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"Ein Kunsthandwerker macht das, was er weiß, ein Künstler macht, was er fühlt", erklärt Marko Kostner. Er verwirklicht seine Ideen in beiden Bereichen. Alle Fotos: Privat

"Ein Kunsthandwerker macht das, was er weiß, ein Künstler macht, was er fühlt", erklärt Marko Kostner. Er verwirklicht seine Ideen in beiden Bereichen. Alle Fotos: Privat

„Ein Leben reicht nicht, um Bildhauerei zu perfektionieren“

Marko Kostner verließ Osttirol vor mehr als zehn Jahren, um sich in Gröden der plastischen Kunst zu widmen. 

Bildhauerei könne man nur mit einer gewissen Leidenschaft auf einem guten Niveau betreiben, ansonsten gibt man früher oder später auf, sagte Marko Kostner vor neun Jahren im Heimweh-Interview

Als wir ihn für die zweite Auflage der Dolomitenstadt-Heimweh-Serie per Zoom für ein Interview treffen, wird schnell klar, dass er seiner Leidenschaft treu geblieben ist: Hinter seinen langen Haaren und dem breiten Lächeln sieht man geschnitzte Heiligenskulpturen und andere aus Holz gefertigte Figuren, darüber vermitteln alte Holzbalken auf einer weiß getünchten Decke das heimelige Gefühl einer Bildhauerei-Werkstätte. Als wäre das nicht genug der entspannten Atmosphäre, hört man ein leises Klopfen, dann wird geraspelt: „Ich hoffe das stört nicht, da arbeitet heute noch jemand“, meint Marko schmunzelnd. 

Die Faszination an der Bildhauerei führte Marko Kostner vor über zehn Jahren nach Gröden, wo er bis heute als Kunsthandwerker und Künstler tätig ist.

Spätestens nach den ersten zwei Sätzen errät man auch, dass er nicht nur der Bildhauerei treu geblieben ist, sondern auch dem Ort, an den ihn vor mehr als zehn Jahren seine Liebe zur Bildhauerei geführt hat: ins Grödental in Südtirol, wo das Kunsthandwerk eine jahrhundertelange Tradition hat und Marko Kostner sich unter den mehr als 100 Bildhauer:innen in bester Gesellschaft befindet. Mit der Südtiroler Färbung seines Dialektes könnte man ihn fast für einen gebürtigen Grödner halten, auch Ladinisch und Italienisch habe er sich mittlerweile angeeignet, schildert er. Aufgewachsen ist Marko in Nußdorf-Debant. Osttirol hat er vor zwölf Jahren verlassen, um sich der Bildhauerei zu widmen. 

Dabei hat die Kunst eher ihn gefunden als umgekehrt: „Ich hab mich schon immer gerne kreativ beschäftigt und hab verschiedenste Sachen ausprobiert. Allerdings immer nur hobbymäßig, das war nichts, was man beruflich umsetzen hätte können“, erinnert er sich. Eines Tages stolperte er in einem Magazin über eine geschnitzte Skulptur: „Das war so ein Adler, wie man ihn oft in Gärten sieht, der mit der Motorsäge angefertigt worden war. Ich hab mir gedacht, das könnte was für mich sein.“ 

Damit sollte er recht behalten: Zunächst versuchte er sich autodidaktisch die Kunst der Bildhauerei beizubringen, „aber auf diese Weise ist man eher nicht imstande, das umzusetzen, was man sich im Kopf vorstellt“, meint er rückblickend. Er absolvierte mehrere Schnitzkurse, fing an Krampus-Larven zu schnitzen und über Umwege entdeckte er schließlich den Spezialisierungslehrgang für Holzschnitzerei und Bildhauerei an der Kunsthandwerksschule St. Ulrich. Er hängte seinen Job an den Nagel und entschied, sich voll und ganz auf die Bildhauerei einzulassen.  

Drei Jahre reichen bei Weitem nicht aus, um wirklich frei und mit einem guten Repertoire arbeiten zu können.

