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Tiroler Leerstandsabgabe: Ein Rohrkrepierer?

Nur 900 Leerstände im Bundesland wurden gemeldet. Von 26 Anzeigen in Lienz machen 21 Ausnahmen geltend.

Wie mobilisiert man Wohnraum, der vorhanden ist aber nicht genutzt wird, weil die Eigentümer ihre Immobilie lieber leer lassen? Eine Antwort ist die „Leerstandsabgabe“, die in Tirol seit dem 1. Jänner 2023 eingehoben wird, und zwar von den Gemeinden, die dazu per Landesgesetz verpflichtet sind. Bis zum 30. April 2024 hatten Wohnungseigentümer Zeit, sich selbst bei der Gemeinde zu melden und quasi um das Inkasso einer Leerstandsabgabe zu bitten.

Wenig verwunderlich: Im ganzen Bundesland meldeten sich lediglich 900 Wohnungseigentümer bei ihrer Gemeinde. In Lienz wurden 26 Erklärungen abgegeben, berichtet Bürgermeisterin Elisabeth Blanik, „davon machten 21 einen Ausnahmetatbestand geltend.“ Es gibt nämlich auch Ausnahmen von der Regel, zum Beispiel wenn Wohnungen nicht gebrauchstauglich sind, wenn es trotz „geeigneter Bemühungen“ nicht gelungen ist, sie zu vermieten oder zeitnaher Eigenbedarf besteht. 

Doch immerhin haben sich Eigentümer gemeldet, was in Matrei beispielsweise nicht der Fall war. Bürgermeister Raimund Steiner nimmt es gelassen: „Ich glaube, dass das bei den Menschen noch nicht so richtig angekommen ist.“ Matrei hat im Gegensatz zu Lienz die Betroffenen nicht offensiv informiert, das will man jetzt nachholen. Steiner: „Wir schreiben ja auch alle Jahre die Inhaber von Freizeitwohnsitzen an.“ 

Für Markus Sint von der Liste Fritz ist jetzt schon klar, „das hat sich als Rohrkrepierer erwiesen.“ Sint ortet einen schwerwiegenden Denkfehler: „Die Hauptschuld daran, dass die Leerstandsabgabe in Tirol nicht funktioniert, liegt in der falschen Systematik. Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne haben die Abgabe damals so konzipiert, dass sich Eigentümer von Wohnraum, der mindestens sechs Monate leer steht, selber bei der Gemeinde melden müssen. Für uns ist diese Systematik der Selbstanzeige falsch.“ 

Um welche Größenordnung es tatsächlich geht, kann man nur schätzen. In ganz Tirol gibt es rund 420.000 Wohnungen, von denen nach Einschätzung der Statistik Austria bis zu 16 Prozent leerstehen könnten. Das wären mehr als 67.000 Wohnungen. Vor diesem Hintergrund sind 900 Meldungen tatsächlich mager.  

Die Liste Fritz fordert eine Leerstandserhebung für ganz Tirol. Markus Sint: „Das wurde vor sechs Jahren beschlossen, aber seither nicht umgesetzt, hier muss die Landesregierung endlich ins Tun kommen! Mit einer tirolweiten Leerstandserhebung könnten die Gemeinden den Eigentümern leer stehender Wohnungen zielsicher eine Leerstandsabgabe vorschreiben und ihnen auch ein konkretes Angebot zur Vermietung machen.“

Immer wieder diskutiert wird auch die Höhe der Abgabe. In Lienz zahlt man für eine durchschnittliche Wohnung (60 - 90 m2) zum Beispiel 60 Euro/Monat, für größere Wohnungen 90 Euro. Viel zu wenig, bemängeln Kritiker und applaudieren deshalb auch der Bundesregierung, die Ende Februar im Zuge ihrer Wohnraumoffensive eine Kompetenzverschiebung im „Volkswohnungswesen“ beschloss. Bislang war die Wohnpolitik nämlich in der Kompetenz des Bundes und bundesweit war auch die Höhe von Leerstandsabgaben gedeckelt. Übernehmen die Länder das Ruder, könnte die Abgabe auf eine auch für Spekulanten empfindliche Höhe ansteigen. Die Zahl der freiwilligen Meldungen dürfte dann allerdings noch weiter sinken. 

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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