Zu den aktuell intensiv auch im Dolomitenstadt-Forum diskutierten Themen zählt die Frage, ob Sonderschulen noch zeitgemäß sind. Aus Sicht der Lebenshilfe Tirol ist die Antwort darauf ein klares Nein. „Die strukturelle Benachteiligung von Kindern mit Behinderungen ist allgegenwärtig und beginnt bereits vor der Geburt“, erklärt Judith Rafelsberger, zuständig für den Bereich Kind & Familie, bei einem Pressegespräch am 29. April in Innsbruck.
Schon bei der ersten Untersuchung werde das Kind begutachtet, diagnostiziert, kategorisiert und anders behandelt. „Nicht die Potenziale eines Kindes mit Behinderung oder Entwicklungsverzögerung stehen im Vordergrund, sondern es wird taxativ aufgezählt, was alles nicht geht“, so Rafelsberger. „Hier werden bereits die ersten Türen in Richtung Inklusion zugeschlagen. Und so geht es weiter. Tür um Tür.“
Die Lebenshilfe ortet viele strukturelle Barrieren, wenn etwa Kinder mit Behinderungen nur dann in den Kindergarten gehen können, wenn eine Stützkraft anwesend ist oder wenn die Teilnahme an Ferienaktionen verwehrt wird, weil der organisatorische Aufwand zu groß wäre. Der Schulwechsel werde zum Spießrutenlauf „und nicht selten werden Kinder mit Behinderungen in die Sonderschule abgeschoben, weil die schulische Inklusion seit Jahrzehnten nicht wirklich in die Gänge kommt“, beklagt die Organisation.
Vor diesem Hintergrund fordert die Lebenshilfe Tirol neben dem Ausbau niederschwelliger Beratungsstellen und wohnortnaher Betreuungsangebote die Auflösung der Sonderschulen. „Eine Schule für alle“, sprich der Ausbau inklusiver Ganztags – und Gesamtschulen, ist eine Kernforderung der Betreuungseinrichtung.
Eine defizitorientierte Haltung mit Fokus auf allem, was nicht gehe, erschwere die Inklusion von Kindern mit Behinderungen: „Eine inklusive Gesellschaft ist der einzige Weg und letztlich der Garant dafür, dass wir alle barrierefrei, selbstbestimmt und erfüllt zusammenleben können“, so Georg Willeit, Geschäftsführer der Lebenshilfe Tirol.
34 Postings
Die Lebenshilfe sollte sich selbst hinterfragen - monotones Arbeiten der KlientInnen in einem bestimmten Bereich und dafür ein äußerst geringes monatliches Entgelt ("Taschengeld") - ich war Zivi in einer solchen Einrichtung
So ein Zivildienst scheint traurigerweise nicht wirklich dazu zu befähigen, eine qualifizierte Aussage zu machen. Ich würde ihnen dringend empfehlen, dass sie sich über zwei Dinge informieren. 1. Wie setzt sich das monatliche Einkommen der Klient*innen zusammen (Mindestsicherung, EFBH, usw.) und was ist das Taschengeld wirklich. Zudem hat, auf Initiative der Lebenshilfe, die Bundesregierung die schrittweise Umsetzung von Gehalt statt Taschengeld im Herbst 2023 beschlossen. 2. Arbeitet die Lebenshilfe bereits seit Jahren an der Abschaffung der stationären Einrichtungen. Da gibt es dann auch immer viele Widerstände, allerdings so gut wie nie von den Menschen mit Behinderung.
Ich war auch Zivi bei der Lebenshilfe. Hab ich vollkommen anders in Erinnerung.
Als absolute Befürworterin der Inklusion kann ich nur sagen: Solange das österreichische Schulsystem an seinen starren, defizitorientierten Strukturen nichts ändert, befürworte ich tatsächlich das Fortbestehen der Sonderschulen, sofern Eltern tatsächlich die Wahlfreiheit haben, die beste Schullösung für ihre individuelle familiäre Situation zu treffen. Ohne Sonderschulen würden im derzeitigen bildungpolitischen Zeitalter wohl einige Kinder mit dazugehöriger Schulassistenz ihre Schulzeit mehr oder weniger irgendwo am Gang oder im Abstellkammerl verbringen ... Pseudoinklusion vom Feinsten! Ich hätte ja mal eine absolut verrückte Idee: Was wäre, wenn sich die politisch verantwortlichen Personen einfach mal anschauen würden, was genau denn in Sonderschulen anders ist, dass Lernen trotz multipler Entwicklungsherausforderungen der Kinder dort so gut gelingen kann? Und wenn man diese Strukturen dann ins Regelschulsystem eingliedern würde... so viel Zukunftsdenken traut man sich vermutlich gar nicht erst 🤷♀️
Genau aus diesem Grund sollte man bei einem Besuch der zuständigen Politiker nicht für den Erhalt der Sonderschule, sondern für eine Verbesserung des Bildungssystem und für Chancengleichheit eintreten.
die wichtige und notwendige Schulassitenz müsste halt auch verpflichtend eine adäquate Ausbildung haben. Ob Frisörin oder Tischler, jeder kann Schulassistent werden. Für alles braucht es ein Zertifikat oder sonst was, nur bei Kindern nicht !!!