Marko Kostner

Dass Marko für sich die richtige Entscheidung getroffen hat, erkennt man an der Demut, mit der er über seine Form der plastischen Kunst spricht: „Nach der dreijährigen Ausbildung habe ich gemerkt, dass das nur ein Hineinschnuppern, ein Kennenlernen war. Drei Jahre reichen bei Weitem nicht aus, um wirklich frei und mit einem guten Repertoire arbeiten zu können. Ich habe gewusst, dass ich jetzt erst anfangen muss, richtig zu lernen und Praxiserfahrungen zu sammeln.“  

Er ging zunächst bei einem Bildhauermeister in die Lehre, bevor er mit anderen Schüler:innen der St. Ulricher Kunsthandwerksschule eine Kollektivwerkstatt gründete, wo sie als freie Künstler:innen arbeiteten und Marko seine ersten eigenen Aufträge anfertigte. Das Bestreben, seine bildhauerischen Fähigkeiten weiter zu perfektionieren, führte ihn nach einem Jahr in eine andere Meisterwerkstätte, in welcher er bis heute tätig ist. 

„Das ist eine alte renommierte Grödner Firma, die große Heiligenstatuen auf speziellen Wunsch anfertigt“, erklärt Marko. Er habe in den letzten Jahren viel dazulernen dürfen, gleichzeitig sei es gar nicht so einfach, die oft sehr genauen Vorgaben zu erfüllen: „Man hat wenig Spielraum sein eigenes Gefühl hineinzubringen. Manchmal muss man dann auch Dinge so machen, wie man sie persönlich eigentlich nicht passend findet.“ 

Deshalb setzt Marko neben seiner Anstellung als Bildhauer auch eigene Ideen und Projekte um, die sich momentan in erster Linie am Thema Mensch und dem menschlichen Körper orientieren. Seine Werke sind an den Realismus angelehnt, aber „nicht hyperrealistisch“, wie er die Figuren selbst beschreibt. „Dass ich immer dabei bleibe, glaube ich nicht, aber gerade am Beginn bietet es sich an, ein Modell zu haben, an dem man sich orientieren kann. Da lernt man viel, später wird es interessanter, wenn man sich von der Vorlage löst und sich mehr von seinem Gefühl leiten lässt.“ 

Seine erste Einzelausstellung fand im Jahr 2017 in Matrei in Osttirol statt, danach folgten weitere Ausstellungen und Symposien. Erst vor Kurzem war eine seiner lebensgroßen Figuren Teil einer Ausstellung mit dem Titel „Der (im)perfekte Mensch“, welche sich damit beschäftigte, wie sich das Konzept der Schönheit vor dem Hintergrund der sozialen Medien verändert. „Kostners Kunst ist keine Kunst der Verführung. Seine nackten Figuren zeigen eine authentische, natürliche Schönheit, die keiner Vervollkommnung bedarf. Damit preist er die Individualität des Menschen als Reichtum der Schöpfung“, werden seine Werke von der ausstellenden St. Ulricher Galerie beschrieben. 

Marko Kostner mit seinem aktuellsten Werk, welches in der Ausstellung "Der (im)perfekte Mensch" einen Platz fand: "Kostners nackte Figuren zeigen eine authentische, natürliche Schönheit, die keiner Vervollkommnung bedarf."

Frei an eigenen Werken zu arbeiten, ist ein Wunsch, den Marko schon länger hegt: „Nur war die Zeit bisher nicht reif, beziehungsweise hat es sich einfach nicht ergeben. Aber ich glaube, irgendwann muss man auch bewusst anfangen, Schritte zu setzen und in diese Richtung zu gehen.“ 

