In bunter Sportkleidung unter einem Gipfelkreuz sitzend, der Blick in die Ferne schweifend: So traf ich Simon Holzer mehr als nur einmal auf einem der zahlreichen Osttiroler Berggipfel an. Neben kundigem Wissen über die umliegende Bergwelt sowie der dort anzufindenden Flora und Fauna hat er außerdem meist eine Kamera in der Tasche, mit der er besondere Bergmomente geschickt einfängt, während er unaufgeregt und bescheiden aus seinem Leben erzählt: Ein Biologiestudium in Innsbruck und später ein Masterstudium in Wien, ein Hof zu Hause in Kals, die Begeisterung für´s Berggehen im Sommer, die Leidenschaft für´s Eishockey-Spielen im Winter.
Was ich aus Gipfelerzählungen in Fragmenten kannte, wird im Heimweh-Interview zu einem ganzen Bild, das sich am besten von vorne erzählen lässt: Aufgewachsen auf dem Brenner-Hof in Kals war für Simon schon früh klar, dass er später mit Tieren arbeiten möchte. Nach der Matura am Kunst-BORG in Lienz interessierte er sich zunächst für einen der begehrten Studienplätze an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien. Nachdem es knapp nicht für eine Aufnahme reichte, zog es ihn für „Plan B“, wie er selbst sagt, nach Innsbruck.
„Plan B“ könnte in diesem Fall für die zweite Option stehen oder auch für den Anfangsbuchstaben des gewählten Studienfachs, nämlich Biologie. „Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung“, meint Simon rückblickend, auch deshalb, weil neben vielen guten Freunden auch seine Zwillingsschwester Lea in der Tiroler Landeshauptstadt studierte.
Als ihn Dolomitenstadt.at im Jahr 2017 für das Heimweh-Interview traf, war er gerade ins zweite Semester seines Biologiestudiums gestartet. Mit Blick auf Jobmöglichkeiten in Osttirol spielte er damals mit dem Gedanken, sich auf Mikrobiologie zu fokussieren. Dieser Plan hat sich jedoch im Laufe des Studiums gewandelt: „Mikrobiologie ist mir zu viel Laborarbeit, das ist nichts für mich“, schmunzelt er heute.
Viel mehr zieht es Simon hinaus in die Natur, weshalb er sich im fünften Semester seines Bachelorstudiums auf Zoologie und Ökologie spezialisierte. Ersterem Bereich blieb er dann in seiner Bachelorarbeit treu: Der Biologiestudent untersuchte die Verbreitungsmuster alpiner Spinnenarten entlang eines Höhengradienten in Obergurgl. Mit Abschluss des Studiums in Innsbruck war klar, dass er später einmal als Freilandbiologe arbeiten möchte.
Mikrobiologie ist mir zu viel Laborarbeit, das ist nichts für mich.
Simon Holzer
Da kam ihm der Masterstudiengang „Wildtiermanagement und Wildtierökologie“, welcher an der Universität für Bodenkultur in Wien in Kooperation mit der Veterinärmedizinischen Universität angeboten wird, wie gelegen. „In Wien hat es mir total gut gefallen. Ich teilte die WG mit drei Studierenden aus Südtirol, die gleich bergbegeistert waren wie ich, und auch das kulturelle Angebot in der Bundeshauptstadt ist super.“ Allerdings machte ihm die Pandemie einen Strich durch die Studienplanung: „Ich war im ersten Mastersemester 2021 eine Woche in Wien, dann wurde schon wieder alles auf Distance-Learning umgestellt.“
Für Simon war schnell klar, dass er in diesem Fall das Studium als eine Art Fernstudium betreiben würde, um zu Hause auf der Landwirtschaft mitanzupacken: „Meine Eltern sind beide berufstätig, und ich wusste, wenn ich daheim bin, kann ich ihnen Arbeit abnehmen.“ Teamwork wird am Brenner-Hof großgeschrieben: „Schließlich hat sich jeder einmal einen freien Abend verdient“, erklärt Simon.
