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Dolo Music #8 – Der ESC muss sich ändern!

Der Eurovision Songcontest 2024 ist geschlagen. Ein Rückblick auf ein durchwachsenes Event.

Seid ihr alle ausgeschlafen? Ich bin es, um ehrlich zu sein, nicht wirklich. Die gestrige Nacht war lang, der Songcontest hat mich aufbleiben lassen. Wir schauen uns den – und sorry für diesen Ausdruck – Wahnsinn von Malmö natürlich noch einmal ein bisschen genauer an, da gibt es dieses Mal sehr viel zu besprechen.

Zunächst zu den harten Fakten: Die Schweiz hat gewonnen! Nemo hat mit dem Song The Code vor allem die Länderjurys begeistert und sich gegen alle anderen Länder durchgesetzt. Ich habe den Song schon letzte Woche gespielt – eben auch mit dem Hinweis, dass er zu den Favoriten dieses Jahres zählt. Die Buchmacher haben übrigens wieder einmal ziemlich gute Arbeit geleistet, das prognostizierte Kopf an Kopf-Rennen zwischen der Schweiz und Kroatien traf tatsächlich ein. Beide hätten den Sieg verdient.

Nemo im Sieges- und Farbenrausch. Foto: Alma Bengtsson

Bei einer Sache haben die Buchmacher aber komplett daneben gelegen – und das war ausgerechnet die vorausgesagte Platzierung von Österreich. Kurz vor Voting-Schluss sahen sie Kaleen auf Platz 10 – tatsächlich geworden ist es Platz 24, gleichbedeutend mit dem vorletzten Platz. Was mir sehr leid, ja eigentlich ein bisschen weh tut. 

Kaleen muss sich überhaupt keinen Vorwurf machen – ihre Leistung sowohl im Halbfinale am Donnerstag – vor allem aber gestern im Finale – waren makellos und einfach stark. Dass sich bei ihrem Auftritt in der wohl wichtigsten Phase ihres Lieds – dem instrumentalen Teil, wo ihre Tanz-Performance im Zentrum des Bildes steht – ausgerechnet die Kamera aufgehängt hat und man nur aus der Ferne erahnen konnte, was Kaleen da macht, war sicherlich kein Vorteil. 

Aber wie hat Andi Knoll gestern sinngemäß gesagt – da können wir uns jetzt aufregen, bringt aber auch nicht viel. Ob dieser Ausfall der Grund für die mageren – und um ehrlich zu sein vollkommen unverständlichen – fünf Punkte im Televoting waren? Werden wir nie erfahren. Auch wenn das Ergebnis sicher nicht das ist, was Kaleen erreichen wollte, kann sie stolz sein – das waren, wie gesagt, perfekte Auftritte.

Auch wenn die EBU – die europäische Rundfunkorganisation – unter keinen Umständen einen politischen Wettbewerb haben wollte, hat sie genau diesen bekommen. Israels Vertreterin Eden Golan wurde in der Halle gnadenlos ausgebuht und musste die gesamte Zeit über in Malmö von hunderten Polizisten beschützt werden. Eine einzige Farce!

Dem nicht genug, schloss die EBU auch noch wenige Stunden vor Start des Finales Joost Klein aus. Der Niederländer galt mit seinem Song Europapa als einer der heißesten Kandidaten für den Sieg – nachdem er eine abfällige Geste gegenüber einer Kamerafrau, die ihn in einer Filmverbotszone gefilmt hatte, getätigt haben soll, wurde er ausgeschlossen. Auch darüber wird noch zu reden sein. 

Der ESC und die EBU muss sich jetzt klar definieren und Gedanken machen: Wie geht man mit politischen Botschaften um? Darf man gewisse Dinge, Utensilien tragen? Ein netter Slogan reicht in diesen Zeiten nicht, um die Gräuel der Welt außen vor zu lassen. Da ist wirklich viel Arbeit zu tun, wenn der ESC 2025 voraussichtlich in Basel aufschlägt. Und wir können jetzt endlich wieder durchatmen, das war dezent zu viel Drama für meinen Geschmack. 

