Der Platz war Kindern und Jugendlichen, die dort für ihre fantasierten Abenteuer die kongeniale Kulisse vorfanden, längst bekannt. „Ja wissen Sie denn nicht, das ist uraltes Siedlungsgebiet“, soll der einstige Chef des Forstarbeiters Josef Kalser auf dessen Frage nach der Bedeutung von Mauerresten in einem Waldstück über der Brauerei Falkenstein geantwortet und ihn damit noch dreißig Jahre später zu eigenen Nachforschungen ermuntert haben. „Wenn eine Kiste Gold gefunden wird, dann müssten wir halt teilen“, lautete die Bedingung der Mutter Priorin der Lienzer Dominikanerinnen, denen der inzwischen als „Klosterfrauenbichl“ berühmt gewordene Fundplatz gehört.
Kalser fand weder einen Goldschatz noch eine Siedlung, teilen aber musste er gleichwohl: Artefakte aus der Zeit zwischen dem ersten Jahrhundert vor und dem späten vierten Jahrhundert nach Christus, die er schon 2012 – bestimmt nicht nur zum Unmut, sondern auch und zum Erstaunen und zum Glück der Profis publizierte. Bodenfunde, ob zufällig oder nach gezielter Suche, sind in Österreich und daher auch in Osttirol unverzüglich, spätestens jedoch am nächsten Tag dem Bundesdenkmalamt, der Polizei oder im Schloss Bruck zu melden. Der größte Teil des potenziellen Wissens über unsere Vergangenheit ist nicht schriftlich festgehalten, er verbirgt sich unterirdisch, und es ist strafbar, die Fachkundigen zu übergehen.
Zwischen 2014 und 2020 haben Barbara Kainrath und Gerald Grabherr vom Institut für Archäologien der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Bundesdenkmalamt die Überreste eines 1,6 Hektar umfassenden Tempelbezirks ausgegraben und rekonstruiert. Seit der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr., der späten Latènezeit, waren das Lienzer Becken und das Mölltal von keltischen Laianken besiedelt, die hier ein Heiligtum erbauten. Aus den zahlreichen Opfergaben – Feuerböcke im Miniaturformat, Gewandspangen und Ringe, aber auch Tierknochen – lässt sich ein Kult rekonstruieren, der den überirdischen Beistand wie den irdischen Zusammenhalt unter Stammesangehörigen sicherstellen sollte.
Seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert war Rom an den Bodenschätzen Noricums, vornehmlich an Eisen, interessiert. Wahrscheinlich schon ein paar Jahrzehnte nach Beginn unserer Zeitrechnung wurde auch der Tempel auf dem Klosterfrauenbichl römisch, allerdings nicht kampflos, wie die Geschoßspitzen, die dort gefunden wurden, zeigen. Römische Pioniere errichteten auf neun Terrassen mit vier bis viereinhalb Meter hohen Stützmauern ein weiß verputztes Heiligtum, das schon vom Kärntner Tor als imposantes Bauwerk sichtbar war. Josef Kalser – das sei hier angemerkt – macht in seinem Buch für die Platzwahl den umgekehrten Blick verantwortlich.
Am Kult veränderten die Römer, außer der Umschmelzung des Supranaturalen in ihr eigenes Pantheon, nicht viel. Erstaunlich aber ist die künstlerische Qualität der Götterstatuetten, die den naiven, grobschlächtigen Stil der Kelten ablöst. Und trotzdem waren solche Figurinen keine Einzelstücke, sondern Massenware, die man als Zinnabgüsse ein und desselben Klischees auch in Kroatien und Oberösterreich gefunden hat. Die Assimilierung fremder und – am eigenen Staatskult gemessen – abergläubischer Gebräuche scheint eine römische Spezialität gewesen zu sein: Schließlich verfuhr das unter Kaiser Theodosius zur Staatsreligion erklärte Christentum nicht anders. In diese Zeit fällt auch die Prägung der letzten Münze, die man im „Fanum Lienz“ gefunden hat.
Die überwiegend weibliche Konnotation jedoch, die man den Opfergaben aufgrund etwa der Größe der Ringe und des Schmucks sowie der Zahl der Göttinnen unterstellen wollte, wird in der Bewerbung dieser österreichweit einzigartigen Ausstellung durch zwei „Maskottchen“, einen keltischen Krieger und sein römisches Pendant, den Blitze schleudernden Göttervater, ausgeglichen, die beide ihre Männlichkeit zu verbergen sich keine Mühe machen.
Göttergaben – Das keltisch-römische Heiligtum in Lienz
Ausstellung auf Schloss Bruck bis 13. Oktober 2024
Öffnungszeiten und Infos: www.museum-schlossbruck.at
8 Postings
… der Pfeifer (Kalser) Seppl, als gelernter Metzger, ehemaliger Schiffskoch auf einem Frachtschiff, Forstarbeiter und Waldaufseher sowie Schindelmacher ist ein ECHTER Heimatforscher. Nur seinem Ehrgeiz ist es zu verdanken, dass der "Klosterfrauenbichl" das ist was er ist.
Interessant, dass die Kelten trotz ihres riesigen Siedlungsgebietes von Iberien über Britannien bis Kleinasien, so etwas wie " große " antike Kunst nicht hervorgebracht haben. Die Kelten, oder was darunter subsumiert wurde, hatten allerding kein Großreich, nur allenfalls lose verbundene Stammesverbände, keine Schriftkultur und entbehrten des Kulturraumes Mittelmeer ( die Etrusker waren da schon besser eingebettet ) . So herrschte vor allem handwerkliche Kleinkunst vor. Die Ornamentik in verschiedensten Ausprägungen erreichte allerdings höchstes Niveau. Mag sein, dass hier die keltisch-germanische Formenstrenge zusammen mit Byzanz die Romanik mitgeformt hat.
lassen sie das mal nicht Asterix und Obelix hören
Die Gallier können entspannt sein. Nichts liegt mir ferner als die Kelten und ihe Kultur madig zu machen.Das gehr aus dem Text auch nicht hervor. Alles was da am Klosterbichl entdeckt wird und die dort gehobenen Schätze haben meine volle Bewunderung und mein reges Interesse. Herr Kalser ,dem ich schon vor Jahren begegnet bin, hat mir immer Erstaunen und Respekt abverlangt.
war Galischer Humor
Es wurden auch viele Münzen geopfert. Da es sich aber nicht um Schilling handelt, wird das hier im Forum kaum jemanden interessieren
Der Brückenschlag von den Kelten zu Schilling nicht ohne Eleganz, die Botschaft subtil. Die Negativstimme nicht von mir.
Der gewissenhaften und unermüdlichen Recherchearbeit des Forstarbeiters Josef Kalser kann gar nicht genug gedankt werden. Als Chronist seiner Heimat, vor allem der Geschichte, schafft er immer wieder Materialien zum Verstehen und Wissen. Ein Beispiel: https://www.uvw.at/produkt/6587/wald-waldarbeit-saegewerke-in-osttirol/
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