Zum Auftakt der Museumswoche der Kulturspur Osttirol vom 6. bis 10. Mai ist im nördlichen Eingangsbereich der Lienzer Liebburg während der Gemeinde-Öffnungszeiten die künstlerische Darstellung der Vertreibung der Deferegger Protestanten von Margarethe Oberdorfer ausgestellt. Die Figurengruppen aus Keramik setzen sich mit der Vergangenheit auseinander und lassen Geschichte lebendig werden. Nach der Erstpräsentation im Rathaus treten die Figuren ihre Reise durch Osttirol und Kärnten bis zu ihrem endgültigen Aufstellungsort in Fresach an.
Die Erzählung ist im Bezirk weitgehend bekannt. Auf Dolomitenstadt haben Elisa De Gaetani und Desiree Gangl beispielsweise in einem Podcast über dieses dunkle Kapitel der Osttiroler Geschichte gesprochen.
Mitte des 17. Jahrhunderts tauchte im zum Salzburger Hochstift gehörenden vorderen Defereggental der Verdacht auf, es könnten religiöse Lehren kursieren, welche den Dogmen des Katholizismus widersprechen. Seitens der Amtskirche wurde zunächst wenig unternommen, bis 1680 ein Lienzer Bildschnitzer die dortigen „Geheim-Protestanten“ bei den Obrigkeiten anzeigte – seine Heiligenfiguren würden verschmäht, hier sei man wohl „lutherisch“. Nach überfallsartigen Büchervisitationen und erfolglosen Bekehrungsversuchen befahl 1684 der Erzbischof die Ausweisung von mehr als 600 Personen aus dem Bistum. Mehr als 200 Kinder unter 15 Jahren mussten zur katholischen Umerziehung zurückgelassen werden. Familien wurden zerrissen und Gemeinschaften zerbrachen.
Mit diesen Wunden, aber vor allem auch ihrer Heilung durch die Versöhnung in den letzten Jahrzehnten, beschäftigt sich das Werk von Margarethe Oberdorfer. Sie lässt ihre detailliert ausgearbeiteten Figuren in Dialog mit den Betrachtern treten und bearbeitet so Themen, die aktuell wieder von enormer Bedeutung sind. Ausgrenzung bis hin zu Plänen der Vertreibung von Millionen von Mitbürgern, herausgerissen aus ihrer Heimat und aus sozialen Beziehungen, lassen in Menschen wieder Ängste aufkommen, die überwunden schienen. „Damit ist Oberdorfers Arbeit lebendige Geschichte und nicht nur ein Blick auf eine Episode der Osttiroler Geschichte, sondern ein höchst aktuelles, allgemeingültiges Mahnmal“, unterstreicht die evangelische Pfarrerin Margit Leuthold, die das Projekt auch über die nächsten Monate begleiten wird.
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