Die Lemon Twigs. Foto: Stephanie Pia
Charli XCX. Foto: Harley Weir

Ansonsten habe ich natürlich noch Musik mit dabei. Wir hören in die neuen Singles von Charli XCX und beabadoobee rein und ich stelle euch außerdem das neue Album der Lemon Twigs vor. Wer sie nicht kennt: Die Lemon Twigs sind ein Brüder-Paar aus Long Island und für die ehrlichste und auch perfekte Renaissance von 60er und 70er-Klängen zuständig. Wer die Beatles und die Beach Boys mag, wird auch die Lemon Twigs lieben.

Außerdem noch eine Vorstellung von Larys neuer Platte Stereo Noir und einen Nachruf auf den frühen Tod von Steve Albini. Viel Spaß!


Dolomitenstadt wünscht viel Spaß mit diesem neuen Format. Unser Podcast ist lizenziert durch AKM und AUSTRO MECHANA und auch auf Spotify und Apple Podcast zu hören.

Martin Senfter ist Dolomitenstadt-Autor und Musikexperte. Im Podcast „Dolo Music“ stellt er seine Lieblingstracks und deren Schöpfer:innen vor. Stories mit Tiefgang sind seine journalistische Stärke, ebenso wie einfühlsame Porträts spannender Zeitgenoss:innen.

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9 Postings

Enrico Andreas Menozzi
vor 7 Monaten

Baby Lasagna hat an Ohrwurm geschrieben und weltweit der Publikums Liebling , eigentlich war er der Sieger der Herzen.

Habe mir paar Reaktionen von Musiker auf YouTube angeschaut , sogar amerikanische Rap Musiker feiern ihn . Musik zum mitsingen und tanzen . Der Song ist ja nicht nur für Kroaten , auch für Osttiroler die nach Wien oder ins tiefe Ausland wie Deutschland gehen , sich von der Kuh verabschieden und ihre Lieblings Haustiere .

Natürlich kommen einige nicht damit zurecht , das er andere Neigungen hat , aber am Sonntag in Zagreb war er ja wieder voll normal gekleidet . Sein Bühnen Outfit war an die kroatischen gehäkelten Deckchen angelehnt , die es überall zu kaufen gibt , nach meiner Meinung .

Eintagsfliege ist er ja nicht , war zuvor in einer Band und erfolgreicher Song Schreiber .

 
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ru-be
vor 7 Monaten

Vielleicht hat irgendjemanden die rosa Strumpfhose gefallen oder so was in der Richtung. Weil mit der "Musik" die dort geboten wird kanns nix zu tun haben. Keine Ahnung wie dort Sieger ermittelt werden. Aber mal ehrlich is doch auch egal in 2 Wochen sind die alle wieder vergessen. Ein Spektakel, bei dem Singen schon längst nicht mehr im Vordergrund steht. Es ist die Politik, die Technik und der Exhibitionismus der Teilnehmer. Darum völlig gleichgültig wer gewinnt.

 
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nervensaege
vor 7 Monaten

Jeder musiker:in hat das recht beim esc aufzutreten, frau golan hat super performt und ist zurecht weit vorne gelandet. Den unerträglichen antisemitismus und terrorverehrung eines lautplärrenden mobs verachte ich zutiefst, die schwedischen sichheitskräfte haben gute arbeit geleistet. Für die LGBTQ+ community ist der esc halt eine ganz wichtige kunstplattform und ich bin froh dass es das gibt. Der holländische teilnehmer hat sich offensichtlich mehrfach daneben benommen und das geht heute halt nicht mehr, sorry! ich freue mich auf nächstes jahr!

 
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    Martin Senfter
    vor 7 Monaten

    Perfekt zusammengefasst!