So pendelte der Kalser in den letzten drei Jahren regelmäßig zwischen Osttirol und Wien hin und her und genoss die Vorzüge der Großstadt, ohne die Osttiroler Gemütlichkeit und die Bergwelt missen zu müssen. Die Präsenzkurse des Studiengangs an der BOKU hat er inzwischen abgeschlossen. Derzeit absolviert er ein für den Studienabschluss verpflichtendes Praktikum beim Tiroler Jägerverband, für welchen er den Wildkatzenbestand in Osttirol erhebt.
„Je intensiver man sich mit einer Tierart beschäftigt, desto spannender wird sie“, meint er. Grundsätzlich sei für ihn jede Tierart interessant, deshalb kommt dem 28-Jährigen das breit gefächerte Studium sehr entgegen: „Es geht um alle Arten von Wildtieren – Säugetiere, Vögel und Fische – und um ihre Rolle im Spannungsfeld zwischen Ökologie, Ökonomie und Gesellschaftspolitik.“
Für seine Masterarbeit gibt es unter den vielen verschiedenen Tierarten allerdings einen klaren Favoriten: den Wolf. Das Interesse an dem großen Beutegreifer, der in Tirol und umliegenden Regionen immer wieder für Aufregung sorgt, kommt nicht von ungefähr, schließlich leben auf dem Brenner-Hof neben Hennen und Pfauen auch rund 40 Schafe. Mit seinem landwirtschaftlichen Hintergrund auf der einen und der wissenschaftlichen Expertise auf der anderen Seite verbindet Simon die beiden Welten, welche in der Diskussion rund um den großen Beutegreifer oft aufeinanderprallen.
Im Sommer ist Simon regelmäßig bei den eigenen Schafen im Gelände anzutreffen, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist, aber auch sonst ist er in seiner Freizeit gerne in den Bergen unterwegs: Wer Inspiration für spannende Bergtouren sucht, der folgt dem Bergfex am besten auf Instagram. Sein Gespür dafür, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und Bergabenteuer durch die Kameralinse in Szene zu setzen, verhalfen ihm auch zur Gelegenheit, eine Zeit lang für den Blog des Osttiroler Tourismusverbandes zu schreiben und zu fotografieren.
„Ich mag es, draußen zu sein, neue Wege und Landschaften zu entdecken. Meist bin ich mit Familie und Freuden unterwegs, zwischendurch genieße ich es aber auch, einfach allein eine Bergtour zu machen“, erzählt er. Im Winter ist es auf der Instagram-Seite des Kalsers ein bisschen ruhiger, neben dem Berggehen gibt es noch eine zweite sportliche Komponente in seinem Leben: Seit er drei Jahre alt ist, steht er auf Schlittschuhen, mit sechs Jahren begann er beim UECR Huben Eishockey zu spielen: „Wir trainieren im Winter dreimal in der Woche, die Spiele finden mittwochs und samstags statt.“
Ein zeitaufwändiges Hobby, das Simon geschickt mit seinem Studium bzw. Praktikum, dem Mithelfen auf dem Hof und seiner derzeitigen Anstellung bei Naturstein Lauster in St. Johann im Walde verbindet. „Man braucht schon ein gewisses Zeitmanagement, damit sich alles ausgeht“, schmunzelt er.
Sein Ziel ist es, bis Ende des Jahres seine Masterarbeit fertig zu schreiben und somit sein Studium abzuschließen. Danach zieht es den Kalser in die weite Welt: „Ich würde gerne ein halbes Jahr in Kanada verbringen, um dort als Volunteer mit Wildtieren zu arbeiten.“ Wo es ihn im Anschluss hin verschlägt, lässt er offen: „Natürlich wäre es schön, wenn ich in Osttirol oder irgendwo in der Nähe eine Anstellung als Wildtierbiologe finden würde. Aber wenn ich woanders etwas Passendes finde, ist das auch in Ordnung.“ Schließlich komme alles so, wie es kommen soll, meint er abschließend.
Zwischen 2014 und 2016 befragten die Künstlerin Linda Steiner und das Redaktionsteam von Dolomitenstadt mehr als hundert Studierende mit Osttiroler Wurzeln nach ihren Zukunftsplänen und -träumen. Wir nannten die Interviewserie „Heimweh“. Jahre später laden wir die Gesprächspartner:innen von damals in der zweiten Staffel Heimweh 2.0 erneut zum Interview. Was hat sich seither getan in dieser besonders spannenden Phase des Lebens?
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