... es kann auch fast jeder ohne Zertifkat Mutter oder Vater werden und ist in den entscheidenden ersten Monaten und Jahren beim Baby und Kind! Meistens sind die Assistenzkräfte WiedereinsteigerInnen und deswegen auch schon erfahrene Eltern auch wenn es Frisörinnen oder Tischler sind.
So lange Inklusion so ein großes Thema ist, wird sie nicht gelebt und auch nicht verstanden!
so lange die inklusion gesellschaftlich nicht vollstens akzeptiert wird, wird es immer zu benachteiligungen für m.m.b kommen... im kinder- als auch im erwachsenenbereich...
Gibt es in der Lebenshilfe nicht auch Werkstätten und Wohnhäuser, in denen ausschließlich beeinträchtigte Menschen arbeiten bzw. leben? Und nebenbei erwähnt fühlen sich die Klient:innen dort recht wohl und werden von den Betreuer:innen sehr gut betreut, so wie ich das erlebe. Fazit: Dann müsste man also neben den Sonderschulen zeitgleich auch die Werkstätten und Wohnhäuser der Lebenshilfe schließen? Das ist für die Klient:innen sicher kein Problem! Oder wie ist das jetzt zu verstehen?
Stimmt! Das hat man beim Verfassen des Artikels sicherlich vergessen.
Inklusion ist ein Menschenrecht!(https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=19) Eine Schule für alle ist mit Mitteln und Personal ausgestattet,so dass jedes einzelne Kind gut lernen kann sowie gut betreut, begleitet und gefördert werden kann. Stellen sie sich vor ein nicht-behindertes Kind dürfte nicht in die selbe Schule gehen wie alle anderen Kinder der Gemeinde, weil es zu klein/groß/langsam/schnell/... ist. Wie würde sich dieses Kind und die Eltern fühlen? Wir grenzen Kinder mit Behinderungen nach wie vor aus, weil wir nicht akzeptieren können/wollen dass Behinderungen einfach zum Leben dazu gehören.
„Inklusion ist ein Menschenrecht!“
Ihnen ist hoffentlich bewusst, dass Sie mit dieser Behauptung etlichen Kommentatoren sowie Ab-und Zustimmern in diesem Forum implizit vorhalten, die Verletzung eines Menschenrechts zu befürworten.
Wer Inklusion und Sonderschulen parallel fordert, der hat Inklusion nicht verstanden.
Warum können Inklusion und Sonderschule nicht nebeneinander bestehen? Für einige passt eben diese Richtung besser, für einige passt die andere Richtung besser. Wo ist das Problem?
Das Problem ist dass Kinder ausgeschlossen werden aus der wohnortnahen Bildungseinrichtung. Also der Ort,wo alle anderen Kinder der Gemeinde selbstverständlich willkommen sind, ja sogar hingehen müssen.
Das lässt sich recht kurz und einfach beantworten: weil Inklusion bei weiterem Bestehen der Sonderschule gar nicht funktionieren kann.
Genau, Inklusion muss in den Köpfen von " UNS" ankommen, dann kann sie gelebt werden.
Warum nicht? Bitte erklären Sie...
Ich glaube, man muss unterscheiden, was man unter einem "behinderten" Kind versteht: Das kann körperlich beeinträchtig sein, geistig beeinträchtigt, lernschwach, verhaltensauffällig etc. Man kann nicht alle in denselben Topf werfen, jede/r hat andere Bedürfnisse, auf die eingegangen werden muss. Was kann dann besseres passieren, wenn man eine Wahl hat zwischen 2 Möglichkeiten? Und die Eltern haben das letzte Wort und somit die Entscheidung für den weiteren Bildungsweg ihres Kindes.
Nur um einmal den fundamentalen Denkfehler in Ihrer Argumentation zu benennen: „Man kann nicht alle in denselben Topf werfen, jede/r hat andere Bedürfnisse, auf die eingegangen werden muss.“ Durch die Verteilung auf zwei Töpfe ist da gar nichts getan.