Derzeit ist er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, welche ebenfalls als plastische Künstlerin sowie als Kunstlehrerin tätig ist, auf der Suche nach einer eigenen Werkstatt, einem Raum, der ihm nicht nur Platz für seine Objekte bietet, sondern auch den Freiraum im Kopf schafft, um eigene Ideen fließen zu lassen: „Geplant ist, ein Jahr Auszeit zu nehmen und auf eine Ausstellung hinzuarbeiten.“ Er habe in den letzten Jahren immer wieder Ideen für Projekte gehabt und freue sich darauf, die Freiheit zu haben, diese umzusetzen. „Es ist Segen und Fluch zugleich, ständig von erfahrenen Bildhauer:innen Tipps zu bekommen. Irgendwann ist es an der Zeit, seinen persönlichen Weg zu gehen und in der Kunst seine eigenen Entscheidungen zu treffen.“ 

Die Faszination liegt für mich im Machen selbst: Einen Stoff herzunehmen, zu bearbeiten, zu formen, etwas daraus entstehen zu lassen.

Marko Kostner

Entscheidungen zu treffen, das ist einer der Aspekte, der Marko an der Kunst der Bildhauerei so fesselt: „Die Faszination liegt für mich im Machen selbst: einen Stoff herzunehmen, zu bearbeiten, zu formen, etwas daraus entstehen zu lassen. Bildhauerisches Arbeiten ist immer ein Intervenieren, man muss eingreifen, hineinschneiden oder auftragen, je nachdem, aber immer sind es klare Entscheidungen, die man treffen muss. Im Grunde habe ich immer noch das Gefühl, ganz am Anfang zu stehen. Je mehr man kennenlernt von der gestalterischen Welt, desto mehr merkt man, dass da ein ganzes Menschenleben gar nicht ausreicht, um alles zu probieren und zu lernen, was machbar ist.“

Bildhauerei, so wie man sie in der Ausbildung erlerne, orientiere sich immer nach einem klaren Schema: „Von vorn nach hinten, von oben nach unten, von außen nach innen. Man behält sich immer alle Optionen vor, bis man die Figur konkret umrissen hat. Das geht irgendwann in Fleisch und Blut über.“ Marko interessiert derzeit am meisten, was passiert, wenn man den ausgetretenen Pfad verlässt und in einen Bereich einer Skulptur kommt, in dem man nicht mehr weiß, was man machen muss: „Das unterscheidet einen Künstler von einem Kunsthandwerker: Ein Kunsthandwerker macht das, was er weiß, ein Künstler macht, was er fühlt.“

Abseits von ausgetretenen Pfaden unterwegs zu sein ist etwas, das auch Markos Freizeit prägt: „Rund um Gröden gibt es so eine abwechslungsreiche und vielfältige Natur, das hab ich in den letzten Jahren zu schätzen gelernt. Nicht nur, dass man es um sich hat, sondern auch, dass man sich hinausbegibt.“ So findet man Marko im Sommer meistens wandernd auf einem der zahlreichen Berggipfel in den Südtiroler Dolomiten und im Winter im Schnee auf Touren- oder Langlaufskiern. 

Auf die Frage, ob er sich vor gut zehn Jahren im letzten Heimweh-Interview vorstellen hätte können, dahin zu kommen, wo er heute ist, antwortet er philosophisch und in seiner bedachten Art, dass es noch viele Sachen gebe, die er machen möchte und es wohl schwierig sei, zu sagen, man sei angekommen. 

Der Einstellung, die ihn an seinen derzeitigen Lebensmittelpunkt geführt hat, bleibt er auf jeden Fall weiterhin treu: „Wenn man etwas unbedingt machen will und alles versucht, was man imstande ist zu tun, dann passieren die wirklich wichtigen Ereignisse günstig für dich. All das, was man im Kleinen macht, Tag für Tag, Handgriff für Handgriff beeinflussen das Große, das deine Weichen lenkt. Das geschieht dann zu deinen Gunsten und deshalb muss man einfach daran glauben, machen und vertrauen. Man kann nichts an den Haaren herbeiziehen, einfach immer weitermachen, das ist wichtig."

Anna Maria Huber schreibt als freie Autorin nicht nur für dolomitenstadt.at sondern auch für die Straßenzeitung 20er. Annas Stärken sind penible Recherchen und die Fähigkeit, komplexe Inhalte in klare und verständliche Artikel zu verwandeln.

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