     
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observador
vor 7 Monaten

Nach dem ganzen Theater rund um die isrealische Delegation sowie den Ausschluss des Niederländers wollte ich mir das heuer eigentlich gar nicht antun. Dank Böhmermann und Schulz hab ich mich dann doch hinreisen lassen und was soll ich sagen: Es war wieder großartig. Abwechslungsreiche, vielleicht nicht immer gute, aber auf jeden Fall sehr unterhaltsame und abwechslungsreiche Beiträge haben mir einen sehr schönen Abend beschert. Ich würde mir allerdings für die Zukunft folgende Änderungen wünschen: 1) Länder, die in kriegerische Handlungen verstrickt sind, sollten vom Wettbewerb ausgeschlossen werden um genau solche Zustände wie sie in Malmö geherrscht haben zu verhindern. Man tut sich da einfach nichts gutes und ESC steht halt auch nicht für European Solidarity Contest. Darüber hinaus ist es meist dann eh auch nicht möglich den Bewerb in die Siegerländer zu bringen, da es die dortige Sicherheitslage einfach nicht zulässt. 2) Warum haben diese Fachjurys immer noch so viel Bedeutung? Ich würde dem Publikumsvoting eine viel stärkere, ja vielleicht sogar exklusive Rolle geben. Was bei den Leuten gut ankommt soll gewinnen. Ob das jetzt aus professioneller Sicht "gute Musik" ist, ist doch vollkommen egal.

 
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    Martin Senfter
    vor 7 Monaten

    Mit den Fachjurys bin ich eigentlich auch nicht so ganz happy. Da will man wahrscheinlich noch ein bisschen musikalische Qualität sichern - aber wenn wir's objektiv betrachten, haben in den letzten zwei Jahren zwei Länder gewonnen (Schweden und Schweiz), die im Publikumsvoting auf Platz 2 bzw. Platz 5 gelandet sind. Also es is schon ein bisschen Dings.

     
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    tauernwind
    vor 7 Monaten

    Das es eine großartige Show war finde ich auch und auch das Siegerlied ist für mich Toll. Österreich hat den vorletzten Platz eigentlich nicht verdient aber die ESC-Logik ist eben eine Eigene. Ein ganzes Volk von einem friedlichen Contest auszuschließen weil deren Unterdrücker bei ihrem Längenvergleich die Grenzen nicht kennen fände ich aber auch nicht gut. Die Buh-Rufe sind einfach entbehrlich, kein Volk und kein Künstler kann da direkt was dafür, einen alternativen Austragungsort müsste man natürlich dann wählen. Ein reines Publikumsvoting würde dann zB nur noch 12 Punkte für die Türkei aus Deutschland, 12 Punkte für Deutschland aus Spanien (Ballermann) usw. mit sich bringen bzw. werden jetzt schon Millionen Stimmen über eigene Call-Center gekauft. Vielleicht ein reines Juryvoting aber die Jury kann von den Zusehern der Länder vorher gewählt werden,.........

     
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    Hannes Schwarzer
    vor 7 Monaten

    @observador: '...Land.....kriegerische Handlungen...! Definiere 'kriegerisch' - GB, FRA und auch Deutschland liefern Waffen - ist das kriegerisch? NL und DEN liefern F16 - ist das kriegerisch?, AUT liefert 5000 Helme - ist das kriegerisch? Da fangen die Problene schon an, allein die Definition ist ein unlösbares Problem!

     
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      observador
      vor 7 Monaten

      Lieber Hannes, da muss ich dir recht geben und meinen Vorschlag in dem Fall konkretisieren: Länder, in denen Krieg herrscht oder die aktiv einen Angriff führen (und ich glaub da ist der Unterscheid zwischen Dänemark und Isreal recht schnell geklärt) sollten am ESC nicht teilnehmen können. Das ist natürlich nicht gerecht, aber im Vergleich zu den wirklichen Problemen, die dort vorherrschen sicher verkraftbar. Ansonten passiert genau das, was heuer und auch in den letzten Jahren schon passiert ist und kein bisschen zur Verbesserung der Lage beiträgt, sondern viel mehr die Probleme, die es in diesen Ländern gibt in's Herzen Europas transportiert.

       
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