Das stimmt, Herr Ingruber! Mit zwei Töpfen ist es nicht getan. Jede/r kann/muss/darf ein Leben lang aus vielen Töpfen wählen. Geht es nicht darum, sich im gewählten wohl und deshalb eingegliedert zu fühlen?
Inklusion ist richtig und wichtig - wo immer es möglich ist!
Ich habe NICHTS gegen Inklusion. Aber: in einer Zeit, wo es immer noch Mobbing an Schulen gibt (z.B. wegen Übergewicht, nicht moderner Kleidung, Stottern uvm.), kann ich mir leider schwer vorstellen, wie der Schulunterricht gemeinsam mit Schüler:innen ausschaut die beispielsweise regelmäßig gewickelt werden müssen, anfallsweise wild um sich schlagen und schreien oder nicht eigenständig Nahrung aufnehmen können.
Ich hatte bis dato immer den Eindruck, dass in der Sonderschule jedes Kind die Betreuung bekommt, die es benötigt und sich die Schüler:innen durch diese Schulform nicht benachteiligt fühlen. Bei Gesprächen mit den Eltern an dem besagten Tag der offenen Tür im Oberland wurde mir dieser Eindruck auch bestätigt. Warum lassen wir also nicht einfach die Eltern entscheiden was das Richtige für ihre Kinder ist?
Warum lassen wir nicht Menschen mit Behinderung sagen was sie möchten? Warum unternehmen wir nichts gegen Mobbing an den Schulen? Muss ein Mensch der wegen seines Gewichts gemobbt wird in Zukunft auch in Sonderschulen? Ich bin immer wieder sprachlos, wenn sich Ausgrenzung hinter geheuchelter Empathie versteckt. Es sollte jedem hier im Forum bewusst sein, dass die Sonderschulen durch unsere geliebte blaue Heimatpartei wieder auf dem Vormarsch sind und eben diese Partei für Ausgrenzung steht. Wollen wir das?
Inklusion („wo sie möglich ist“) eingeschränkt zu bejahen, heißt nichts anderes, als sie uneingeschränkt zu verneinen.
Kann es eine uneingeschränkte Inklusion in allen Bildungs- und Gesellschaftsschichten überhaupt geben?
definitiv
Inklusion uneingeschränkt bejahen zu können/zu dürfen, heißt, die Voraussetzungen dafür seitens der (Bildungs)Politik geschaffen zu bekommen. Davon sind wir meilenweit entfernt.
Ich empfehle den Lebenshilfe-Leuten dringend den Besuch der Sonderschule Sillian und ein Gespräch mit den Eltern der dort betreuten Kindern! Inklusion, wo sie möglich ist, ja! Aber es gibt Menschen, bei denen die Inklusion nicht möglich ist, die bei der Inklusion heillos überfordert wären! Auch die Lebenshilfe hat solche Klienten .....
Mit dieser Einstellung, dass es Menschen gibt, bei denen Inklusion nicht möglich sei, wird das wohl nichts. Wie kann denn bitte Inklusion, was in Kurzfassung bedeutet, dass ALLE ein wertvoller Teil der Gesellschaft sind jemanden überfordern?
Selbstverständlich sind ALLE ein wertvoller Teil der Gesellschaft - da stimme ich 100% zu!! Aber der springende Punkt ist der folgende (wie ich bereits vorhin geschrieben habe): "Ich glaube, man muss unterscheiden, was man unter einem "behinderten" Kind versteht: Das kann körperlich beeinträchtig sein, geistig beeinträchtigt, lernschwach, verhaltensauffällig etc. Man kann nicht alle in denselben Topf werfen, jede/r hat andere Bedürfnisse, auf die eingegangen werden muss." >>> Beispiel: Wie inkludiert man auf Dauer und auf sinnvolle Art und Weise ein/en den ganzen Vormittag schreiendes, schlagendes, tretendes etc. Kind/Jugendlichen in eine Klasse von Gleichaltrigen, das/der geistig z. B. auf dem Stand eines Babys ist? Und ja, auch solche Fälle gibt es in der Schule! Und wie ist es mit den Mitschüler:innen, die täglich mehrere Stunden gemeinsam mit dem oben beschriebenen Kind in der Klasse sitzen? Ich spreche nicht von lernschwachen" Schüler:innen, die grundsätzlich in der Lage sind, sich selbstständig zu versorgen.
Was macht man denn momentan mit diesem Kind?
wer wäre überfordert ? Menschen mit Beeinträchtigung, oder WIR "die Gesellschaft" ?
wir machen es nicht möglich, weil WIR Menschen mit Beeinträchtigungen immer noch als "Die" oder "Solche" bezeichnen.
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