlosigkeit meiner Beschäftigung gestehe ich mir nach dem zehnten nach links verbanntem Profil ein. „Was für eine Zeitverschwendung“ denke ich mir, während mein Daumen Tinder schließt und das gelbliche App-Symbol im Chaos meines unübersichtlichen Home-Bildschirms sucht. 

Neue App, neues Glück!

Ob zwischendurch im Alltag, der Uni, Arbeit oder abends im Bett – die Partner:innensuche kann durch die Erfindung der Dating-Apps auch ohne die Anwesenheit anderer Individuen erfolgen, so können wir uns isoliert auf die Suche nach jemand Zweites machen. Oh, what a time to be alive! Unsere Eltern und Großeltern hatten bei Langeweile ihre Kataloge zum Durchblättern, wie wir nun unsere Dating-Apps. Sie waren auf der Suche nach Ablenkung, den neuesten Haushaltsgeräten oder anderen (un)nützlichen Dingen, wir nach unseren Seelenverwandten – oder neuen Gspusis. Wir swipen so lange, bis jemand am Bildschirm erscheint, der:die uns durch ausgewählte Bilder und seine:ihre (manchmal nicht ganz so) persönliche Beschreibung anspricht. Zu Vino sagt ihr nie no … ja ja, schon klar!

Wir müssen nicht mehr vor die Türe, um potenzielle Partner:innen überhaupt erst zu finden. Höchst effizient können wir die Selektion bereits im Vorhinein betreiben. Wir sehen die idyllischen Urlaubsbilder der Personen, ihre persönliche Ausstrahlung jedoch nicht. All die Gesichter unter unseren Fingern verschmelzen so am Ende zu einem und sind nicht mehr klar voneinander zu trennen. Durch die Menge der zu verarbeitenden und aufzunehmenden Informationen ist es schier unmöglich sich auch nur ein Match einzuprägen, solange es nicht über diesen Status hinausgeht. Ist dieser überschritten, kommt es zur nächsten zu bewältigenden Barriere – dem Schreiben. Digitale Kommunikation mit ihrer Geschwindigkeit sowie all ihren Ablenkungen ist prinzipiell von Grund auf bereits tricky, doch Chats auf Dating-Apps bilden die König:innenklasse. Über Dating-Apps zu kommunizieren ist wie Tischtennis mit Senior:innen zu spielen. Bis der Ball zu dir zurückkommt, kann es durchaus dauuuueeeern. Solange bis du den Schläger in der Hand und den Tischtennistisch vor dir vergisst. 

Doch selbst wenn ein einigermaßen flüssiges Gespräch zustande kommt und die Person sich dadurch bereits von der Masse der Matches abhebt und mehr und mehr zum Individuum wird, ist dies keine Garantie dafür, dass man diese auch außerhalb des Bildschirms (wieder-)erkennt. So kann es kommen, dass man eine Person datet, die man außerhalb des Internets kennengelernt hat, nur um später draufzukommen, dass bereits ein stockender Kommunikationsversuch auf einer Dating-App mit ebendieser Person unternommen wurde. Na ja – scheint wohl keinen so bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben – zumindest nicht am Bildschirm. (Grüße gehen raus!)

Mit unserem modernen Datingverhalten treten wir also in die Fußstapfen unserer Vorfahren – wir sind Jäger:innen und Sammler:innen. Wir jagen ein Match nach dem anderen und scheinen uns nie zufriedenzugeben. Der einzige Unterschied zu früher – das kapitalistische System hat sich heute in unsere Herzen und unter unsere Bettlaken geschlichen, denn die Möglichkeit, dass der:die Nächste besser, attraktiver, interessanter ist, lässt unsere Finger rastlos über unsere verschmierten Bildschirme sausen. Wir pflücken mehr als wir konsumieren können. Und so häufen sich die Matches mit der Zeit. Sie verstauben wie alte, vergessene Schriften im Archiv. Wir schenken ihnen genauso viel Beachtung wie den an der Wand hängenden VORmagazinen in der U-Bahn. 

Auch wenn es beim Online-Dating ebenso viele Hürden wie bei den Abenteuern von Super Mario zu absolvieren zu geben scheint – am Ende findet man wie Super Mario seine Peach …(hoffentlich)! 

Lea-Sophie Franz studiert und arbeitet in Wien. Nach dem Abschluss in Germanistik studiert die Lienzerin derzeit Publizistik und Kommunikationswissenschaft. Sie schreibt für das Magazin Allerlei und für dolomitenstadt.at.

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