Die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei und amtierende EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will ab Montag Gespräche mit den zweitplatzierten Sozialdemokraten und drittplatzierten liberalen Renew führen. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, erklärte sie Sonntagnacht in Brüssel, nachdem die ersten Ergebnisse der EU-Wahl die Prognosen bestätigten: Die EVP kann trotz Gewinnen der rechtspopulistischen Parteien ihren ersten Platz im Europaparlament ausbauen.
Von der Leyen zeigte sich zuversichtlich, ein zweites Mal EU-Kommissionspräsidentin zu werden, „aber ich weiß, dass harte Arbeit vor mir liegt“. Sie betonte ihre gute Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten und Renew in den vergangenen fünf Jahren und die Notwendigkeit einer „breiten, effizienten Mehrheit“. Denn die Extremen links und rechts hätten Unterstützung gewonnen.
„Wir sind offen für eine Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften“, erklärte anschließend der sozialdemokratische Spitzenkandidat Nicolas Schmit. Er habe die Botschaft von der Leyens gehört. „Es ist wichtig, dass wir uns zusammensetzen und an einem Programm arbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Weg finden werden.“
„Diese Ergebnisse zeigen, dass eine pro-europäische Mehrheit im Europäischen Parlament ohne uns nicht möglich ist. Wir sind bereit, auf dem Fahrersitz einer pro-europäischen Koalition Platz zu nehmen, wenn unsere Bedingungen und Ambitionen erfüllt sind“, zeigt sich Renew-Vorsitzende Valerie Hayer offen. „Eine Koalition des Chaos zwischen den politischen Extremen, die hoffnungslos zerstritten sind, ist ein Rezept für Stagnation und Lähmung“, sagte sie laut Aussendung, da sie nicht vor Ort sein konnte.
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola kündigte für Dienstag ein erstes Treffen der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden an. Dabei soll über die Wahl des EU-Kommissionsvorsitzes und die für Mitte Juli geplante konstituierende Sitzung des EU-Parlaments beraten werden.
Die liberale Renew würde der neuesten Hochrechnung nach mit 80 Abgeordneten (bisher 102) Dritte bleiben, vor den nationalkonservativen Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) mit nun 72 (bisher 69). Die weit rechts stehende „Identität und Demokratie“ gewinnt Mandate hinzu, die Grünen verlieren. ID kommt laut der Prognose auf 58 Abgeordnete (bisher 49), die Grünen auf 52 (bisher 72).
Stark wird vorerst die Gruppe der fraktionslosen Abgeordneten, die viele dem rechten Rand zuzuordnende Abgeordnete versammelt: Sie kommt auf 98 Sitze (bisher 61). Auf dem letzten Platz landen die Linken mit 36 Abgeordneten (bisher 37). Die EU-Wahlbeteiligung lag laut dem EU-Parlament bei 51 Prozent, das entspricht demselben Anteil wie vor fünf Jahren.
Diese Hochrechnung basiert auf vorläufigen Wahlresultaten aus 17 Ländern. Für die übrigen Länder wurden Schätzungen und Vorwahlbefragungen herangezogen. Bei den Veränderungen der Mandatszahl ist zu beachten, dass das EU-Parlament aktuell 705 Sitze hat, nach der Wahl aber 720-köpfig sein wird.
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